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Mehr Lust auf "Bio": Nachfrage
überholt Angebot
Österreich zählt bei der Produktion
und Vermarktung von Bio-Lebensmitteln zu den fortgeschrittensten Ländern
Europas. Wegen der Lebensmittel-Skandale der jüngsten Zeit – BSE,
medikamentös verseuchte Borstentiere, Pestizide im Paprika und motorölangereicherte
Futtermittel – boomt "Bio" jetzt besonders – so sehr, dass sogar die Produktion
hinter der Nachfrage zurückbleibt.
Ab 1970 stellten hoch motivierte Pioniere des
biologischen Landbaus ihre Betriebe auf biologische Landwirtschaft um.
Mit der Einführung von Förderungen für die Umstellung auf
Bio-Landbau setzten dann immer mehr Bauern auf die Umstellung ihres Betriebes.
Die wirkliche Popularisierung der Bio-Lebensmittel begann aber erst mit
ihrem Einzug in die Regale der großen Supermarktketten.
Bewahrung der Unabhängigkeit. Was auf der
einen Seite Vorteile bei der Markenbildung und der Vermarktung bedeutet,
birgt auf der anderen Seite auch viele Nachteile, die sich daraus ergeben,
dass viele kleine Produzenten einem mächtigen Handelskonzern gegenüberstehen:
Das System der Verteilung und über weite Strecken auch die Preise
werden von den Handelsketten bestimmt.
"Nicht alle Bauern sind in der Lage, eine Gegenstrategie
zu finden", betont DI Richard Hubmann aus Sinabelkirchen – Biobauer
mit Leib und Seele –, "aber ein Teil der Biobauern hält sich mehrere
Optionen offen und setzt auf direkten Verkauf an KonsumentInnen und
regionales Gewerbe."
Von 30 auf 3000. Die große Umstellungswelle
kam dann mit dem Beitritt Österreichs zur EU und der Förderung
des biologischen Landbaus im Rahmen des ÖPUL (Österreichisches
Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen
Lebensraum schützenden Landwirtschaft). Laut Agrar-Landesrat Erich
Pöltl fließen derzeit 20% der ÖPUL-Mittel in Biobetriebe.
Aber nicht nur die Förderungsoffensive in
den letzten Jahren war Grund für die stetig steigende Nachfrage nach
Bioprodukten. Durch eine industrialisierte Landwirtschaft verursachte Lebensmittelskandale
führten zu einem rapiden Zuwachs an potenziellen Bio-Konsumenten und
damit auch -Produzenten. Während im Jahr 1980 in der Steiermark gerade
30 Betriebe auf den Biolandbau setzten, sind es inzwischen über 3000;
einen Spitzenwert erreichte die Anzahl der Betriebe 1995 mit gezählten
3389 Höfen. Durch die strengen Kontrollen und Änderungen der
Richtlinien im Förderprogramm ging besonders die Anzahl der Bio-Betriebe
im Grünlandbereich ein wenig zurück, aber auch hier ist die Nachfrage
derzeit wieder im Ansteigen begriffen. "Wir setzen unterstützende
Maßnahmen in der Milchvermarktung und versuchen besonders Großküchen
zu erreichen", so Pöltl. "Inzwischen finden unsere Bio-Milchprodukte
auch in England und Italien starken Absatz. Das einzige Problem, das wir
noch in den Griff bekommen müssen, stellen die zusätzlichen Kosten
für das getrennte Sammelsystem dar."
Versäumnisse der Agrarpolitik? Ing. Josef
Renner, Geschäftsführer des Ernte-Verbandes Steiermark, der
die heimischen Bio-Produzenten organisiert, unterstreicht im KORSO-Interview,
dass der Handlungsbedarf in manchen Bereichen noch immer sehr groß
ist. "Seit September 2001 gibt es einen Landtagsbeschluss, wonach 25% der
von Großküchen verwendeten Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft
stammen müssen, aber vor allem die Krankenhäuser sperren sich
aus Kostengründen noch dagegen", so Renner.
