05 / 2000
 
Liberalisierung am Strommarkt
Bilanz und Ausblick


Österreich:
bald EU-Vorreiter in der Stromliberalisierung?

Anlässlich des ersten „Geburtstages“ des österreichischen Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetzes ElWOG veranstalteten die STEWEAG und das Institut für öffentliches Recht der Uni Graz ein Symposion. 250 Juristen und Vertreter der E-Wirtschaft zogen Bilanz und diskutierten den Entwurf der ElWOG-Novelle.

Als „das alte ElWOG“ wurde das im Vorjahr beschlossene und noch gültige Gesetz von einigen Referenten des Symposions „Ein Jahr ElWOG – Rück- und Ausblick auf die Liberalisierung der österreichischen Elektrizitätswirtschaft“ bereits bezeichnet – in Erwartung der seit der Karwoche im Entwurf vorliegenden Novelle. Dass ein Verbesserungsbedarf besteht, betonten Vertreter verschiedener Organisationen. Univ.-Prof. Dr. Dietmar Pauger vom Institut für öffentliches Recht bezeichnete das österreichische Elektrizitätsrecht sogar als „teilweise desaströs“. Darüber, wie verbessert werden soll, herrschte naturgemäß weniger Einigkeit.
Hauptkritikpunkte an den geltenden Regelungen sind die Überregulierung, die Liberalisierung gestaffelt nach Stromverbrauch und die bestehende Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.
Der Wiener Wirtschaftsjurist Univ.-Prof. Dr. Bernhard Raschauer bemängelte in seiner rechtlichen Gesamtbilanz der bisherigen Liberalisierung vor allem das Paradox, dass mit dem ElWOG die Anzahl sowohl der einschlägigen Paragrafen als auch der geregelten Sachverhalte im Elektrizitätswirtschaftsrecht zugenommen habe. „Kann da wirklich noch jemand von Liberalisierung sprechen ohne rot zu werden?“, monierte Raschauer. Mit der Verpflichtung zur Durchleitung „fremden“ Stroms im eigenen Netz und zum vorrangigen Netzzugang für Ökostrom-Anbieter habe sich der staatliche Einfluss in Richtung Wirtschaftslenkung entwickelt. Raschauer fühlt sich da gleich an Kommunismus und Planwirtschaft erinnert. Marktöffnung habe nur stattgefunden, indem der frühere Gebietsschutz für die Versorger gefallen sei und einige Kunden nun mehr Wahlmöglichkeit hätten. Allerdings nur die „zugelassenen Kunden“, also derzeit Abnehmer von mehr als 20 GWh. Umgangen wird die 20-GWh-Regelung von findigen Unternehmen durch das so genannte Pooling, eine Art Bündelung des Verbrauches mehrerer Standorte einer Firma. Sogar im für das ElWOG zuständigen Wirtschaftsministerium denkt man daran, die Versorgung aller Bundesgebäude zu bündeln.

Juristen Pauger und Raschauer (v. l.) lehnen gesonderte Länder-ELWOGS ab, WIKA-Vize Frizberg (3. v.l.) und STEWEAG-Vorstandsdirektor Zankl fordern raschestmögliche Totalliberalisierung

