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Gentechnik: Nicht
nur gefährlich – auch unwirtschaftlich
Seit Monaten wird in der europäischen Union um den letzten Schliff
einer Freisetzungrichtlinie für genetisch veränderte Organismen
(GVO) gerungen. Nachdem das europäische Parlament den ursprünglichen
Entwurf der Kommission beeinsprucht hat, liegt die Materie nun im so genannten
Vermittlungsausschuss.
Die Mehrheit des Parlaments verlangt eine restriktivere Linie
als die Kommission. Die Gentech-Expertin der grünen EP-Fraktion, Hiltrud
Breyer, beschreibt allerdings auch den Konsens ihrer Kollegen eben so knapp
wie unmissverständlich mit: „Europaparlament beugt sich Lobbydruck“.
Dabei bekommen die Gentech-Gegner jetzt unerwartete Schützenhilfe
von Seiten der Union: Eine EU-Studie weist nach, dass die einzigen Profiteure
der Gentechnik die Gentech-Konzerne selbst sind. Für die Landwirtschaft
gebe es keine ökonomischen Vorteile.
Alptraum I: Insektensterben durch BT-Gen
Breyer fordert insbesondere ein generelles Verbot der Freisetzung von
Organismen, die Antibiotikaresistenz-Gene enthalten. Diese sind freilich
als „Markergene“ aus Gründen der leichteren Identifizierbarkeit in
alle für die Freisetzung bestimmten Pflanzen mit eingebaut. Diese
könnten über Umwege in das Genom der Wildpflanzen, Tiere und
schließlich der Menschen Eingang finden und so die Anwendung von
Antibiotika in der Humanmedizin obsolet machen. Ähnliches gilt
für das vorwiegend in Mais und Rapspflanzen eingebaute BT-Gen, das
aus dem Bakterium „bacillum thuringensis“ stammt und ein für Insekten
tödliches Gift ausscheidet. Kreuzt dieses Gen unkontrolliert
in die umgebende Fauna aus, könnte dies zu einem Insektensterben nicht
absehbaren Ausmaßes führen.
Alptraum II: Herbizid-resistente Bakterien
Wurden solche Szenarien vor einigen Jahren noch als Hirngeburten paranoider
Gentechnikgegener hingestellt, so mehren sich nun die empirischen Belege.
Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) lösen
bisher nur geahnte genetische Kettenreaktionen in der Umwelt aus.
Das Institute für Bienenkunde der Universität Jena
berichtet von einem Versuch. Dabei wurden Darmbakterien aus Bienen isoliert,
die gegen Glufosinat resistent waren, das ist der Inhaltsstoff des Totalherbizids
BASTA von Hoechst. Erklären können sich die Bienenforscher dies
nur so, dass die Bakterien dieses Gen von den Pollen aus einem nahe gelegenen
Versuchsfeld aufgenommen haben. Auch in kanadischem Rapshonig wurden herbizid-resistente
Gene gefunden. Die Anbauflächen für GVO-Raps betragen in Kanada
mittlerweile 3,2 Mio Hektar.
Immerhin bringt die neue EU-Richtlinie die Möglichkeit für
die Behörden, Freisetzungen zeitlich zu begrenzen und bis zu zehn
Jahre Monitoring zu verordnen.
Ausweg gentechnikfreie Zonen?
Greenpeace sieht allerdings bereits eine „Gentech-Lawine“ auf Österreich
zurollen. Mit der Einigung über die Freisetzungsrichtlinie soll nämlich
der seit 1999 unionsweite Zulassungsstopp für gentechnisch verändertes
Saatgut aufgehoben werden. Einige Mais, Raps und Kartoffelsorten haben
in mehreren EU-Ländern bereits das Saatgutzulassungsverfahren absolviert.
