06 / 2000
  Gentechnik am Acker:
Keiner will sie – kommt sie doch?


Vor drei Jahren haben Zigtausende SteirerInnen das österreichische Gentechnikvolksbegehren unterzeichnet. 1999 sprachen sich 177 steirische Bürgermeister in einer Petition gegen die Freisetzung von Gentech-Pflanzen in ihren Gemeinden aus. Dennoch könnten die von Österreich beschlossenen Importverbote für genmanipuliertes Saatgut durch die Europäische Union wieder aufgehoben werden. Damit wäre der Freisetzung von Gentech-Pflanzen Tür und Tor geöffnet. Und dies, obwohl der wirtschaftliche Nutzen, den der Einsatz von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion der heimischen Landwirtschaft haben könnte, von vielen stark angezweifelt wird.

Eine heuer in der Schweiz vom WWF in Auftrag gegebene Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Einsatzes von Gentechnik in der Landwirtschaft kommt zum Schluss, dass es zur Herausbildung von drei verschiedenen Typen von Landwirtschaft kommen würde. Neben jenem Typus, welcher voll auf die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) setzt, gäbe es jene Landwirte, welche auf Gentechnik verzichten sowie die biologische Landwirtschaft mit ihren bekannt strengen Maßstäben.

Erhöhte Kosten für alle Bereiche
Die Studie überrascht mit der Feststellung, dass sich aus dem Einsatz von Gentechnik keinerlei wirtschaftlicher Vorteil in der Landwirtschaft ergeben würde. Im Gegenteil: der Gentech-Bereich wäre ebenso wie die gentechnikfreie Produktion mit Mehrkosten konfrontiert. Gentech-Bauern müssten z.B. um ihre Felder einen unter Umständen mehrere hundert Meter breiten Sicherheitsstreifen legen, um eine eventuelle Auskreuzung zu verhindern (durch Pollenflug könnten sich gentechnisch veränderte Pflanzen mit auf benachbarten Feldern gentech-frei wachsenden kreuzen). Zudem entstünden durch die notwendige Kontrolle und Kennzeichnungspflicht von Produkten aus gentechnisch manipuliertem Anbau ebenfalls höhere Kosten.
Aber auch jene Produktionsbereiche, welche auf den Einsatz von GVO verzichten, hätten laut Studie mit Mehrkosten zu rechnen. Denn zur Gewährleistung, dass die Herstellung und Verarbeitung ohne den Einsatz von Gentechnik erfolgt, müsste eine rigorose Trennnung von Gentech-Produkten garantiert werden. Das wiederum kostet Geld und schließt etwa „saubere” Beförderungsanlagen, Behälter und eine streng getrennte Lebensmittelverarbeitung mit ein.

Bio-Mais: 1000 Meter Sicherheitsabstand zum nächsten „Genmais“-Feld?

1000 Meter Abstand zu Gentech-Mais
Da die Steiermark, ähnlich der Schweiz, ebenfalls eine kleinräumige Landwirtschaftsstruktur aufweist, bat KORSO einige steirische Saatgutproduzenten um ihre Einschätzung: Sind Gentech-Pflanzen rentabel?
Für Anton Kern von Saatzucht Gleisdorf besteht für die nahe Zukunft in der Steiermark kein Bedarf, Gentechnik einzusetzen, da sich etwa der Ernteausfall durch Schädlinge in Grenzen hält: „In der Steiermark gibt es viel weniger Monokulturen als in anderen Ländern.” So sei etwa der Maiszünsler – ein Schadschmetterling –, gegen den bereits resistente gentechnisch veränderte Maissorten entwickelt worden sind, von den steirischen Bauern auch mit herkömmlichen Mitteln gut zu bekämpfen. Zudem, so Kern, zahle sich Gentechnik auch ökonomisch nicht aus, da „der Einsatz von gentechnisch manipuliertem Saatgut mit erhöhten Kosten von etwa 300 bis 600 Schilling pro Hektar verbunden ist.” Überdies müsste seiner Ansicht nach um Gentech-Maisäcker ein Sicherheitsabstand von mindestens 1000 Metern eingehalten werden, um das Auskreuzen durch Pollenflug zu verhindern.
Für Johann Posch von Saatmaisbau Lannach stellt sich die Situation ähnlich dar. Er verweist ebenfalls darauf, dass der Einsatz von Gentechnik bei Pflanzen derzeit zu keiner Ertragssteigerung, sondern lediglich – etwa durch eine effizientere Schädlingsbekämpfung – zu einer Ertragssicherung durch verminderten Ernteausfall beitrage.

