02 / 2002
  Nein zu Temelin – Ja zum Atomstrom?
 

Immerhin 915.000 Unterschriften hat das Anti-Temelin-Volksbegehren erreicht, und wäre es kein Partei-Volksbegehren gewesen, wäre sein Erfolg noch deutlicher ausgefallen. Die Anti-Atom-Haltung der Österreicher ist ungebrochen. Was dennoch offenbar die wenigsten wissen (wollen): Dass ihr Strom schon zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Kernkraft (dem "Krone"-Unwort des Jahres 2001) stammt. Dabei gibt’s seriöse Alternativen zum Billigstrom aus zerfallenden Atomen.

"Wir haben in Österreich einen Stromüberhang, die Österreicher könnten sich problemlos selbst mit Strom versorgen," erklärte Dr. Heinz Högelsberger, Energiereferent der Umweltorganisation Global 2000, im KORSO-Interview. Dennoch betrug Anfang des Jahres 2001 der Atomstromanteil in gesamt Österreich bereits 9 bis 10 Prozent, europaweit beläuft er sich derzeit auf rund 30 Prozent.
Da der Strommarkt in Österreich mit 1. Oktober völlig geöffnet wurde und auch jeder Privatkunde sich nun seinen Stromversorger selbst wählen kann, ist letztendlich jede/r selbst mit dafür verantwortlich, ob er/sie Atomstrom bezieht.

Durch Rechentrick zum Null-Promille-Strom
Eigentlich sollte ein kurzer Blick auf die Stromrechnung Antwort auf die Gretchenfrage "Wie hältst du’s mit der Kernkraft?" geben. Denn: Gleichzeitig mit der Liberalisierung trat eine neue Regelung im Rahmen des Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetzes (ELWOG) in Kraft, welche eine transparente Aufschlüsselung der Herkunftsquellen des Stroms auf der Rechnung vorschreibt. Die Praxis ist allerdings wesentlich komplizierter, da die Ausführungsgesetze den Ländern überlassen sind. Diese unterschiedlichen Durchführungsbestimmungen machen es überregionalen Stromanbietern möglich, ihren tatsächlichen Atomstromanteil vor den Privatkunden zu verbergen: Diesen wird auf der Rechnung einfach der Wasserkraft-Strom des Anbieters zugewiesen, die weniger heiklen Industriekunden bekommen den atomaren Rest.
 

Dr. Heinz Högelsberger, Global 2000: "Österreich könnte sich problemlos selbst mit Strom versorgen."

Eine einheitliche Regelung ist nötig
"Das ist Betrug", ärgert sich Högelsberger, "denn der Atomstromanteil bleibt in Wirklichkeit natürlich immer derselbe. Wienstrom hat zum Beispiel größere Lieferverträge mit Atomstromkonzernen wie den Bayernwerken und EnBW abgeschlossen und weist bei ihren Lieferungen nach Niederösterreich trotzdem einen Atomstromanteil von null Prozent aus, obwohl dieser in Wirklichkeit weit über zehn Prozent liegt. Wir vertreten den Standpunkt, dass ein Stromanbieter seinen Strom bei allen Kunden auf gleiche Art wahrheitsgetreu deklarieren muss."
Im Wirtschaftsminsterium ist man der Ansicht, so der für die Energiepolitik zuständige Mag. Helmut Staudinger, dass diesen Tricks nur durch eine einheitliche Regelung der Durchführungsbestimmungen in allen Bundesländern ein Riegel vorgeschoben werden kann. "Österreich ist ein einheitlicher Wirtschaftsraum und nur ein einheitliches Elektrizitätsgesetz macht für Lieferanten und Kunden Sinn."

"Select": Zu mindestens drei Prozent aus strahlenden Quellen
Dipl. Ing. Wolfgang Jilek, Landesenergiebeauftragter der Steiermark, erläutert die steirischen Bestimmungen: "Bei uns darf ein Stromhändler nur ein Produkt anbieten, das heißt, der Anteil an Atom-, Wasserkraft- und sonstigem Strom muss immer wahrheitsgetreu gleich ausgewiesen werden." Um so verwunderlicher, dass in den "Select Kundeninformationen" der STEWEAG, welche im Jänner 2002 an die Privatkunden des steirisch/französischen Versorgers ergingen, "Select"strom mit einem Atomstromanteil von 0 Prozent ausgewiesen wird, während für den gesamten STEWEAG-Strom immerhin ein Anteil von über 3% Kernenergie zugegeben wird. Ein rechnerisches Spielchen mit der Atomenergie, welches den Kunden glauben lassen soll, mit "Select" "sauberen" Strom zu beziehen. KORSO hat STEWEAG-Marketing-Mann Dr. Martin Pöschl, der uns noch vor einem knappen Jahr freudig versichert hatte, sein Unternehmen beziehe "null Prozent" Atomstrom, mehrfach angeboten, zu diesem Widerspruch Stellung zu beziehen – vergeblich.

