12 / 2000
  Gentechnik: Nicht nur gefährlich – auch unwirtschaftlich

Seit Monaten wird in der europäischen Union um den letzten Schliff einer Freisetzungrichtlinie für genetisch veränderte Organismen (GVO) gerungen. Nachdem das europäische Parlament  den ursprünglichen Entwurf der Kommission beeinsprucht hat, liegt die Materie nun im so genannten Vermittlungsausschuss.

Die Mehrheit des Parlaments verlangt eine restriktivere Linie  als die Kommission. Die Gentech-Expertin der grünen EP-Fraktion, Hiltrud Breyer, beschreibt allerdings auch den Konsens ihrer Kollegen eben so knapp wie unmissverständlich mit: „Europaparlament beugt sich Lobbydruck“. Dabei bekommen die Gentech-Gegner jetzt unerwartete Schützenhilfe von Seiten der Union: Eine EU-Studie weist nach, dass die einzigen Profiteure der Gentechnik die Gentech-Konzerne selbst sind. Für die Landwirtschaft gebe es keine ökonomischen Vorteile.

Alptraum I: Insektensterben durch BT-Gen
Breyer fordert insbesondere ein generelles Verbot der Freisetzung von Organismen, die Antibiotikaresistenz-Gene enthalten. Diese sind freilich als „Markergene“ aus Gründen der leichteren Identifizierbarkeit in alle für die Freisetzung bestimmten Pflanzen mit eingebaut. Diese könnten über Umwege in das Genom der Wildpflanzen, Tiere und schließlich der Menschen Eingang finden und so die Anwendung von Antibiotika in der Humanmedizin obsolet machen.  Ähnliches gilt für das vorwiegend in Mais und Rapspflanzen eingebaute BT-Gen, das aus dem Bakterium „bacillum thuringensis“ stammt und ein für Insekten tödliches Gift ausscheidet. Kreuzt dieses Gen  unkontrolliert in die umgebende Fauna aus, könnte dies zu einem Insektensterben nicht absehbaren Ausmaßes führen.

Alptraum II: Herbizid-resistente Bakterien
Wurden solche Szenarien vor einigen Jahren noch als Hirngeburten paranoider Gentechnikgegener hingestellt, so mehren sich nun die empirischen Belege. Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) lösen bisher nur geahnte genetische Kettenreaktionen in der Umwelt aus.
Das  Institute für Bienenkunde der Universität Jena berichtet von einem Versuch. Dabei wurden Darmbakterien aus Bienen isoliert, die gegen Glufosinat resistent waren, das ist der Inhaltsstoff des Totalherbizids BASTA von Hoechst. Erklären können sich die Bienenforscher dies nur so, dass die Bakterien dieses Gen von den Pollen aus einem nahe gelegenen Versuchsfeld aufgenommen haben. Auch in kanadischem Rapshonig wurden herbizid-resistente Gene gefunden. Die Anbauflächen für GVO-Raps betragen in Kanada mittlerweile 3,2 Mio Hektar.
Immerhin bringt die neue EU-Richtlinie die Möglichkeit für die Behörden, Freisetzungen zeitlich zu begrenzen und bis zu zehn Jahre Monitoring zu verordnen. 

Ausweg gentechnikfreie Zonen?
Greenpeace sieht allerdings bereits eine „Gentech-Lawine“ auf Österreich zurollen. Mit der Einigung über die Freisetzungsrichtlinie soll nämlich der seit 1999 unionsweite Zulassungsstopp  für gentechnisch verändertes Saatgut aufgehoben werden. Einige Mais, Raps und Kartoffelsorten haben in mehreren EU-Ländern bereits das Saatgutzulassungsverfahren absolviert. Werden diese in die EU-weite Sortenliste aufgenommen, dürfen sie auch in Österreich in Verkehr gebracht werden. Verhindern könne man dies kaum, so verlautet das Landwirtschaftministerium. Allerdings bedeute die Genehmigung zum „In-Verkehr-Bringen von Saatgut“ nicht automatisch die Erlaubnis, es auch anzubauen. Es läge allerdings in der Kompetenz der Bundesländer „gentechnikfreie Zonen“ auszuweisen und dort entsprechende Anbauverbote zu verhängen. Der politische Wille dazu wurde bereits eindrucksvoll dokumentiert. Im April 1997 hat der steirische Landtag unter dem Eindruck des Gentechnikvolksbegehrens die Landesregierung aufgefordert, „… alle Maßnahmen zu treffen, damit sichergestellt ist, dass die Steiermark künftig den Status einer gentechnikfreien Zone erlangt.“ Konkrete Maßnahmen hat diese Absichtserklärung bisher nicht ausgelöst. Allerdings findet sich im Regierungsprogramm der LH Klasnic die Ankündigung ein  „… Gentechnikverbot nach Vorarlberger Muster soll so rasch wie möglich beschlossen werden.“ 
 