Johann Posch, Saatmaisbau Lannach: Gentechnik bringt keine Ertragssteigerung – „Man kommt auch ohne sie zum Ziel“

„Man kommt auch ohne Gentechnik zum Ziel“
Laut Posch gehe zudem in Österreich die Nachfrage der KonsumentInnen klar in Richtung gentechnikfreie Produkte: „Solche Lebensmittel kommen besser an”. Damit liegen die ÖsterreicherInnen im allgemeinen Trend. Denn nach einer heuer unter 15.000 EU-BürgerInnen durchgeführten Umfrage sind zwei Drittel davon nicht bereit, gentechnisch verändertes Obst zu kaufen, selbst wenn es besser schmecken würde. Um dem Rechnung zu tragen, wird auch von vielen Lebensmittelproduzenten ein klares Bekenntnis gegen Gentechnik gefordert, mit dem auch strenge Auflagen verbunden sind. So etwa hat ein Zulieferer des Billakonzerns laut Posch eine Kaution von fünf Millionen Schilling zur Garantie der Gentechnikfreiheit seiner Produkte bereitzustellen.
Das Wissen um diese überwiegend negative Einstellung der KonsumentInnen gegenüber dem Einsatz von Gentechnik im Zusammenhang mit Lebensmitteln beeinflusst auch die heimische Forschung. So wurde etwa bei der Bekämpfung des Gelbmosaikvirus – einer Geißel des steirischen Kürbis – gentechnische Methoden von Beginn weg abgelehnt. Posch: „Man kommt auch so zum Ziel.”
Helmut Melkowitsch von Austrosaat Österreich, der wie alle anderen befragten Mitarbeiter von in der Steiermark tätigen Saatgutunternehmen angibt, derzeit kein gentechnisch verändertes Saatgut einzusetzen, bezweifelt grundsätzlich, dass eine für den Konsumenten transparente Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel möglich ist.
Gentechnik wird in der Landwirtschaft aber nicht nur bei der Produktion von Lebensmitteln eingesetzt: So wurden in Österreich bereits gentechnisch veränderte Industriestärkekartoffeln freigesetzt, die für den optimierten Einsatz in der Kleisterindustrie geeignet sind. Dr. Heribert Wilhelm, Leiter der Abteilung für Pflanzenbau in der Steiermärkischen Kammer für Land- und Forstwirtschaft: „Sollte die Gentechnologie in diesen Bereichen Vorteile bringen, so müsste man überlegen, ob sich durch ein Verbot nicht gar ein Wettbewerbsnachteil für die steirischen Bauern ergeben würde.”

Christof Wirnsperger, „Ernte für das Leben“: Keine Freisetzungen in Gemeinden, wo Biobauern wirtschaften