Warum schweigt die STEWEAG?
Aber auch die per Rechentrick weggezauberten 3 Prozent Kernenergie-Anteil am STEWEAG-Strom dürften noch zu niedrig gegriffen sein. Global 2000 reichte bereits Ende 2001 eine schriftliche Beschwerde ein, die sich mit dem Vorwurf der vorsätzlich falschen Stromkennzeichnung gegen die STEWEAG richtete.
Die eingestandenen drei Prozent Kernenergie lassen sich auf undeklarierte Importe zurückführen; für die Berechnung des Anteils an Atomstrom an solchen Importen wird der so genannte UCTE (Union for the Coordination of Transmission of Electricity)-Mix herangezogen, der den "Durchschnittsmix" von allem Strom im europäischen Netz widerspiegelt. Nur: "Tatsache ist", so Högelsberger, "dass die STEWEAG ihren Strom in großen Mengen vom Verbund zukauft und dieser einen Atomstromanteil von 15 Prozent aufweist. Allein im Jahr 2000 waren dies 2794 Gigawattstunden. Aus diesem Grund muss die Angabe von 3 Prozent Atomstromanteil falsch sein." Auch auf diese Beschwerde hat die STEWEAG bis jetzt nicht reagiert.
Die Beschwerde von Global 2000 erging zusätzlich an drei Behörden: An die Kontrollbehörde E-Control, welche, so Högelsberger, als unabhängiges Aufsichtsorgan längst hätte eingreifen müssen, an das Wirtschaftsministerium, das die Beschwerde jedoch mit der Begründung zurückwies, dass in erster Linie die steirische Landesregierung zuständig sei, und an das Energieressort des Landes. Aus dem Büro des zuständigen Landesrates DI Leopold
Schöggl verlautet, dass man die Beschwerde prüfe und sie zwecks Stellungnahme an die STEWEAG weitergeleitet habe. Aber auch  Schöggl hat – zumindest bis zur Drucklegung dieser KORSO-Ausgabe – keine Auskunft von der STEWEAG erhalten.

Atomimporte aus Hochrisikoreaktoren
Es könnten noch schlimmer kommen: Die Aufsichtsbehörde E-Control will Atomstromimporte aus Hochrisikoreaktoren in Drittstaaten wieder zulassen. Högelsberger spricht von "Skandal" und "Gesetzesbruch" und wirft der E-Control vor, als unabhängiges Aufsichtsorgan zu versagen und dem kleinsten politischen Druck nachzugeben. Laut ELWOG sind Stromimporte aus Nicht-EU-Staaten zu verbieten, wenn die dortigen Kraftwerke nicht dem Stand der Technik entsprechen, somit Mensch und Umwelt stark gefährden und es keinen Nachweis für die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle gibt. Folgerichtig wurden Stromimporte aus 15 Drittstaaten von der E-Control zunächst verboten – nun soll aber doch Atomstrom aus zumindest einigen dieser Länder, nämlich Slowenien, Slowakei, Ungarn und Litauen, nach Österreich eingeführt werden dürfen. "Wenn die Politik versagt, muss der Konsument regulierend eintreten", meint Högelsberger, "wir versuchen bereits Gemeinden als Partner zu gewinnen, um im Rahmen von Informationskampagen möglichst viele Menschen zu finden, welche zu einem atomstromfreien Anbieter wechseln. Wir appellieren an die Eigenverantwortung der BürgerInnen."

Atomstrom – recht und billig?
Billigstrom ist Atomstrom, darüber sollte sich jeder Stromabnehmer im Klaren sein. Die aktivsten Importeure sind laut Greenpeace VKW (Vorarlberg), TIWAG (Tirol), Energie AG (Oberösterreich), EVN (Niederösterreich), WIENSTROM und die STEWEAG. "Wenn in Österreich keine vernünftigen politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, werden die Atomstromkonzerne auch bei uns immer mehr das Sagen haben", befürchtet Högelsberger. Durch die Liberalisierung gerieten selbst die Atomkraftwerksbetreiber unter großen Druck, um Kosten zu sparen, wurden etwa die Intervalle wichtiger Sicherheitskontrollen von vier auf nunmehr fünf Jahre verlängert. Außerdem sind die Kosten für die noch zu errichtenden Atommülllager noch nicht in den Strompreis eingerechnet – Atomstrom wird teurer werden, ist die übereinstimmende Meinung der Experten.