Die schöne neue Gen-Welt erweist sich immer mehr als ökonomischer Flop für die Landwirtschaft. Einzige Profiteure sind die Gentech-Konzerne

Mehr Abhängigkeit, aber …
Freilich gibt es noch immer Stimmen, die jenseits aller ökologischen Bedenken wirtschaftliche Vorteile von der breiten Anwendung der Gentechnik erwarten. Für sie kommt die kalte Dusche von unerwarteter Seite. Die Generaldirektion für Landwirtschaft bei der Europäischen Kommission hat in einer Studie die bisherigen wirtschaftlichen Erfahrungen mit dem Einsatz genveränderter Pflanzen ausgewertet. 
Darin wird insbesondere nachgewiesen, dass die großen Biotech-Konzerne mit der Einführung der Technologie eine „angebotsorientierte Strategie“ verfolgen, um neue Absatzmärkte für Pestizide, zu schaffen. Auf 69% der weltweit mit gentechnisch veränderten Pflanzen bewirtschafteten Flächen finden sich Pflanzen mit Herbizidtoleranz, auf 21% solche mit Insektizidresistenz. Eine verstärkte wirtschaftliche Abhängigkeit der Bauern von einigen wenigen Saatgutanbietern sei die Folge.

… kaum wirtschaftliche Vorteile
Wirtschaftliche Vorteile für die Bauern können die VerfasserInnen der Studie nur schwer entdecken. Die Saatgutkosten seien in den meisten Fällen höher, die Erträge teilweise sogar niedriger und seit 1999 seien auf den amerikanischen und europäischen Märkten sogar deutlich niedrigere Preise für GVO-Ernten gegenüber konventionellen Produkten zu verzeichnen gewesen. Die Kostenersparnis beim Pflanzenschutz, die von den Herstellern versprochen wird, könne diese Nachteile in der Mehrzahl der untersuchten Fälle nicht wettmachen. 
Ausführlich beschäftigt sich die Studie auch mit der Akzeptanz der KonsumentInnen. Um 1995 hielt die Mehrheit der Marktbeobachter die GVO-kritische Haltung der europäischen Bevölkerung für ein vorübergehendes Phänomen und man erwartete allgemein eine Annäherung an die mehrheitlich indifferente Einstellung der nordamerikanischen Bevölkerung. Mittlerweile hat sich das Nachfrageprofil in Europa verfestigt. Das Gros der europäischen Supermarktketten und der Markenartikelhersteller hat darauf reagiert und preist zumindest Teile des Sortiments als „gentechnikfrei“ an. Zum Beispiel haben sich Sainsbury, Migros, Carrefour, Marks & Spencer und andere Branchengrößen zusammengeschlossen um zu gewährleisten, dass die Eigenmarken gentechnikfrei bleiben. Dies bewirkt auch zusehends eine Differenzierung auf den Rohstoffmärkten. Der US-amerikanische Getreidehandel stellt sich bereits auf die getrennte Vermarktung von GVO-Mais und gentechnikfreien Produkten um, insbesondere, da auch die öffentliche Meinung in den USA zunehmend skeptischer gegenüber der Gentechnik in Lebensmitteln wird. 
Allerdings kommen auch in Europa gentechnisch veränderte Raps- und Sojaschrote als Viehfutter zum Einsatz. Trotzdem sieht die Studie Hinweise, dass die geballte „Consumers Power“ den GVO-Pflanzen langfristig wirtschaftlich wenig Spielraum lassen könnte. 
 

Richard Hubmann 

DG IV Landwirtschaft, Economic Impacts of genetically modified Crops on the agri-food sector: http://www.europa.eu.int/comm/dg06/publi/gmo/full_en.pdf

   

 
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