Im Rahmen des Forschungsprojektes "Bio-Lebensmittel-Cluster
Austria" wurde die realisierte Konsumnachfrage an Bio-Lebensmitteln in
Österreich erhoben. Sie beträgt derzeit 218 Mio Euro, was einem
3%igen Anteil am gesamten Lebensmittelumsatz entspricht. Damit liegt Österreich
im europäischen Spitzenfeld – und die Nachfrage steigt weiter. Pöltl
erwartet vor allem ein Plus bei Biogemüse und -obst, Hubmann sieht
wachsende Chancen auch für den Export: "In Großbritannien besteht
große Nachfrage nach Biofleisch aus der Steiermark." "Dass die Nachfrage
nach Bioprodukten das Angebot deutlich übertrifft", so Hubmann, "kam
für die Politik überraschend – was offenbar niemand zugeben will."
Ein weiteres Manko sei die mangelnde Vermarktung von Bioprodukten in der
öffentlichen Versorgung und im gesamten Wellness- und Gesundheitsbereich.
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Hubmann: "Die Agrarpolitik hat nicht ausreichend
auf die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten reagiert"
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Renner: "Mehr Bio in Krankenhäuser und Kindergärten"
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Pöltl: "Mehr Forschung für den Bio-Landbau"
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Konfrontiert mit der Frage nach etwaigen Versäumnissen
der Agrarpolitik meint Pöltl, dass ein Ausgleich nur durch ein "Waagehalten"
zwischen dem bestehenden Angebot und dem Ausmaß und der Intensität
der Werbestrategien zu Stande kommen kann. "Wir fungieren als Kommunikationsgefäß
aller Beteiligten." Um der derzeitigen Nachfrage gerecht zu werden, soll
nicht die Produktion der einzelnen Biobauern gesteigert werden, sondern
wir dürfen in diesem Jahr mit einem Zuwachs von rund 100 Biobetrieben
in der Steiermark rechnen, erläutert Pöltl. Sein besonderes Anliegen:
"Der biologische Landbau braucht noch mehr wissenschaftliche Forschung."
Bauernschläue allein reicht nicht: Auch
die Nachfrage nach Bio-Bildung steigt. Wissenschaftliche Forschung und
Weiterbildung spielen auch im biologischen Landbau eine immer stärkere
Rolle: Auch das zuständige Ministerium setzt auf eine Bildungsoffensive.
Die Schwerpunkte des 2001 vorgestellten "Aktionsprogrammes Biologische
Landwirtschaft" liegen vor allem in den Bereichen Förderung, Beratung,
Bildung, Forschung und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, Österreichs
Position als europäisches Bioland Nr. 1 weiter zu erhalten und alle
Möglichkeiten der Marktgestaltung optimal auszuschöpfen.
In der Steiermark soll ein Pilotprojekt "Grundwasserschutz
durch biologischen Landbau" starten, das vom Ernte-Verband in Zusammenarbeit
mit Joanneum Research in Kürze eingereicht werden soll. "Wissenschaftliche
Erkenntnisse und die Wünsche der Praxis sollen einen vorbeugenden
Ansatz für den Grundwasserschutz schaffen, wobei biologisches Landwirtschaften
eine zentrale Rolle spielt," erklärt Renner. "Ein Kernthema im Ernte-Verband
ist Weiterbildung – künftige Biobauern bekommen nicht nur einen umfangreichen
4-tägigen Einführungskurs geboten, sondern können auch vielfältige
Weiterbildungsangebote in Anspruch nehmen. Den vielen Anrufen nach zu schließen
sind Interesse und Informationsbedarf der Landwirte sehr hoch."
Claudia Windisch
Bio-Webadressen:
Ab 15. April 2002:
-
www.bioinformation.at
(Allgemeine Bio-Links, vollständige Steiermark-Adressen von allen
Bio-Betrieben etc.)
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