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Stadt findet statt
Symposion über Bürgerdemokratie
im 21. Jahrhundert
Bürgerinitiativen haben den öffentlichen
Diskurs in der steirischen Landeshauptstadt während der vergangenen
25 Jahre nicht nur markant mitgeprägt, sondern mitunter politische
Entscheidungen wesentlich mitgestaltet. Nur wenige der wirklich "großen"
Themen wurden in den 80ern und 90ern ausschließlich und allein im
regulären "political system" abgehandelt.
Man erinnert sich: Die in den Siebzigerjahren
unter intensiver Bürgerbeteiligung abgewickelte Debatte "Westumfahrung
versus Plabutschtunnel" hat in der Folge sogar einen Bürgermeisterkopf
gekostet. Die Bürgerinitiative gegen den Verkauf der Puch-Zweiradproduktion
hat – wiewohl sie ihr Ziel letztlich verfehlte – 1987/88 österreichweit
Aufmerksamkeit erregt. Nicht nur aber auch aufgrund des Auftretens einer
Bürgerinitiative gibt es bis zum heutigen Tag keine Müllverbrennung
in Graz. Schon in den 80er-Jahren wurde das Grazer Büro für Bürgerinitiativen
(heute "BürgerInnenbüro") eingerichtet, das die Kontakte mit
den zahlreichen Aktivitäten koordinieren half.
Stadtrat Gerhard Rüsch lud am 23.
und 24. November ein Duzend Bürgerbeteiligungs- Experten und -Praktiker
aus Österreich und anderen europäischen Ländern ins Krainer-Haus
nach Graz, die vor Grazer Aktivbürgern bemerkenswerte Projekte und
Erfahrungen europäischer Initiativen präsentierten und Ausblicke
auf zukünftige Möglichkeiten und Strategien aufzeigten.
Für den Basler Stadtökologen Daniel
Wiener stellt Bürgerbeteiligung heute ein "Pflichtfach" für
ein modernes Staatswesen dar. Sie soll "Ergänzung zum herkömmlichen
Abstimmungsmodus" sein. Wiener hat mit seinem professionell aufgezogenen
Projekt "Werkstatt Basel" (www.werkstadt-basel.ch),
das die Bürger erfolgreich zur Mitarbeit an einem Aktionsprogramm
Stadtentwicklung aufgerufen hatte, Ende der 90er-Jahre europaweit Aufsehen
erregt.
Für den Erfolg von Bürgerbeteiligungsverfahren
müssen, nach Wiener, auf jeden Fall vier Schlüsselfaktoren wirksam
werden:
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klare Zielsetzungen
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professionelle, neutrale Moderation
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Formulierung konkreter Projekte ohne lange Planungsphasen
(Antizipation "erwartbarer" Ergebnisse)
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nachvollziehbare Erarbeitung der
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Ergebnisse.
Bürgerbeteiligung kann und darf nicht Protestprävention
sein. Sie ist "Werkzeug der Interessenvertretung". Nach der Formulierung
von Regierungszielen erfolgen nacheinander
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das Agenda-Setting in der Bevölkerung,
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die Konsensorientierungen über Maßnahmen
in den Interessensverbänden, die zu
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Beschlüssen durch die Parlamente führen.
Die Kommunikationswissenschafterin Maria Nicolini
vom Institut für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung
(IFF) in Klagenfurt kritisiert, dass im neunzigseitigen Grazer Stadtentwicklungskonzept
das Thema Bürgerbeteiligung lediglich marginale drei Zeilen
einnimmt. Die Inhaltsanalyse der Publikation Newsletter 2/2000 des Amtes
für Stadtentwicklung lässt Zweifel aufkommen, "ob das mit der
Bürgerbeteiligung ernst genommen wird". Der Wille zur "Bürgereinbindung",
das Bekenntnis zur "Information" allein, so Nicolini, lässt noch keine
klare Absicht zur Bürgerbeteiligung erkennen. Mit "Bürgerbeteiligung"
wird traditionellerweise meist informelle Mitwirkung an öffentlichen
Angelegenheiten gemeint, neuerdings wird auch der neu belebte Begriff vom
Ehrenamt mitunter mit diesem Bereich in Verbindung gebracht.
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Stadtrat Dr. Gerhard Rüsch: partizipatorische
Prozesse als kommunale Steuerungselemente, "Werkstatt Basel"-Koordinator
Daniel Wiener: Bürgerbeteiligung als Pflichtfach für modernes
Staatswesen, Prof. Maria Nicolini, Uni Klagenfurt: Ein kritischer Blick
auf die "Rede von der Bürgerbeteiligung"
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Ein streng formalisiertes Bürgerbeteiligungsmodell
hat in Europa bereits einen gewissen Ruf erlangt: Benno Trütken,
Kommunalberater mit Schwerpunktthema Bürgerbeteiligung aus Niedersachsen,
referierte den erfolgreichen Einsatz der so genannten Planungszellen in
den deutschen Kommunen Meckenheim, Meerbusch und Witten. Ähnlich wie
bei der Zufallsauswahl von Schöffen werden BürgerInnen aus den
Melderegistern der Gemeinden ausgewählt, um jeweils vier Tage lang
über ein konkretes kommunales Problem zu beraten. Eine Planungszelle
besteht aus etwa 25 Teilnehmern, die für die Zeit ihrer Tätigkeit
finanziell entgolten werden. Mehrere Planungszellen zum selben Problem
erhöhen die Qualität der Ergebnisse und deren Durchsetzungspotenzial.
Der Einsatz von Planungszellen kann, so Trütken, die politische "Kommunikationskultur"
erheblich verbessern und stellt eine praktikable Ergänzung zu repräsentativdemokratischen
Entscheidungen dar.
Kontakt und ausführliche Unterlagen zum
Symposion:
BürgerInnenbüro/Info Point Europa,
Abteilungsvorstand: Kurt Hörmann
Landhausgasse 2, 8010 Graz
Informationsstelle:
Tel.: 0 316/872-5602
Fax: 0 316/872-5609
Parteienverkehr: Mo–Fr 8.00–14.00 Uhr
e-mail: buergerbuero@stadt.graz.at
e-mail: euro.info.point@stadt.graz.at
Homepage des österr. Info-Point-Europa:
http://www.europainfo.at |