04 / 2000
  Kicken statt Ackern:
Aus für Biobauern-Ausbildung in Alt-Grottenhof?


Der Biobauern-Nachwuchs muss gefördert und ausgebildet werden – wer außer begeisterten Convenience-Food-Verschlingern würde sich da dagegen stellen.
Hoffnungsvolle Neo-Vastics & Co müssen zwecks Erlangung von Oberliga-Reife natürlich ebenso unterstützt werden. Einen Haken hat die Sache: Wo angehende Biobauern ackern, tun sich die Jung-Kicker naturgemäß schwer beim Training; und da ein Eiergoal bekanntlich mehr Gerstl einbringt als ein Freilandei und die Grundstücke knapp und teuer sind, werden die Landwirte demnächst ihre Eggen und Pflüge einpacken und ein Haus weiterziehen müssen – vielleicht nach Southhampton: Dort hat man ihnen nämlich jüngst für ihre Leistungen einen internationalen Preis verliehen.


133 Jahre ist sie alt, die Landwirtschaftliche Fachschule Alt-Grottenhof im Südwesten von Graz. In den letzten Jahren hat sie im Gefolge des Bio-Trends ein kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben: Die landwirtschaftlichen Flächen für den Unterricht werden ausschließlich nach biologischen Kriterien bewirtschaftet – und so nebenbei profitieren auch die GrazerInnen von ihren gesunden Produkten: die kann man nämlich zweimal wöchentlich im Hofladen kaufen.
Damit soll nun bald Schluss sein: Sport-Landesrat Dr. Gerhard Hirschmann will auf dem Gelände der Schule ein Trainingszentrum für die beiden Grazer Bundesligisten Sturm und GAK errichten – und die Spitzen der Stadt signalisieren Zustimmung.

„Nachhaltig sind nur die Sonntagsreden der Politiker“
Vom Osthang des Buchkogels im Westen bis zur Gablenzkaserne im Osten, von der Grottenhofstraße im Norden bis zur Martinhofstraße im Süden erstreckt sich das Schul-Areal. 80 Hektar sind es insgesamt, 30 Hektar davon sind biologisch bewirtschaftete Ackerflächen; zumindest die Hälfte davonsoll nun den zwei Trainingszentren geopfert werden (ein gemeinsames ist wegen der Rivalitäten zwischen den beiden Bundesliga-Klubs nicht möglich) – „das wäre das Aus für unsere Schule“, stellt Direktor DI Dr. Franz Klein verbittert fest. „In ihren Sonntagsreden ergehen sich die Politiker darüber, wie wichtig nachhaltiges Wirtschaften ist – und in der Praxis wird eine Schule, die diese Prinzipien lebt und lehrt, einfach ausradiert.“

Schuldirektor Dr. Klein: „Lehrbetrieb ist auf bestehende Flächen hin kalkuliert“

„Randvoll mit SchülerInnen“
Wenn Klein von „seiner“ Schule spricht, merkt man ihm den Stolz an: Immerhin wurde die Lehranstalt in den letzten Jahren mehrfach ausgezeichnet, 1997 empfing sie etwa die mit 300.000 Schiling dotierte „Goldene Ähre“ für besonders umweltbewusste Leistungen aus der Hand des Landwirtschaftsministers, 1998,1999 und 2000 wurden Bio-Brot und -Käse der Schule mehrfach prämiert. Die von der Schule betriebene Selbstvermarktungs-Übungsfirma erhielt jüngst in Southhampton einen internationalen Preis.
Die Qualität der Ausbildung lockt immer mehr Jugendliche an: „Wir sind mit derzeit 140 SchülerInnen randvoll, seit 1992 haben wir jährlich zwischen 30 und 50 AbsolventInnen.“ Nicht nur potenzielle Hofnachfolger besuchen die Schule, auch immer mehr Stadteltern schicken ihre Sprößlinge nach Alt-Grottenhof.