Totalliberalisierung 2001?
Obwohl grundsätzlich einig darüber, dass die Liberalisierung schrittweise erfolgen muss, kritisierten sowohl der Vertreter der Wirtschaftskammer Vizepräsident Dr. Gilbert Frizberg als auch STEWEAG-Vorstandsdirektor Univ.-Doz. Dr. Hubert Zankel die Staffelung nach Stromverbrauch, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Frizberg sprach von Wettbewerbsverzerrung, weil energieintensive Branchen und Großunternehmen als erste zugelassene Kunden aufgrund des Konkurrenzkampfes der Anbieter Dumpingpreise erzielt hätten, vergleichbare Firmen knapp unter der 20-GWh-Grenze aber noch den vollen Strompreis zu zahlen hätten. Die Wirtschaftskammer fordert daher zumindest für alle Sonderkunden (also jene, die mit ihrem Energieversorger direkt einen Tarif vereinbaren) eine Totalliberalisierung ab Jänner 2001. Der Entwurf zur ElWOG-Novelle sieht den 1.10. nächsten Jahres als Termin für die Voll-Liberalisierung vor, allerdings für alle Kunden bis hin zum Haushalt. Wenn dieser Termin hielte, würde Österreich im EU-Vergleich eine Vorreiterrolle bei der Stromliberalisierung einnehmen.
Wettbewerbsverzerrung wittert auch Zankel: „Die heterogene Kundenstruktur führt dazu, dass nach Planungsfahrplan des geltenden ElWOG in drei Jahren 80% der STEWEAG-Kunden freien Zugang zum Strommarkt hätten, bei der Niederösterreichischen Landesgesellschaft EVN beispielsweise aber nicht einmal 25%.“
Die Juristen übten im Rahmen des Symposions Kritik an der bestehenden Kompetenzrechtslage, das heißt daran, dass es neben dem Bundes-ElWOG neun verschiedene Länder-Ausführungsgesetze gibt. Bei länderübergreifenden Transaktionen könnte es zu Kompetenzunklarheiten kommen, ein einheitliches Bundesgesetz sei daher unumgänglich, erklärte Pauger. Weigern sich die Bundesländer jedoch, Kompetenzen abzugeben, könnte das auch die geplante Schaffung eines unabhängigen Regulators nach Vorbild der Telekom-Control verzögern, die ansonsten sowohl von Energieversorgern als auch von Seiten der Wirtschaft begrüßt wird.

Umfassende Änderungspläne
Neben der vorgezogenen Voll-Liberalisierung und der Gründung der Elektrizitäts-Control GmbH enthält der Novellen-Entwurf die (nicht mehr neue) Forderung nach Entflechtung der Geschäftsbereiche (Unbundling), wobei zumindest der auch weiterhin monopolistisch organisierte Netzbetrieb von Stromerzeugung und –handel getrennt werden soll.
Weiters sieht die Novelle die Gründung von Bilanzgruppen vor, bei denen Erzeuger, Händler und Kunden (sowohl Haushalte als auch Betriebe) eine Einheit für die Verrechnung der Ausgleichsenergie (das ist der den Voranschlag übersteigende Strombedarf, der teuren Zukauf erfordert) bilden sollen. „Ziel ist die Minimierung des Ausgleichsenergiebedarfs durch eine heterogene Gruppe, die im Schnitt so gleichmäßig wie möglich Strom liefern bzw. verbrauchen soll“, erklärt Zankel von der STEWEAG. Während er sich für die Verrechnung dieser Ausgleichsenergie durch eine bundesweite Stelle aussprach, plädierte Frizberg von der Wirtschaftskammer vehement für Wettbewerb auch in diesem Bereich.
Auch auf dem Ökostrom-Sektor, dessen vorrangiger Netzzugang und gesonderte Tarife im Rahmen des Symposions heftig angegriffen wurden, soll eine Änderung erfolgen: Die Bundesregierung plant zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie (exklusive Großwasserkraft) ein Zertifikatssystem. Dabei müssen Stromerzeuger und Endverbraucher (die ja auch von ausländischen Erzeugern Strom beziehen könnten) nachweisen, dass ihr Strom zu einem noch zu fixierenden Prozentsatz aus regenerativen Energiequellen stammt. Wer diesen Nachweis nicht erbringen kann, soll zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet werden.
Mit einem raschen Beschluss der ElWOG-Novelle ist jedoch nicht zu rechnen – einerseits halten Rechtswissenschafter wie Dietmar Pauger viele Punkte noch für „unausgegoren“, andererseits inkludiert der Entwurf eine Vielzahl von Verfassungsbestimmungen, die im Parlament mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müssen.
Ursula Jungmeier-Scholz
 


ÖKOLAND STEIERMARK