Importverbote gelten nur vorläufig
Trotz der klar ablehnenden Haltung der ÖsterreicherInnen und SteirerInnen ist aber die Gefahr von Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen keineswegs gebannt. Wie DI Eva Marthe vom Österreichischen Ernteverband in Linz betont, sind über alle von Österreich bisher erlassenen Importverbote, wie das jüngste gegen die herbizidresistente Maissorte T25, in der EU-Kommission noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen worden. „Wir müssen daher Jahr für Jahr bangen, ob die Importverbote halten oder ob Freisetzungen gemäß der EU-Freisetzungsrichtlinie genehmigt werden müssen.” Um sich dagegen wenigstens teilweise zu wappnen, wurde in das Vorarlberger und das oberösterreichische Naturschutzgesetz bereits ein Verbot des „Aussetzens oder Aussäens gentechnisch veränderter Organismen in der Natur” aufgenommen. In der Steiermark hat die Initiative „Natur statt Gentechnik” dem Landtag Ende Mai ebenfalls eine Petition überreicht, wonach ein „Gentechnik-Paragraf” ins steirische Naturschutzgesetz aufgenommen werden soll. Die Plattform fordert ein völliges Verbot von Freisetzungen in Landschafts- und Naturschutzgebieten. Außerdem, so Mag. Christof Wirnsperger vom steirischen Landesverband „Ernte für das Leben” sollte das Gentech-Verbot ebenfalls in all jenen Gemeinden gelten, in welchen sich mindestens ein anerkannter Biobauer befindet, um die Qualität der Bio-Produkte zu schützen.
Joachim Hainzl


Unter k-punkt finden Sie u.a. den vollständigen Wortlaut der Schweizer WWF-Studie sowie eine Vielzahl von Informationen und weiterführenden Links zum Thema Gentechnik.



Steirische Landtagsparteien: Für gentechnikfreie Zonen

KORSO fragte die Umweltsprecher der Landtagsparteien: Wie stehen Sie zu den Forderungen der Petition der steirischen Initiative „Natur statt Gentechnik”?
Für Dr. Eva Karisch (ÖVP) ist der Schutz von größeren Gebieten vorstellbar. „Bei Lebensmitteln ist der Einsatz von Gentechnik sehr heikel, daher sollte man in diesem Bereich nichts einsetzen, was nicht erprobt ist.” Sie geht davon aus, dass dies in Bezug auf gentechnisch manipulierte Pflanzen vielleicht erst in 20 oder 30 Jahren möglich sein wird. Da durch Pollenflug von Gentech-Pflanzen über weite Distanzen Anbauflächen von Biobauern betroffen sein könnten, seien auch diese zu schützen.
DI Günther Getzinger (SPÖ) tritt sogar für ein völliges Verbot von Freisetzungen ein. Er spricht sich daher für die Verankerung eines eigenen „Gentechnik-Paragraphen” in der Gesetzgebung aus. „Die Novelle des Naturschutzgesetzes ist bereits seit längerer Zeit überfällig, jedoch wird der zuständige Ausschuss nicht einberufen.” Er sieht daher auch wenig Chancen, dass es noch vor der Landtagswahl im Herbst zu einer Gesetzesnovelle kommen könnte.
Ing. Herbert Peinhaupt (FPÖ) sieht die medizinische Forschung als einzigen sinnvollen Anwendungsbereich der Gentechnik. „Im Sinn einer ganzheitlichen Lösung trete ich für eine Novellierung des Naturschutzgesetzes ein, mit der Zielsetzung jegliche gentechnische Manipulation zu verhindern.”
Mag. Edith Zitz (Grüne) unterstützt die Forderungen der Plattform „Natur statt Gentechnik” ebenfalls. „Ich hoffe, dass die Initiative zu einem Umdenken in der Landesregierung beitragen kann. Die steirischen Grünen versuchen schon seit 1996 das Naturschutzgesetz in diesem Sinne zu novellieren. Bisher war der Widerstand der ÖVP jedoch zu groß.”
Univ. Prof. Dr. Christian Brünner (LIF) plädiert in der Frage der Freisetzungen für größte Zurückhaltung und begrüßt es daher, wenn bestimmte Gebiete in der Steiermark gentechnikfrei bleiben. „Andererseits bin ich aber gegen ein Moratorium und gänzliches Verbot von Freisetzungen. Es muss eine wissenschaftliche Risikoforschung ermöglicht werden.”
 


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