Werden diese in die EU-weite Sortenliste aufgenommen, dürfen sie auch
in Österreich in Verkehr gebracht werden. Verhindern könne man
dies kaum, so verlautet das Landwirtschaftministerium. Allerdings bedeute
die Genehmigung zum „In-Verkehr-Bringen von Saatgut“ nicht automatisch
die Erlaubnis, es auch anzubauen. Es läge allerdings in der Kompetenz
der Bundesländer „gentechnikfreie Zonen“ auszuweisen und dort entsprechende
Anbauverbote zu verhängen. Der politische Wille dazu wurde bereits
eindrucksvoll dokumentiert. Im April 1997 hat der steirische Landtag unter
dem Eindruck des Gentechnikvolksbegehrens die Landesregierung aufgefordert,
„… alle Maßnahmen zu treffen, damit sichergestellt ist, dass die
Steiermark künftig den Status einer gentechnikfreien Zone erlangt.“
Konkrete Maßnahmen hat diese Absichtserklärung bisher nicht
ausgelöst. Allerdings findet sich im Regierungsprogramm der LH Klasnic
die Ankündigung ein „… Gentechnikverbot nach Vorarlberger Muster
soll so rasch wie möglich beschlossen werden.“
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Die schöne neue Gen-Welt erweist sich immer mehr
als ökonomischer Flop für die Landwirtschaft. Einzige Profiteure
sind die Gentech-Konzerne |
Mehr Abhängigkeit, aber …
Freilich gibt es noch immer Stimmen, die jenseits aller ökologischen
Bedenken wirtschaftliche Vorteile von der breiten Anwendung der Gentechnik
erwarten. Für sie kommt die kalte Dusche von unerwarteter Seite. Die
Generaldirektion für Landwirtschaft bei der Europäischen Kommission
hat in einer Studie die bisherigen wirtschaftlichen Erfahrungen mit dem
Einsatz genveränderter Pflanzen ausgewertet.
Darin wird insbesondere nachgewiesen, dass die großen Biotech-Konzerne
mit der Einführung der Technologie eine „angebotsorientierte Strategie“
verfolgen, um neue Absatzmärkte für Pestizide, zu schaffen. Auf
69% der weltweit mit gentechnisch veränderten Pflanzen bewirtschafteten
Flächen finden sich Pflanzen mit Herbizidtoleranz, auf 21% solche
mit Insektizidresistenz. Eine verstärkte wirtschaftliche Abhängigkeit
der Bauern von einigen wenigen Saatgutanbietern sei die Folge.
… kaum wirtschaftliche Vorteile
Wirtschaftliche Vorteile für die Bauern können die VerfasserInnen
der Studie nur schwer entdecken. Die Saatgutkosten seien in den meisten
Fällen höher, die Erträge teilweise sogar niedriger und
seit 1999 seien auf den amerikanischen und europäischen Märkten
sogar deutlich niedrigere Preise für GVO-Ernten gegenüber konventionellen
Produkten zu verzeichnen gewesen. Die Kostenersparnis beim Pflanzenschutz,
die von den Herstellern versprochen wird, könne diese Nachteile in
der Mehrzahl der untersuchten Fälle nicht wettmachen.
Ausführlich beschäftigt sich die Studie auch mit der Akzeptanz
der KonsumentInnen. Um 1995 hielt die Mehrheit der Marktbeobachter die
GVO-kritische Haltung der europäischen Bevölkerung für ein
vorübergehendes Phänomen und man erwartete allgemein eine Annäherung
an die mehrheitlich indifferente Einstellung der nordamerikanischen Bevölkerung.
Mittlerweile hat sich das Nachfrageprofil in Europa verfestigt. Das Gros
der europäischen Supermarktketten und der Markenartikelhersteller
hat darauf reagiert und preist zumindest Teile des Sortiments als „gentechnikfrei“
an. Zum Beispiel haben sich Sainsbury, Migros, Carrefour, Marks & Spencer
und andere Branchengrößen zusammengeschlossen um zu gewährleisten,
dass die Eigenmarken gentechnikfrei bleiben. Dies bewirkt auch zusehends
eine Differenzierung auf den Rohstoffmärkten. Der US-amerikanische
Getreidehandel stellt sich bereits auf die getrennte Vermarktung von GVO-Mais
und gentechnikfreien Produkten um, insbesondere, da auch die öffentliche
Meinung in den USA zunehmend skeptischer gegenüber der Gentechnik
in Lebensmitteln wird.
Allerdings kommen auch in Europa gentechnisch veränderte Raps-
und Sojaschrote als Viehfutter zum Einsatz. Trotzdem sieht die Studie Hinweise,
dass die geballte „Consumers Power“ den GVO-Pflanzen langfristig wirtschaftlich
wenig Spielraum lassen könnte.
Richard Hubmann
DG IV Landwirtschaft, Economic Impacts of genetically modified Crops
on the agri-food sector: http://www.europa.eu.int/comm/dg06/publi/gmo/full_en.pdf
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