09 2000
  Alternativenergie in der Steiermark:  The new deal

Mit dem Inkrafttreten des Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetzes (ELWOG) haben sich auch die Chancen für die Alternativenergie erhöht, aus ihrem Aschenputteldasein herauszutreten und am freien Mark für Energieprodukte zu reüssieren.
Der Argumentationsaufwand für das Erreichen dieses Zieles war erheblich, der Widerstand des traditionellen Energieversorgungs-Archipels beträchtlich. Quintessenz der neuen Lösung: Ab sofort können Kunden mit Anbietern von elektrischer Energie aus sogenannten Ökoanlagen Lieferverträge abschließen, die Netzbetreiber müssen dafür ihre Versorgungsinfrastruktur zur Verfügung stellen (siehe entsprechender Beitrag in diesem Heft).
KORSO sprach aus diesem Anlass mit zwei Vertretern der Energiebranche unterschiedlichster Herkunft über globale und regionale Perspektiven und Tendenzen in der Energieversorgung.

Mag. Hans Winkelmeier ist Referent der Energiewerkstatt GmbH in Friedburg. Das im Jahr 1988 gegründete Unternehmen zeichnet  für die Projektabwicklung von 60 % der in Österreich ausgebauten Windenergie verantwortlich. 
 

Hans Winkelmeier, Energiewerkstatt: 
2007 600 MW aus Windenergie? 

In all den Ländern mit vernünftigen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energie sind enorme Zuwachsraten und Margen in der Windenergie zu verzeichnen: Dänemark 10 %, Deutschland 2 %. Auch der Ausbau der Windenergie bewirkt erhebliche positive Auswirkungen auf die jeweilige heimische Industrie, schafft Arbeitsplätze, konsolidiert eine Zulieferindustrie. 

Jahre der Unsicherheit
Das Argument aus den 80er-Jahren in Österreich: „Wir haben zu wenig Wind“ ist seit Beginn der 90er widerlegt: Auch in alpinen Bereichen sind in Österreich an vielen Orten durchaus ertragreiche Plätze für Windenergie anzutreffen, wie Messungen ergaben, die während der letzten Jahre mit Unterstützung des Landesenergievereines Steiermark durchgeführt wurden.  Die Umsetzung scheiterte während all der vergangenen Jahre immer an der Wirtschaftlichkeit, bedingt durch die Rechtslage und höchst unsicheren Einspeistariflösungen (freiwillige Vereinbarungen wie z.B. der doppelte Kleinwasserkrafttarif 1,26 öS während drei Jahren, 30 % Investitionsförderung u.dgl.). Zumindest ab dem Jahr 1996 gab es in Österreich keine halbwegs akzeptable Regelung für gerechten Absatz von Windenergie. Trotzdem konnten jährlich 5 bis 10 MW Windenergie österreichweit dazuinstalliert werden, sodass im Jahr 1999 42 MW installierte Windkraftleistung in Österreich erreicht worden sind. Dies vor allem deswegen, weil einzelne Bundesländer, hier allen voran Oberösterreich, den Windstrom-Anbietern vorübergehend bessere Konditionen boten. Diese Zeit war für die Windstromanbieter natürlich äußerst risikoreich.
Die aktuelle Novelle zum ELWOG sieht vier Prozent Abnahmeverpflichtung an elektrischer Energie aus so genannten neuen erneuerbaren Ressourcen („Ökoenergieanlagen“) vor. Wasserkraft gehört definitionsgemäß nicht zu den neuen erneuerbaren Energiequellen (Solar, Wind, Biomasse) und ist im ELWOG gesondert berücksichtigt. Die Mehrkosten aus den technisch-administrativen Aufwänden für die Einspeisungen dürfen nunmehr – laut ELWOG – von den Netzbetreibern  an die Kunden weiterverrechnet werden. Der getrennten Aufstellung der Posten von (1) elektrischer Arbeit  und (2) Transportkosten (inklusive „Systemnutzungszuschlag“) auf der künftigen Kundenrechnung entspricht die Verpflichtung zur bilanzmäßigen Trennung der Geschäftsbereiche Erzeugung und Verteilung von elektrischer Energie auf Seiten der EVUs. Im Unterschied zu früheren Varianten des ELWOG sind nun ganz klar Etappenziele für die Erreichung der Abnahmemengen für Alternativstrom vorgeschrieben, bei deren Nichteinhaltung Ausgleichszahlungen zu leisten sind, die wiederum fondsverzinst in die Förderung des Ausbaus von Ökoenergieanlagen fließen müssen.
Die steirische Variante des ELWOG zeichnet sich in Bezug auf den Markt für Ökostrom vor allem durch zwei äußerst positive Merkmale aus: Mit einem Tarif von öS 1,17  pro Kilowattstunde für Strom aus Ökoenergieanlagen ist der steirische Wert im Durchschnitt höher als in anderen Bundesländern, außerdem ist die Regelung nicht durch Zusatzbestimmungen „verunreinigt“: Im Burgenland und in Niederösterreich etwa erfolgte aus Angst vor zu viel Windenergie eine starre Beschränkung des Preises für Ökostrom auf ein Prozent der Energiemenge.

