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380-kV-Leitung:
Über den Wipfeln, unter der Erde – oder mittendurch?
Seit die APG(Austrian Power Grid)-Verbund Mitte April bekannt gegeben
hat, das Projekt 380-kV-Leitung durch die Oststeiermark nun doch „zügig“
realisieren zu wollen, herrscht Unruhe in der betroffenen Region.
Die von der AGP angekündigte 10 Millionen teure Aufklärungskampagne
wurde von Vertretern der Bürgerinitiative hämisch als „Propaganda-Bombenteppich“
bezeichnet. Die GegnerInnen wiederum haben sich vor Ort in den betroffenen
Gemeinden der Stammtischhoheit versichert.
Controller Boltz: Auch Atomstrom-Anbieter dürfen
nicht diskriminiert werden
Eine erste direkte Konfrontation zwischen APG und ihren KritikerInnen
hat am 5. Juli auf einer Podiumsdiskussion stattgefunden, zu der der Grüne
Landtagsklub unter dem Titel „Stromdrehscheibe Österrreich“ geladen
hatte. Dies – so der grüne Abgeordnete Peter Hagenauer – sei
seit Beginn der Projektierung in den frühen 80-er Jahren das ökonomische
Konzept gewesen, auf dem diese für den österreichischen Bedarf
überdimensionierte Leitung beruhe. Mit dieser Leitung solle das große
Geld im Transitgeschäft gemacht werden. In Zeiten der Liberalisierung
der Strommärkte erhalte dies neue Aktualität. Dieter Helmel
von der APG konterte, die Leitung werde einzig und allein als Antwort
auf bestehende Engpässe im innerösterreichischen Leitungsnetz
konzipiert. Der Leiter der E-Control GmbH, DI Walter Boltz, sieht
in der Liberalisierung der Strommärkte eine große Chance für
Wirtschaft und Konsumenten. Die Aufgabe seiner Behörde sei es, die
korrekte Verrechnung der Netzkosten und den freien Zugang für alle
Anbieter zum Netz zu gewährleisten. Niemand dürfe diskriminiert
werden. Also auch Atomstromanbieter nicht, es sei denn, ihre Anlagen entsprächen
nicht europäischen Sicherheitsnormen. Allerdings bestehe keine völkerrechtliche
Verpflichtung neue Leitungen nur zur Befriedigung von Transitbedürfnissen
zu bauen.
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Von links: Lechner (EVA), Hubmann (BI gegen
die 380-kV-Leitung), Hagenauer (Grüne), Moderator, Boltz (E-Control),
Helmel (Verbund): Positionen seit 13 Jahren unverändert. |
EVA-Lechner: Keine zwingende Begründung
für die Leitung
Aufhorchen ließ Ing. Mag. Herbert Lechner (Energieverwertungsagentur)
mit dem Zitat eines norwegischen Netzbetreibers: „Natürlich darf ein
Netz temporär überlastet sein, sonst muss man an seiner Wirtschaftlichkeit
zweifeln.“ Er wiederholte seine schon in einer Studie der Energieverwertungsagentur
formulierte Kritik, dass „...aus den vorliegenden Unterlagen der
Verbund keine zwingende Begründung für die Errichtung einer 380-kV-Leitung
durch die Oststeiermark sich ableiten lässt“, verwies aber darauf,
dass zur Verbesserung der Netzsituation „etwas gemacht werden“ müsse.
Dabei sei der zu erwartende Ertrag den Kosten der Investition inklusive
den zu bewertenden ökologischen Schäden gegenüberzustellen.
Den ökologischen Nutzen müsse man im Auge haben, knüpfte
der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die 380-kV-Leitung, DI
Richard Hubmann, an: „Wenn Engpässe das Problem sind, dann wollen
wir die Variante überprüfen, ob eine geballte Offensive für
erneuerbare und dezentrale Stromerzeugung diese Netzengpässe beseitigen
kann, weil sie die jeweiligen Regionen graduell einer autarken Stromversorgung
näher bringt.“ Ein offener Dialog und eine Studie über derartige
Möglichkeiten würden bislang von allen Beteiligten verweigert.
Kabel statt Freileitung?
Tags darauf stellten die Bürgermeister der 380-kV-Gemeinden eine
Studie von Univ. Prof. Rudolf Woschitz (TU Graz) vor, welche die
Vor- und Nachteile einer Verkabelung der 380-kV-Leitung untersucht. Die
Verkabelung bringe einen wesentlich geringeren Landschaftsverbrauch, keine
Lärmbeeinträchtigung und eine geringere elektromagnetische Belastung
der Umwelt. Allerdings: Eine vollständige 380-kV-Verkabelung durch
die Oststeiermark kostet ungefähr das Vierfache einer Freileitung.
Dies war offensichtlich der Grund, warum sich Institutsvorstand Univ.Prof.
Hans-Michael Muhr, der als Mitautor der Studie gilt, vor der eigentlichen
Präsentation von der Verkabelungsvariante distanzierte. Die Vertreter
der APG wollten die Variante prüfen, zeigten sich aber skeptisch.
Eindeutig ablehnend äußerten sie sich zur Forderung der Bürgermeister
nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
Die Positionen aller Beteiligten sind unverändert, und das seit
dreizehn Jahren. Ob der von der Landeshauptfrau ausgesandte Trouble-Shooter
Ludwig Kapfer zu diesem Konflikt einen „runden Tisch“ moderieren
kann, bleibt offen. Für die „Mediation“ sei die Zeit noch nicht reif
– das ist wohl der einzige Punkt, in dem sich alle Konfliktparteien einig
sind … |