Future generation versus
„kleinkarierte Verhinderer“

Was Alt-Grottenhof hat, nämlich Platz, haben die beiden Grazer Bundesligisten Sturm und GAK nicht. Für das Training ihrer Nachwuchsmannschaften benötigen sie angeblich (pro Verein!) acht vollwertige Fußballplätze, dazu verschiedenste Zusatzeinrichtungen wie Sauna und Schwimmbecken. Die nötigen Grundstücke soll das Land bereitstellen. Sport-Landesrat Dr. Gerhard Hirschmann machte sich auf die Suche – und wurde fündig: Der Teil des Schul-Areals zwischen Krottendorfer Straße und Martinhofstraße biete sich „als geradezu idealer, den sportlichen und räumlichen Bedürfnissen des Fußballsports entsprechender Standort“ an. Für die Gegner dieses Projekts hat Hirschmann nur Hohn und Spott übrig: Sie seien „kleinkarierte Verhinderer“, die „uns, der Future-Generation, alles vermiesen wollen“ – und er bedankt sich ausdrücklich bei Landesrat Pöltl, der als für die Schule verantwortlicher Referent seinem Projekt zugestimmt habe. „Dass die Schule untrennbar mit dem Grundstück verbunden ist, ist ein demagogisches Argument.“
Dem widersprechen allerdings nicht nur Direktor Klein („Der Lehrbetrieb ist auf 30 Hektar hin kalkuliert, es gibt keine entsprechenden Ersatzflächen in der Nähe“), sondern auch die Fachleute vom ERNTE-Verband, der Qualitätsgemeinschaft der Biobauern. Mag. Christof Wirnsperger: „Es ist einfach widersinnig, Flächen, die seit mehr als zehn Jahren biologisch bewirtschaftet werden und entsprechend wertvoll sind, in Fußballplätze umzuwandeln. Auf der einen Seite verlangt der Landtag per Beschluss, dass in öffentlichen Einrichtungen biologische Produkte verwendet werden, auf der anderen werden die Ausbildungsstätten für die zukünftigen Biobauern reduziert.“

Biokäse ist nur eine der Alt-Grottenhofer Spezialitäten

„Es regiert der SK Sturm“
Vor der Realisierung des Kicker-Paradieses müssen dessen Betreiber noch eine Hürde nehmen: Der Gemeinderat muss mit Zweidrittelmehrheit einer Umwidmung des Grundstückes zustimmen, wenn es anders als landwirtschaftlich genützt werden soll. KORSO hat sich bei den Stadtpolitikern umgehört:
Liegenschafts-Stadtrat Mag. Siegfried Nagl steht dem Projekt eindeutig positiv gegenüber, relativiert aber in einem Punkt: „Eine Umwidmung kann es erst geben, wenn die genaue Größe der geplanten Anlage bekannt ist.“ Vizebürgermeister Dr. Peter Weinmeister hält das Trainigszentrum in seiner Eigenschaft als Sportreferent für „extrem wichtig für die sportbegeisterte Jugend“, möchte aber gerne ein Gesamtpaket schnüren: „Die ,Gruabn‘ und der GAK-Platz müssen dann endlich einer lockeren Bebauung zugeführt werden können.“ In seiner Eigenschaft als Umweltschutz-Referent freue er sich auch, „weil mit den Fußballplätzen alles grün bleibt.“
Gemeinderat Hans Pammer von der SPÖ, der als Obmann der Naturfreunde auch im Naturschutzbeirat der Stadt Graz sitzt, wäre es allerdings „am liebsten, wenn dort gar nichts passieren würde. Es wäre schade, wenn dieses Freiland-Areal verschwinden müsste, das Stadt und Land so harmonisch verbindet.“ Und der grüne Gemeinderat Mag. Hermann Candussi, ein deklarierter Gegner des Trainingszentrums, meint resigniert: „Ob im Liebenauer Stadion oder im Gemeinderatssaal: Es regiert der SK Sturm.“
cs
 


ÖKOLAND STEIERMARK