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Christian Kladiva,
steirischer Regionalsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten
(GPA)
KORSO: Der Kollektivvertrag (KV) für die IT-Branche wird als
Durchbruch gewertet. Welche (positiven) Veränderungen erwarten Sie
dadurch für die Arbeitssituation der
Beschäftigten in der IT-Branche in der Steiermark?
Kladiva: Die Informations- und Telekommunikationswirtschaft ist heute
zum wichtigsten
Wachstumssektor auch der österreichischen Volkswirtschaft geworden.Netzbetreiber,
Hard- und Softwarelieferanten, Produzenten von Inhalten, elektronische
Diensteanbieter und Sendeanstalten erwirtschaften heute jährlich weit
mehr als ATS 100 Mrd. und tragen damit mehr als 4% des BIP.
KORSO: Was bringt der neue KV für die Arbeitssituation der ArbeitnehmerInnen?
Kladiva: Die "Überzahlung" wird um 15 bis 20 % bzw. um ca. zehn
Prozentpunkte reduziert. Damit kommen die Mindestgehälter näher
an die betriebliche Realität. Gehaltserhöhungen im Laufe der
Berufskarriere werden vorgezogen und die Seniorität zurückgedrängt.
Weitere Vorteile:
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Arbeitszeitverkürzung von 40 auf 38,5 Stunden. Die Normalarbeitszeit
beträgt künftig 38,5 Stunden, die maximal in 5 Arbeitstagen (im
Gewerbe-KV sind auch 6 Tage möglich) zu erbringen sind. Es besteht
auch die Möglichkeit der 4-Tagewoche bei einer Normalarbeitszeit von
zehn Stunden.
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Bei einem flexiblen Gleitzeitmodell beträgt der Überstundenzuschlag
einheitlich 65 %. Die Auszahlung der Überstunden kann vom Dienstnehmer
verlangt werden, sobald 154 Stunden auf dem persönlichen Konto sind.
Davor kann der Dienstgeber Zeitausgleich anordnen. Übernahme
von Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) in den KV.
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Der Überstundenteiler wird auf 143 reduziert (im Gewerbe-KV beträgt
er 150 und im Telekom-KV 173)
KORSO: Was bringt die Zurückdrängung der Seniorität
im Konkreten?
Kladiva: Das ist positiv vor allem im Hinblick auf die
Entwertung von Wissen. Der Erfahrungszuwachs wird innerhalb der Tätigkeitsfamilie/Verwendungsgruppe
eine kürzere Zeit honoriert und zwar in wenigeren, aber kräftigeren
und vor allem zeitlich vorgezogenen Sprüngen. Das entspricht
auch insoferne viel mehr der Realität, als sich zwar einige Jahre
Erfahrung produktivitätserhöhend auswirken, aber dieser Effekt
nach einigen Jahren nicht mehr gegeben ist.
Da der Arbeitskräftemangel nicht ewig andauern wird,
ist die Neugestaltung des Lebenseinkommensverlaufes und die Verkürzung
der Nomalarbeitszeit vor allem ein zukunftsweisender Schritt,
der seine positiven Wirkungen erst im Lauf der Zeit voll entfalten wird.
KORSO: Allerorten gibt es relativ hohe Annahmen bezüglich des
IT-Fachkräftemangels. Wie schätzen Sie die Situation für
die kommenden Jahren in der Steiermark ein? Sind ausländische Fachkräfte
ein Lösung?
Kladiva: Als temporare Notlösung um den akuten Bedarf an
IT-SpezialistInnen abzudecken, kann ich mir eine grundsätzliche Aufstockung
der Zuwanderungsquote für Schlüsselarbeitskräfte vorstellen.
Diese Kontingentserhöhung muss mit einigen Bedingungen verknüpft
werden. Bevor man über mögliche Kontingente diskutiert,
muss erst einmal der tatsächliche Bedarf an IT-SpezialistInnen
seriös ermittelt werden; die Schätzungen gehen dabei abenteuerlich
weit auseinander. Weiters ist eine Aus- und Weiterbildungsoffensive
erforderlich, die auch die Wirtschaft in die Pflicht nimmt.
Hier könnte ich mir einen Ausbildungsverbund
für IT und Telekom vorstellen. Lebenslanges Lernen darf
kein leeres Schlagwort bleiben, sondern muss durch konkrete
Initiativen der Unternehmen ermöglicht und gefördert
werden. Die IT-Branche wird sich von der Vorstellung verabschieden
müssen, sie könne auf bequeme und kostengünstige Weise
den Arbeitskräftebedarf abdecken. Es geht auch darum, die angebotenen
Jobs attraktiver zu gestalten, insbesondere für Frauen.
Das propagierte Bild des selbstausbeuterisch und
rund um die Uhr flexiblen IT-Beschäftigten hält viele
von einer Beschäftigung im IT Bereich fern. Mit dem jüngst
abgeschlossenen EDV Kollektivvertrag ist ein sinnvoller Rahmen geschaffen
worden, der auch die Bedürfnisse der
Beschäftigten berücksichtigt und nun entsprechend
genützt werden muss. Für verantwortungslos
halte ich es, einfach mit Lockangeboten die Arbeitsmärkte in Osteuropa
leer zu fegen und sich damit eine Ausbildungsinvestition zu
ersparen. Erforderlich ist vielmehr die Entwicklung einer gemeinsamen
arbeitsmarktpolitischen Strategie, die raschest mit unseren Nachbarländern
vereinbart gehört.
KORSO: Wie sieht es im Bereich der Lehrlingsausbildung aus?
Kladiva: Auch der Sektor Lehrlingsausbildung muss in den neuen Branchen
der New Economis vermehrt angeboten werden. Es kann nicht sein, dass
per Ende Juni 2000 die Wirtschaft österreichweit nur 2 Lehrlingen
zu IT-ElektronikerInnen, weitere 2 Lehrlinge zu IT-Kaufleuten und immerhin
16 Lehrlinge zu Informatikern ausbildete.
KORSO: Sind IT-Unternehmen überhaupt gewillt, Hochqualifizierte
bei auch entsprechender Bezahlung zu beschäftigen?
Kladiva: Naturgemäß ergibt sich für hoch qualifizierte,
ausgebildete IT Spezialisten eine höhere Bezahlung,
da durch den akuten Fachkräftemangel der so genannte Abwerbungseffekt
für Spezialisten zum Tragen kommt (in den meisten Fällen
mit mehr Gehalt verbunden). In den meisten Fällen
muss der Angestellte bei einem Wechsel von einem Unternehmen
zu einem anderen Dienstverträge mit enormen Inhalten
hinnehmen, die darauf abzielen, den Beschäftigten
ein mögliches Abspringen zu erschweren. Teilweise
bezahlen auch die abwerbenden Betriebe die damit verbundenen
Konventionalstrafen des Angestellten (empfehlenswert für den Angestellten
wäre, sich bei jedem Wechsel seinen Dienstvertrag von der GPA Stmk.
prüfen zu lassen).
KORSO: Gibt es Statistiken/ Evaluationen bezüglich der Situation
der steirischen
IT-Unternehmen bzw. der dort Beschäftigten (z.B. Ausbildungsstand,
Zufriedenheit
der MitarbeiterInnen, ...)
Kladiva: Leider gibt es für die Steiermark noch keine
Untersuchung bzw. Studien oder Auswertungen. Es gibt jedoch eine österreichweite
Grundsatzstudie der GPA zum Thema IT und Telekom zukommen lassen.
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