Die Null-Prozent-Anbieter
Zwischen undurchsichtigen Stromkennzeichnungen, doppeldeutigen Kundeninformationen seitens diverser Stromfirmen und einem sichtlichen Anstieg des Atomstromimportes am österreichischen Markt versuchen sich die Anbieter von reinem Ökostrom ins Rennen einzubringen. Sowohl die Alpen Adria Energy AG (AAE) in Kötschach-Mauthen als auch die Wiener oekostrom AG orientieren auf Kunden, die nicht nur verbal für ein atomfreies Österreich eintreten, sondern auch keinen Strom von Anbietern beziehen wollen, die Atomstrom importieren und verkaufen.
Denn: die Alpen Adria Energy AG und die oekostrom AG sind die einzigen Stromanbieter auf österreichischem Boden, welche ihre Stromkunden zu 100% mit Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Kleinwasserkraft versorgen – umweltfreundlich und atomstromfrei. Die Kraftwerke und Stromlieferungen werden in regelmäßigen Abständen vom österreichischem Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal Research strengen Kontrollen unterzogen. Die Kontrollkriterien wurden in Kooperation mit den großen Umweltorganisationen ausgearbeitet und schließen jeden Etikettenschwindel aus. Die AAE bietet den Kunden zwei Tarifmodelle an: Den "Naturstrom" für Umweltbewusste und den "Ökostrom" für Förderer von Alternativenergien. Die oekostrom AG bietet ihren Strom zu einem Einheitspreis an und darüber hinaus Kompensationsmöglichkeiten für die Ökostromtarife wie eine Energiesparlampe oder eine Ökostromaktie. So kann der Kunde die Mehrkosten in nur vier Jahren kompensieren. Der Wechsel zu einem Ökostrom-Anbieter ist jederzeit möglich. Es liegt in der Hand des Konsumenten, sich tatsächlich gegen Atomkraftwerke und für eine umweltfreundlichere Alternative zu entscheiden.

Claudia Windisch

 

Die Gretchenfrage an die Parteien: "Wie halten Sie es mit dem Strom?"

Offiziell sind sie alle gegen Atomstrom – aber wie sieht’s aus, wenn’s ans Eingemachte geht? KORSO hat bei den Umweltsprechern der Landtags-Fraktionen nachgefragt: Wie hält es Ihre Partei mit der Stromversorgung Ihrer eigenen Objekte und Büros?
 
 
FPÖ-LAbg. Waltraud Dietrich: Für EU-weites Umdenken – aber keine konkreten Schritte ...
"Es gibt bereits Überlegungen, in den eigenen Bürostrukturen auf Ökostrom-Anbieter umzusteigen, definitiv spruchreif ist noch nichts. Da wir vehement gegen Atomstrom auftreten, wollen wir, dass EU-weit ein Umdenken stattfindet und der Strom generell aus alternativen Energiequellen bezogen wird."
ÖVP-LAbg. Bgm. Ernst Gödl: Reine Wasserkraft von der STEWEAG
"Ich bekam von der STEWEAG die Auskunft, dass der Strom, den wir beziehen, aus reiner Wasserkraft stammt. Ich werde persönlich anregen, dass wir für die Versorgung unserer Bürostrukturen zu einem Ökostrom-Anbieter wechseln."
Grün-LAbg. Peter Hagenauer: Verhandlungen mit Ökostrom-Anbietern sind im Gange
"Wir steigen gerade auf Ökostrom um und befinden uns derzeit in Verhandlungen mit zwei Anbietern. Durch laufende Veranstaltungen versuchen wir das Interesse der Bevölkerung verstärkt für alternative Energien zu gewinnen. Im Rahmen der Atomstrom-Diskussion ist es jedoch unerlässlich auch auf die 380-KV-Leitung hinzuweisen, über die Atomstrom aus dem Osten nach Österreich gelangen soll."
SPÖ-LAbg. Michaela Halper:Politische Positionen müssen persönlich umgesetzt werden
"Es wird innerhalb der steirischen SozialdemokratInnen eine Diskussion über den Strombezug der eigenen Immobilien geben. Ich werde bei der Neugestaltung der Fraktion mein Augenmerk darauf legen, dass die politischen Positionen von allen MandatarInnen und FunktionärInnen auch persönlich umgesetzt werden."


 
FEBRUAR-AUSGABE
ÖKOLAND STEIERMARK