06 / 2000
  Römerfunde Alt-Grottenhof:
Aus für Trainingszentren?


Am Anfang stand eine Hirschmann-Idee, „entwickelt“ gemeinsam mit den Fußball-Präsidenten Hannes Kartnig und Peter Svetits: Das Land Steiermark offerierte der Stadt Graz gönnerhaft die Hälfte der Nutzfläche der landwirtschaftlichen Fachschule Alt-Grottenhof für ein Sturm-/GAK-Trainingszentrum. Nach massiven Protesten empörter BürgerInnen, die Grünflächen und Biobauern-Schule erhalten wollen, suchte der zwangsbeglückte Bürgermeister Alfred Stingl einen Kompromiss: Einer der beiden Klubs sollte einen anderen Platz angeboten bekommen, der zweite ca. 7 ha des südlichsten Teils des Grottenhof-Areals erhalten. Genau dort aber liegen bedeutende Siedlungsfunde aus der Römerzeit.

Erst vor wenigen Monaten präsentierte die Stadt Graz stolz einen archäologischen Fundstellenatlas: Dieser soll auch dazu dienen, bei Bauvorhaben den Planern eine Orientierungshilfe zu geben, ob sich durch archäologische Funde Bauverzögerungen bzw. -verbote ergeben könnten. Und aus diesem Atlas geht klar hervor: Zwischen Bründlbach und Martinhofstraße liegen knapp unter der Erdoberfläche die Reste eines Gutshofes aus der Römerzeit.

Rekonstruktion eines römerzeitlichen Siedlungsfundes (hier: Kapfenstein): Ähnlich dürfte der Gutshof unter dem Grottenhofer Areal aussehen.

Gebiet steht unter Denkmalschutz
Doch diese Erkenntnis ist nicht in die Machbarkeitsstudie für die Trainingszentren eingeflossen, die von einem Wiener Landschaftsplaner erstellt wurde. Univ.Doz.Dr. Bernhard Hebert vom Bundesdenkmalamt in Graz erklärt, dass weder die Stadt Graz noch das Land Steiermark mit ihm in diesem Zusammenhang Kontakt aufgenommen hätten – und dies, obwohl auf Grundlage des Fundstellenatlas ein Verwaltungsverfahren eingeleitet wurde, das die Schutzbedürftigkeit des Areals feststellen soll. Da es sich bei diesem Grundstück um öffentlichen Besitz handelt, ist das Gebiet, im Unterschied zu Privatbesitz, nach § 2 des Denkmalschutzgesetzes bis zur Beendigung dieses Feststellungsverfahrens automatisch unter Schutz gestellt.

Univ.-Doz. Dr. Bernhard Hebert, Bundesdenkmalamt: „Verwaltungsverfahren wurde bereits eingeleitet“

Bedeutendes Zentrum Grazer Besiedelungsgeschichte
Was verbirgt sich unter der Ackerkrume? Laut dem Archäologen Dr. Diether Kramer vom Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum liegt das Areal an der mit über 3000 Jahren ältesten Straße im Grazer Siedlungsbereich. Kramer: „Hier, in unmittelbarer Nähe zum bedeutenden römerzeitlichen Zentrum in St. Martin, kommt es immer wieder zu Streufunden – zum Beispiel Keramikteile und Münzen –, die auf eine bäuerliche Siedlung schließen lassen.“ Der Gesamtkomplex dürfte aus einem zentralen Gutshof mit mehreren Nebengebäuden bestehen. Genaueres, so Kramer, könne jedoch erst nach Grabungen gesagt werden, die mehrere tausend Quadratmeter umfassen müssten. „Diese Siedlungsreste haben eine historische Bedeutung als Weltkulturerbe.“ Auch die Leitung der Landwirtschaftlichen Fachschule Alt-Grottenhof ist dieser Ansicht und möchte statt der geplanten Fußballtrainingsanlagen einen archäologischen Lehrpfad errichtet sehen, mit dem die einzelnen archäologischen Fundorte untereinander verbunden werden sollen.

