02 / 2001
  Vorreiter im Netzwerk-Denken
Steirische Ferngas wird erster „Gesamtenergiedienstleister“

Schon in den 80er Jahren begannen verantwortungsbewusste EVU als Zusatzdienstleistung eine auf ihr ureigenstes Produkt bezogene Sparberatung für ihre Kunden anzubieten. Die Beratung hatte sich am jeweils aktuellen Stand der Anwendungstechnik zu orientieren, erforderte also spezifische und intensive Recherchen im Bereich Technologieentwicklung bei der verbraucherseitigen Energieumsetzung. Die dadurch angeregten Netzwerkbildungen zeitigten positive Effekte für alle Marktpartner: Ausschöpfung der Sparpotentiale auf Verbraucherseite, Image- und Vertrauensgewinn auf Seiten der Energieversorger und Innovationsanreize für die Endgerätebranche.

KORSO sprach mit dem Sprecher des Vorstandes der Steirischen Ferngas, DI Peter Köberl, und Gerhard Turneretscher, Mitarbeiter im Bereich Contracting des steirischen Gasversorgers, über die Wandlung der Ferngas zum globalen Energiemanagementdienstleister.
 
 

DI Peter Köberl, Sprecher des Vorstandes der STEIRISCHEN FERNGAS

Korso: Die einzig wirksame Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung ist Flexibilität. Dieser Dynamik ist der Bereich Energie in besonders hohem Maße ausgesetzt. Wie hat die Steirische Ferngas auf diese Erfordernisse reagiert und was sind ihre heutigen Dienstleistungen und Produkte?
Köberl: Die Steirische Ferngas wurde 1956 gegründet, die Dienstleistung war bis Mitte der 80er Jahre die Lieferung von Erdgas an Industrie, Gewerbe und Privatkunden. Ab 1985 hat sich die Ferngas zum umfassenden Energiedienstleister gewandelt. Es wurde Kundenberatung im Hinblick auf Energieeffizienzsteigerung und Umweltentlastung angeboten. Ab 1987 haben wir die so genannte Brennwerttechnik forciert, ein Verfahren, in dem die Abgase unter den Taupunkt abgekühlt werden und die dadurch gewonnene Kondensationswärme den Gesamtwirkungsgrad der Anlage erheblich verbessert.
Der Ausbau der Beratung erfolgte stufenweise und branchenspezifisch: Privatkunden, Gewerbe, Industrie, wobei zu bemerken ist, dass heute 89 % unserer Liefermenge industriell abgerechnet werden. 
1990 wurde von BP das Flüssiggastankgeschäft in der Steiermark zugekauft. 
Der nächste Schritt in Richtung globaler Dienstleister war 1992 der Start im Bereich der  „Nahwärme“, heute „Contracting“, in Zukunft „Facility- Management“. Das bedeutet Komplettdienstleistung für das Gebäude, für die Anlage - egal, ob in Industrie, Gewerbe oder für kommunale Einrichtungen.
Parallel dazu wurde aus dem Wissen um die Gasrohrnetz-Überwachung der Bereich Umweltdiagnostik entwickelt. Beispielsweise können heute fünf Ferngas-Gasspürtrupps im In- und Ausland als Dienstleister für Dritte eingesetzt werden. Das Know how rund ums Aufspüren von Leckagen  konnte auf sämtliche Rohrleitungssysteme ausgeweitet werden und wird seither 
ebenfalls als unsere Dienstleistung angeboten und verkauft. Es folgten die Domänen Boden- und Boden-luft-Analyse zur Wertbestimmung von Grundstücken sowie die Bereiche Deponiegastechnik und Tankstellensanierung.

Korso: Die Idee, dass Energieverkäufer auch Sparberater sein müssen, hat sich durchgesetzt. Wie war das anfänglich zu argumentieren?
Köberl: Die Ferngas hat mit der Forcierung bzw. mit einem Abschlag vom Mengenpreis bei Nachweis der Anwendung der Brennwerttechnik (Kesseltausch) positiven Druck auf die Hersteller und Kunden gleichermaßen ausgeübt und schließlich erreicht, dass dieses Verfahren heute anerkannte Technik ist. Als „Ersatz“ für das Minus an verkaufter Energiemenge stieg und steigt die Kundenzufriedenheit, was dazu führt, dass wir entlang bestehender Leitungen besser „verdichten“, d.h. mehr Kunden für einen Gasbezug gewinnen können.