Windkraftszenario der kommenden Jahre
In den letzten Jahren wurden in Österreich 10 bis 12 MW Windenergie/Jahr neu errichtet, für heuer erwartet Winkelmeier bereits einen Zuwachs zwischen 35 und 40 MW. Ende 2000 werden sich in Österreich etwa 110 Windkraftanlagen mit einer installierten Leistung von 80 MW drehen. 
Bei 50 Mrd Kilowattstunden jährlichem Bedarf an elektrischer Energie in Österreich würden im ELWOG-konformen Endausbaustadium (4 % Ökostrom) zwei Milliarden kWh aus Ökoanlagen kommen. Wenn die Hälfte davon in  Windkraftanlagen erzeugt wird, entspricht das einer installierten Leistung von 600 MW. Noch im Jahr 2000 sollen, wie erwähnt, 80 MW erreicht werden, 520 MW an Windkraft wären danach also bis zum Jahr 2007 noch zu installieren.
Ein Drittel der Wertschöpfung bei der Errichtung von Windkraftanlagen kommt nach Kenntnis von Winkelmeier bereits aus Österreich. Dazu kommt ein Export-Überhang von in Österreich hergestellten spezifischen Bauteilen in der Größenordnung von etwa 350 Mio Schilling.
Winkelmeier – und mit ihm eine Reihe von Vertretern aus der Branche – sind übrigens der Ansicht, dass das „Bedürfnis“ nach Ökostrom ein öffentliches Anliegen sei, das alle betrifft, die Mehrkosten seien daher im Prinzip auf alle Verbraucher aufzuteilen.

Die Perspektive des Global Player
Dr. Peter A. Pechtl  ist ,Director of European Operations' von GE Enter Software, einem Unternehmen, das seit kurzem dem Technologiekonzern General Electric angehört. GE Enter stellt Computerprogramme für Simulation und Optimierung von  kalorischen Kraftwerken her. Der geborene Steirer bedient von seinem Entwicklungsbüro in Graz aus  Mammutanlagen der Energiegewinnung von Großbritannien bis Thailand mit innovativem Know-how.
Pechtl, Vertreter eines „Global Player“ in der Energiebranche, propagiert vehement die als „grünes Kraftwerk“ bezeichneten weltweiten Energieeinsparpotentiale. Niedrigenergiekonzepte könnten praktisch in allen „Lebensbereichen“ eingeführt werden. Die Begeisterung für Alternativenergie dürfe jedoch nicht in verfahrens- und energietechnisch fragwürdige Lösungen münden.
 

Peter A. Pechtl, Enter Software: 
CO2-neutrale Konzepte nur bei niedrigem  Primärenergieeinsatz sinnvoll 

Reales Wachstum des Energiebedarfes
Der Energiebedarf steigt gegenwärtig in Österreich jährlich um etwa zwei Prozent, was der Erschließung von Einsparungspotentialen entgegenwirkt und reales Energiebedarfs-Wachstum bewirkt. Neu geweckte Bedürfnisse beziehen sich auch auf immer neue, mit elektrischer Energie betriebene Geräte.
Bei der Konzeption von CO2-neutralen Energieanlagen dürfen keinesfalls, so Pechtl, die Gesetze der  Thermodynamik gebrochen werden. 35 Grad Celsius warmes Wasser für die Körperpflege ist daher sinnvollerweise durch erneuerbare Energiequellen herzustellen und nicht in Form wirkungsgradverlustreicher Prozessketten, angefangen bei einer Kesselbrennraumtemperatur von 2400°C und 540°C-Dampf im Großkraftwerk über die Umwandlung zu hochwertiger elektrischer Energie bis hin zum Niedertemperaturbereich beim Endverbraucher.
Umgekehrt betrachtet ist Biomasse eine „zerstreute, verdünnte“ Energieform, bei der es verfehlt wäre, sie in Hochtemperaturbereiche zu transformieren. Die Prozess-Temperaturniveaus müssen mit den Nutzungs-Temperaturniveaus übereinstimmen, ansonsten ist der Primärenergieeinsatz zu hoch, die Energiebilanz bei der Biomasseverwertung würde negativ ausfallen. 
Amüsiert zeigt sich der Verfahrenstechniker über Konzepte wie etwa die Nutzung von Altspeiseölen zur Treibstofferzeugung. Erst wenn alle Fahrzeuge, die den Antransport von den Sammelstellen zur zentralen Raffinerie erledigen, mit dem hergestellten Treibstoff betrieben werden, könne mit dem Verkauf des überschüssigen Sprits ein positiver Effekt auf die CO2-Emission erreicht werden. 
Dieter Kordik

 

 
SEPTEMBER-AUSGABE ÖKOLAND STEIERMARK