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Nein zu Temelin
– Ja zum Atomstrom?
Immerhin 915.000 Unterschriften hat das Anti-Temelin-Volksbegehren
erreicht, und wäre es kein Partei-Volksbegehren gewesen, wäre
sein Erfolg noch deutlicher ausgefallen. Die Anti-Atom-Haltung der Österreicher
ist ungebrochen. Was dennoch offenbar die wenigsten wissen (wollen): Dass
ihr Strom schon zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Kernkraft
(dem "Krone"-Unwort des Jahres 2001) stammt. Dabei gibt’s seriöse
Alternativen zum Billigstrom aus zerfallenden Atomen.
"Wir haben in Österreich einen Stromüberhang,
die Österreicher könnten sich problemlos selbst mit Strom versorgen,"
erklärte Dr. Heinz Högelsberger, Energiereferent der Umweltorganisation
Global 2000, im KORSO-Interview. Dennoch betrug Anfang des Jahres 2001
der Atomstromanteil in gesamt Österreich bereits 9 bis 10 Prozent,
europaweit beläuft er sich derzeit auf rund 30 Prozent.
Da der Strommarkt in Österreich mit 1. Oktober
völlig geöffnet wurde und auch jeder Privatkunde sich nun seinen
Stromversorger selbst wählen kann, ist letztendlich jede/r selbst
mit dafür verantwortlich, ob er/sie Atomstrom bezieht.
Durch Rechentrick zum Null-Promille-Strom
Eigentlich sollte ein kurzer Blick auf die Stromrechnung
Antwort auf die Gretchenfrage "Wie hältst du’s mit der Kernkraft?"
geben. Denn: Gleichzeitig mit der Liberalisierung trat eine neue Regelung
im Rahmen des Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes
(ELWOG) in Kraft, welche eine transparente Aufschlüsselung der Herkunftsquellen
des Stroms auf der Rechnung vorschreibt. Die Praxis ist allerdings wesentlich
komplizierter, da die Ausführungsgesetze den Ländern überlassen
sind. Diese unterschiedlichen Durchführungsbestimmungen machen es
überregionalen Stromanbietern möglich, ihren tatsächlichen
Atomstromanteil vor den Privatkunden zu verbergen: Diesen wird auf der
Rechnung einfach der Wasserkraft-Strom des Anbieters zugewiesen, die weniger
heiklen Industriekunden bekommen den atomaren Rest.
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Dr. Heinz Högelsberger, Global 2000:
"Österreich könnte sich problemlos selbst mit Strom versorgen." |
Eine einheitliche Regelung ist nötig
"Das ist Betrug", ärgert sich Högelsberger,
"denn der Atomstromanteil bleibt in Wirklichkeit natürlich immer derselbe.
Wienstrom hat zum Beispiel größere Lieferverträge mit Atomstromkonzernen
wie den Bayernwerken und EnBW abgeschlossen und weist bei ihren Lieferungen
nach Niederösterreich trotzdem einen Atomstromanteil von null Prozent
aus, obwohl dieser in Wirklichkeit weit über zehn Prozent liegt. Wir
vertreten den Standpunkt, dass ein Stromanbieter seinen Strom bei allen
Kunden auf gleiche Art wahrheitsgetreu deklarieren muss."
Im Wirtschaftsminsterium ist man der Ansicht,
so der für die Energiepolitik zuständige Mag. Helmut Staudinger,
dass diesen Tricks nur durch eine einheitliche Regelung der Durchführungsbestimmungen
in allen Bundesländern ein Riegel vorgeschoben werden kann. "Österreich
ist ein einheitlicher Wirtschaftsraum und nur ein einheitliches Elektrizitätsgesetz
macht für Lieferanten und Kunden Sinn."
"Select": Zu mindestens drei Prozent aus strahlenden
Quellen
Dipl. Ing. Wolfgang Jilek, Landesenergiebeauftragter
der Steiermark, erläutert die steirischen Bestimmungen: "Bei uns darf
ein Stromhändler nur ein Produkt anbieten, das heißt, der Anteil
an Atom-, Wasserkraft- und sonstigem Strom muss immer wahrheitsgetreu gleich
ausgewiesen werden." Um so verwunderlicher, dass in den "Select Kundeninformationen"
der STEWEAG, welche im Jänner 2002 an die Privatkunden des steirisch/französischen
Versorgers ergingen, "Select"strom mit einem Atomstromanteil von 0 Prozent
ausgewiesen wird, während für den gesamten STEWEAG-Strom immerhin
ein Anteil von über 3% Kernenergie zugegeben wird. Ein rechnerisches
Spielchen mit der Atomenergie, welches den Kunden glauben lassen soll,
mit "Select" "sauberen" Strom zu beziehen. KORSO hat STEWEAG-Marketing-Mann
Dr.