Dr. Diether Kramer, LMJ: „Siedlungsreste sind Teil des Weltkulturerbes“

Verzögerungen und Mehrkosten zu erwarten
Im Gespräch mit KORSO betont der Verfasser der Machbarkeitsstudie für die beiden Trainingszentren, Ing. Dr. Thomas Proksch vom Wiener Planungsbüro „Land in Sicht“, dass ihm sehr wohl bekannt gewesen sei, dass Teile des verplanten Grundstücks unter Denkmalschutz stehen. Seiner Ansicht nach könne dies jedoch kein Hinderungsgrund sein: Man könne etwa an einem Ende zu bauen beginnen, während am anderen Ende Ausgrabungen durchgeführt werden. In der Praxis, so Proksch, habe das Denkmalamt eine recht schwache Position und werde oft übergangen.
Anders die Einschätzung von Hebert: Da bei den Bauarbeiten Grabungen von mehr als einem Meter Tiefe notwendig werden, sei mit der Zerstörung der Bodenfunde zu rechnen, die bereits ab einer Tiefe von etwa 30 Zentimetern zu erwarten sind. Im Gegensatz zu Proksch geht Hebert daher sehr wohl von einer zeitlichen Verzögerung des Baubeginns aus, da zuerst die Ausgrabungen durchgeführt werden müssten. „Im Falle von notwendigen Ausgrabungen an der Bahnlinie zwischen Salzburg und Wien ist es zu einer Bauverzögerung von zwei Jahren gekommen“, nennt Hebert ein aktuelles Beispiel. Dazu kämen auch noch die Ausgrabungskosten, die sich, so Herbert, sicherlich im Millionenbereich bewegen würden.
Allem Anschein nach befürchtet auch die Stadt Graz ähnliche Schwierigkeiten. Seit kurzem sind einige Alternativen zum angeblich idealen Standort Alt-Grottenhof im Gespräch. Dies kann vielleicht als Indiz dafür angesehen werden, dass sich die Stadt hier eine Planungsblamage wie beim Amtsgebäude am Bahnhof ersparen will.
Joachim Hainzl




Führung: Römerfunde in Straßgang

KORSO lädt gemeinsam mit dem Verein Clio zu einer Führung über die archäologischen Funde im Bereich Alt-Grottenhof unter der Leitung von Dr. Diether Kramer vom Steirischen Landesmuseum Joanneum.

Termin: Mittwoch 21. Juni 2000, 16.30 Uhr;
Treffpunkt: Ecke Martinhofstraße / Kehlbergstraße (erreichbar über Linie 33, Haltestelle Grottenhof bzw. Linie 31, Haltestelle Ankerstraße)




Zum Thema Alt-Grottenhof hat uns eine Vielzahl an Leserbriefen und E-Mails erreicht – hier nur zwei davon:

Betrifft: Kicken statt Ackern
Zur Future-Generation von Landesrat Hirschmann: Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen für unsinnige Projekte von unfähigen Politikern gab es schon vor 20 bis 25 Jahren in allen Ostblockländern. Allerdings hätte sich kein Politiker getraut, eine Schule, dazu so eine Schule wie Alt Grottenhof, mit seinen Projekten zu gefährden. Denn in allen Ostblockstaaten war die Bildung immer hoch geachtet. Für mich ist der populistische Selbstdarsteller auf Staatskosten Hirschmann, mit seinen 25 Jahre nach den Ostblockländern nachhinkenden Ideen, ein Vertreter der No-Future-Generation.
Teresa Dittrich, 8052 Graz


Ich ersuche um eine Richtigstellung: Die Kompromisslösung, also in Alt-Grottenhof „nur“ 7 ha Grünland dem Fußball zu opfern halte ich nicht für akzeptabel, wiewohl ich diese Lösung erwartet habe. Die Grazer Grünen werden weiterhin gemeinsam mit der Bürgerinitiative „Rettet das Grünareal Alt-Grottenhof“ für den Erhalt der gesamten landwirtschaftlichen Fläche kämpfen!
GR Hermann Candussi
 


JUNI AUSGABE ÖKOLAND STEIERMARK