Korso: Einsparungsfinanzierte Anlagenoptimierung wird derzeit als das Zukunftsprodukt angeboten ...
Köberl: Der Bereich Contracting wird – neben den bereits beschriebenen, neuen Geschäftsfeldern Flüssiggas und Umweltdiagnostik – auch bei uns in Zukunft eine zentrale Rolle spielen: In dem Ausmaß, in dem die Margen beim Energieverkauf im Zuge der Liberalisierung am Energiemarkt zurückgehen, wird der neue Bereich als unsere zukünftige Cash Cow fungieren. 
Das Geschäftsfeld Nahwärme beginnt bei der Beratung, Planung, führt über Finanzierung zur Errichtung, Betrieb, Wartung und Instandsetzung von Heizungsanlagen. Die globale Sicht aus der Energieperspektive beginnt bei der Errichtung bzw. (Grund-)Sanierung eines Gebäudes und führt zur energietechnischen Gesamtbetreuung des Kunden.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Anlagen-, Einspar- und Performancecontracting.
Beim Anlagencontracting errichtet und finanziert der Contracter die Anlage, der Kunde bezahlt die Wärme. Beim Einsparcontracting wird mit der Energie-Ersparnis die Rückzahlung finanziert. Und beim Performancecontracting wird die gesamte Gebäudehülle in den Vertrag einbezogen. Hier liegt derzeit das Problem bei der relativ langen Amortisationszeit: Erneuere ich eine Heizungsanlage im Contracting, rechne ich mit Amortisationszeiten von sieben bis acht Jahren. Bei Einbezug der Gebäudehülle muss ich  20 Jahre veranschlagen, was uns alle bezüglich diverser globaler CO2-Einsparungsziele (Kyoto u.a.) in Zugzwang bringt. Hinter Contracting steht aber nicht zuletzt die Überlegung: Je breiter das Angebot der Dienstleistung, desto länger die Kundenbindung.
Turneretscher: Im Bereich Wohnbau dringen wir in das umfassende Dienstleistungsgeschäft vor, das sich auf die allgemeine und die thermische Gebäudesanierung sowie die Optimierung der kompletten Anlage bzw. der Haustechnik bezieht (Facility-Management). Die Investitionskosten für die Sanierung der haustechnischen Anlagen finanzieren sich - in Abhängigkeit von der Anlagengröße – zur Gänze aus der Energieeinsparung. Bei einer gleichzeitig durchgeführten thermischen Gebäudesanierung können durch die Energieeinsparung rund 30 Prozent der Investitionskosten refinanziert werden. Das jeweils optimale Kosten-/Nutzenverhältnis für den  Kunden resultiert dann aus der individuellen Vertragsdauer für die Wärmelieferung und die Bewirtschaftung der haustechnischen Anlagen.
Köberl: Das von Österreich in der Kyoto-Nachfolge angepeilte Einsparvolumen an treibhausrelevanten Abgasen beträgt auf Basis 1990 (77 Mio t) 13% im Zeitraum 2008 - 2012. Allein auf den Bereich Raumwärme entfallen 5 Mio t Einsparung an CO2, wobei dieser Wert nur über die Einbeziehung der Gebäudehülle erreicht werden kann. Korso: Der Wohnbauträger Neue Heimat ist der erste Klimabündnispartnerbetrieb in der Steiermark. Als Grundlage für eine geplante bzw. schon in Umsetzung befindliche energietechnische Gesamtsanierung wurde der gesamte Objektbestand anaylsiert. Wird es hier Kooperationen bezüglich der Energieversorgung geben?
Turneretscher: Es geht hier um die Ausschreibung der „Energiepartnerschaft 2000“.  Inhalt dieses Projektes ist die drastische Energieeinsparung sowie die thermische und hydraulische Sanierung der Objekte. Die Neue Heimat ist der erste Wohnbauträger, der von der reinen Verwaltung seiner Objekte zu deren Bewirtschaftung übergeht. Wir stehen diesbezüglich in intensiven Verhandlungen mit der Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft Neue Heimat.

Korso: Ihre Hauptkunden kommen aber aus der Industrie ...
Köberl: Wir stellen neben der Energie auch eine umfassende Dienstleistung bereit. Ziel ist auch hier die Kundenbindung. So haben wir etwa für die Austria Mikrosysteme (AMS) in Unterpremstätten verschiedene Energieanlagen geplant und errichtet. Seit Jahresbeginn führen wir den gesamten Energieversorgungsbetrieb, greifen damit natürlich sehr tief in die gesamte Wertschöpfungskette ein. Des Weiteren sind wir eine Partnerschaft mit ABB Gebäudetechnik (Asea Brown Bovery) eingegangen. Hier bieten wir etwa Kommunen  Gesamtenergiekonzepte an. 2001 werden wir uns im Rahmen des ESTAG-Konzerns in Richtung Multi-Energy-Dienstleister entwickeln, d.h. dass wir über entsprechende Partnerschaften alle (Energie-)Medien  (Gas, Elektrizität, Fernwärme aber auch Solarenergie, Biomasse-Energie und geothermische Energie) aus einer Hand anbieten bzw. auch das dazugehörende Management bereitstellen werden können.

Information:
www.steirische.ferngas.at

Das Interview führte Dieter Kordik
 

 
FEBRUAR AUSGABE ÖKOLAND STEIERMARK