Martin Pöschl, der uns noch vor einem knappen Jahr freudig versichert
hatte, sein Unternehmen beziehe "null Prozent" Atomstrom, mehrfach angeboten,
zu diesem Widerspruch Stellung zu beziehen – vergeblich.
Warum schweigt die STEWEAG?
Aber auch die per Rechentrick weggezauberten
3 Prozent Kernenergie-Anteil am STEWEAG-Strom dürften noch zu niedrig
gegriffen sein. Global 2000 reichte bereits Ende 2001 eine schriftliche
Beschwerde ein, die sich mit dem Vorwurf der vorsätzlich falschen
Stromkennzeichnung gegen die STEWEAG richtete.
Die eingestandenen drei Prozent Kernenergie lassen
sich auf undeklarierte Importe zurückführen; für die Berechnung
des Anteils an Atomstrom an solchen Importen wird der so genannte UCTE
(Union for the Coordination of Transmission of Electricity)-Mix herangezogen,
der den "Durchschnittsmix" von allem Strom im europäischen Netz widerspiegelt.
Nur: "Tatsache ist", so Högelsberger, "dass die STEWEAG ihren Strom
in großen Mengen vom Verbund zukauft und dieser einen Atomstromanteil
von 15 Prozent aufweist. Allein im Jahr 2000 waren dies 2794 Gigawattstunden.
Aus diesem Grund muss die Angabe von 3 Prozent Atomstromanteil falsch sein."
Auch auf diese Beschwerde hat die STEWEAG bis jetzt nicht reagiert.
Die Beschwerde von Global 2000 erging zusätzlich
an drei Behörden: An die Kontrollbehörde E-Control, welche, so
Högelsberger, als unabhängiges Aufsichtsorgan längst hätte
eingreifen müssen, an das Wirtschaftsministerium, das die Beschwerde
jedoch mit der Begründung zurückwies, dass in erster Linie die
steirische Landesregierung zuständig sei, und an das Energieressort
des Landes. Aus dem Büro des zuständigen Landesrates DI Leopold
Schöggl verlautet, dass man die Beschwerde
prüfe und sie zwecks Stellungnahme an die STEWEAG weitergeleitet habe.
Aber auch Schöggl hat – zumindest bis zur Drucklegung dieser
KORSO-Ausgabe – keine Auskunft von der STEWEAG erhalten.
Atomimporte aus Hochrisikoreaktoren
Es könnten noch schlimmer kommen: Die Aufsichtsbehörde
E-Control will Atomstromimporte aus Hochrisikoreaktoren in Drittstaaten
wieder zulassen. Högelsberger spricht von "Skandal" und "Gesetzesbruch"
und wirft der E-Control vor, als unabhängiges Aufsichtsorgan zu versagen
und dem kleinsten politischen Druck nachzugeben. Laut ELWOG sind Stromimporte
aus Nicht-EU-Staaten zu verbieten, wenn die dortigen Kraftwerke nicht dem
Stand der Technik entsprechen, somit Mensch und Umwelt stark gefährden
und es keinen Nachweis für die ordnungsgemäße Entsorgung
der Abfälle gibt. Folgerichtig wurden Stromimporte aus 15 Drittstaaten
von der E-Control zunächst verboten – nun soll aber doch Atomstrom
aus zumindest einigen dieser Länder, nämlich Slowenien, Slowakei,
Ungarn und Litauen, nach Österreich eingeführt werden dürfen.
"Wenn die Politik versagt, muss der Konsument regulierend eintreten", meint
Högelsberger, "wir versuchen bereits Gemeinden als Partner zu gewinnen,
um im Rahmen von Informationskampagen möglichst viele Menschen zu
finden, welche zu einem atomstromfreien Anbieter wechseln. Wir appellieren
an die Eigenverantwortung der BürgerInnen."
Atomstrom – recht und billig?
Billigstrom ist Atomstrom, darüber sollte
sich jeder Stromabnehmer im Klaren sein. Die aktivsten Importeure sind
laut Greenpeace VKW (Vorarlberg), TIWAG (Tirol), Energie AG (Oberösterreich),
EVN (Niederösterreich), WIENSTROM und die STEWEAG. "Wenn in Österreich
keine vernünftigen politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden,
werden die Atomstromkonzerne auch bei uns immer mehr das Sagen haben",
befürchtet Högelsberger. Durch die Liberalisierung gerieten selbst
die Atomkraftwerksbetreiber unter großen Druck, um Kosten zu sparen,
wurden etwa die Intervalle wichtiger Sicherheitskontrollen von vier auf
nunmehr fünf Jahre verlängert. Außerdem sind die Kosten
für die noch zu errichtenden Atommülllager noch nicht in den
Strompreis eingerechnet – Atomstrom wird teurer werden, ist die übereinstimmende
Meinung der Experten.
