|
Das Gebiet Graz-West ist schon lange Problemzone der
Grazer Stadtplanung: Brachliegende Grundstücke, schlechte Verkehrsverbindungen
und eine extreme Mischung zwischen Wohn- und veralteten Industriegebieten
vermindern die Lebensqualität und machen den Wirtschaftsstandort unattraktiv.
Das „Projekt Graz-West“ ist ein Pilotversuch, Stadtentwicklung
auf Basis von umfassender Kommunikation und unter Einbindung einer vermittelnden
Organisation zu betreiben. Gemanagt wird diese ambitionierte Initiative
vom Grazer Architekten Harald Saiko und dem Leiter des Amtes für Stadtplanung
und –entwicklung, DI Hansjörg Luser.
Zwischen der Grazer Innenstadt und dem Zentrum von Eggenberg liegt ein
vielen Grazern unbekanntes Gebiet, das auch verkehrsmäßig vom
Rest der Stadt abgeschnitten ist. Vor allem die langen Wartezeiten am Bahnübergang
Friedhofgasse bzw. der Kreuzung Annenstraße/Bahnhofgürtel haben
sich vielen ins Gedächtnis eingeprägt.
Außerdem sind in dieser Gegend ungefähr 90% des Industriebereichs
zurzeit ungenutzt, wie etwa die alte Reininghaus-Brauerei oder das
Waagner-Biro-Gelände.
Durch jahrelange städtebauliche Versäumnisse entstand dringender
Handlungsbedarf, den die Grazer Politik endlich erkannte: Der Gemeinderat
gab nun im Februar dieses Jahres einstimmig dem Antrag für eine „Initiative
Graz West“ statt. Aus ihr heraus entstand das Projekt „Stadtentwicklung
Graz West“ unter der Projektleitung des Grazer Architekten Harald Saiko
und des Leiters des Amtes für Stadtentwicklung und Stadterhaltung,
DI Hansjörg Luser.
„Defizite als Chancen“
„Unser langfristiges Ziel ist ein schön gestaltetes Stadtviertel,
indem man gerne arbeitet, gerne wohnt und gerne studiert,“ meint DI Hansjörg
Luser.
Die Herausforderung des Projekts besteht darin, alle betroffenen Parteien
in eine umfassende, vernetzte Planung einzubinden. Denn: In sich entwickelnden
Gebieten ist es häufig so, dass zwar einzelne Projekte realisiert
oder Wettbewerbe ausgeschrieben werden, es findet jedoch keine Kommunikation
untereinander statt. „Der Nachbar weiß vom anderen nicht, was dieser
bauen will. Projekte landen in der Schublade, weil sich auf einmal jemand,
der nicht gefragt wurde, querstellt.“ bedauert Architekt Harald Saiko.
„Wir wollen jeden einbinden, um im Vorfeld komplexe Probleme zu klären.
So können wir am Ende zu einfachen Lösungen kommen, die von allen
akzeptiert werden.“
Die beteiligten Parteien (wie etwa Anrainer, Grundstückseigentümer,
aber auch die GVB und das Technikum Joanneum) sollen ihre Interessen vorbringen
können. Alle BürgerInnen sind eingeladen, Mitte November an einer
ersten Informationsveranstaltung teilzunehmen. Ein großer Wunsch
der Projektleitung ist auch die Errichtung eines eigenen Terminals vor
Ort, wo alle Informationen laufend und von jedem abgerufen werden können.
Das Gesamtkonzept und die einzelnen Pläne sollen dabei anschaulich
und verständlich dargestellt werden.
|
|
Planer Saiko: „Wir wollen alle einbinden."
|
Planer Luser: „Unser Ziel ist ein neues, schön
gestaltetes Stadtviertel“
|
Städtebaulicher Wettbewerb – der erste
Schritt
Die Fachhochschule Joanneum, die 1997 in das „rote Haus“ in der Alten
Poststraße gezogen ist, wird seitdem ständig erweitert. Der
Wettbewerb für die bis 2008 notwendigen Bauabschnitte soll in Kürze
ausgeschrieben werden. Eine wichtige Bereicherung für das Stadtgebiet.
Zusätzlich zum neuen Campus ist die Errichtung eines neuen WIST-Studentenheims
in der näheren Umgebung geplant. Wie man diese einzelnen Projekte
in ein städtebauliches Planungskonzept eingliedert, soll wiederum
ein Wettbewerb klären, der derzeit im Gange ist. Acht Teilnehmer aus
dem In- und Ausland (etwa Delugan_Meissel aus Wien, Henke & Schreiek
und das Architekturbüro L.O.V.E. aus Graz, MVRDV und Kees Christiaanse
aus Rotterdam) suchen bis 3. November nach Möglichkeiten der Stadtentwicklung.
Für die Architekten handelt es sich dabei um eine neue Form der
Aufgabenstellung. „Der Städtebau ist eine besondere Herausforderung“,
meint etwa Architektin Elke Delugan vom Wiener Architekturbüro
Delugan_Meissl. Und die Architekten vom Grazer Büro L.O.V.E. betonen:
„Jetzt stehen noch alle Möglichkeiten offen, da hat man noch die Chance,
alles richtig zu machen.“
|
Mit dem Projekt Graz-West soll auch die Alte-Post-Straße
im Bereich des Technikum Joanneum
verkehrsberuhigt werden.
|
Zukunft gesichert
Finanziell gesichert ist das gesamte Projekt für die nächsten
drei Jahre. Außerdem hat Graz Anspruch auf die EU-Förderung
„URBAN 2“ in der Höhe von bis zu 55 Millionen Schilling. Voraussetzung
dafür ist, dass sich auch die Stadt beteiligt. Bis zum 8. November
muss sie ein dahingehendes Programm beschließen.
Relevante Daten sowie bereits geplante Projekte sind etwa Umfahrungslösungen
für den Durchzugsverkehr, die durch den Bau der ÖBB-Koralmstrecke
ohnehin notwendig würden. Die Alte-Post-Straße soll im Bereich
der Fachhochschule durch drei neue Bahnunterführungen verkehrsberuhigt
werden. Im Idealfall wird die Alte-Post-Straße nur noch dem
Rad- und Fußgängerverkehr offen stehen.
Auch das Gebiet um den Plabutsch soll in das Projekt „Graz West“ mit
einbezogen werden. Saiko: „Wir wollen den Plabutsch aus seinem Dornröschenschlaf
wecken und in ein Naherholungsgebiet integrieren, das auch das Eggenberger
Bad und das Schlossareal mit einbezieht.“
Ziel des Entwicklungsprozesses ist zunächst ein städtebauliches
Leitbild, danach eine umfassende Nutzungsfestlegung von Grundstücken
bis zu ganzen Gebieten. Neben einigen Widmungs- und Bebauungsplänen
handelt es sich dabei meistens um Empfehlungen auf verschiedensten Ebenen.
Ob sich die Beteiligten an ihre Abmachungen halten, liegt jedoch immer
noch in ihrer Hand. Auch die geplante politische Absicherung wird dieses
Risiko nicht ausschalten können.
Kontakt:
Arch. DI Harald Saiko
Defreggergasse 6
Graz
Tel.: 922-11-222
|