Die Null-Prozent-Anbieter
Zwischen undurchsichtigen Stromkennzeichnungen,
doppeldeutigen Kundeninformationen seitens diverser Stromfirmen und einem
sichtlichen Anstieg des Atomstromimportes am österreichischen Markt
versuchen sich die Anbieter von reinem Ökostrom ins Rennen einzubringen.
Sowohl die Alpen Adria Energy AG (AAE) in Kötschach-Mauthen als auch
die Wiener oekostrom AG orientieren auf Kunden, die nicht nur verbal für
ein atomfreies Österreich eintreten, sondern auch keinen Strom von
Anbietern beziehen wollen, die Atomstrom importieren und verkaufen.
Denn: die Alpen Adria Energy AG und die oekostrom
AG sind die einzigen Stromanbieter auf österreichischem Boden, welche
ihre Stromkunden zu 100% mit Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Kleinwasserkraft
versorgen – umweltfreundlich und atomstromfrei. Die Kraftwerke und Stromlieferungen
werden in regelmäßigen Abständen vom österreichischem
Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Research strengen Kontrollen unterzogen.
Die Kontrollkriterien wurden in Kooperation mit den großen Umweltorganisationen
ausgearbeitet und schließen jeden Etikettenschwindel aus. Die AAE
bietet den Kunden zwei Tarifmodelle an: Den "Naturstrom" für Umweltbewusste
und den "Ökostrom" für Förderer von Alternativenergien.
Die oekostrom AG bietet ihren Strom zu einem Einheitspreis an und darüber
hinaus Kompensationsmöglichkeiten für die Ökostromtarife
wie eine Energiesparlampe oder eine Ökostromaktie. So kann der Kunde
die Mehrkosten in nur vier Jahren kompensieren. Der Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter
ist jederzeit möglich. Es liegt in der Hand des Konsumenten, sich
tatsächlich gegen Atomkraftwerke und für eine umweltfreundlichere
Alternative zu entscheiden.
Claudia Windisch
Die Gretchenfrage an die Parteien:
"Wie halten Sie es mit dem Strom?"
Offiziell sind sie alle gegen Atomstrom – aber
wie sieht’s aus, wenn’s ans Eingemachte geht? KORSO hat bei den Umweltsprechern
der Landtags-Fraktionen nachgefragt: Wie hält es Ihre Partei mit der
Stromversorgung Ihrer eigenen Objekte und Büros?
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FPÖ-LAbg. Waltraud Dietrich: Für EU-weites Umdenken
– aber keine konkreten Schritte ...
"Es gibt bereits Überlegungen, in den eigenen Bürostrukturen
auf Ökostrom-Anbieter umzusteigen, definitiv spruchreif ist noch nichts.
Da wir vehement gegen Atomstrom auftreten, wollen wir, dass EU-weit ein
Umdenken stattfindet und der Strom generell aus alternativen Energiequellen
bezogen wird." |
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ÖVP-LAbg. Bgm. Ernst Gödl: Reine Wasserkraft von
der STEWEAG
"Ich bekam von der STEWEAG die Auskunft, dass der Strom, den wir beziehen,
aus reiner Wasserkraft stammt. Ich werde persönlich anregen, dass
wir für die Versorgung unserer Bürostrukturen zu einem Ökostrom-Anbieter
wechseln." |
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Grün-LAbg. Peter Hagenauer: Verhandlungen mit Ökostrom-Anbietern
sind im Gange
"Wir steigen gerade auf Ökostrom um und befinden uns derzeit in
Verhandlungen mit zwei Anbietern. Durch laufende Veranstaltungen versuchen
wir das Interesse der Bevölkerung verstärkt für alternative
Energien zu gewinnen. Im Rahmen der Atomstrom-Diskussion ist es jedoch
unerlässlich auch auf die 380-KV-Leitung hinzuweisen, über die
Atomstrom aus dem Osten nach Österreich gelangen soll." |
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SPÖ-LAbg. Michaela Halper:Politische Positionen müssen
persönlich umgesetzt werden
"Es wird innerhalb der steirischen SozialdemokratInnen eine Diskussion
über den Strombezug der eigenen Immobilien geben. Ich werde bei der
Neugestaltung der Fraktion mein Augenmerk darauf legen, dass die politischen
Positionen von allen MandatarInnen und FunktionärInnen auch persönlich
umgesetzt werden." |
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