07 / 2001
  380-kV-Leitung: Über den Wipfeln, unter der Erde – oder mittendurch?

Seit die APG(Austrian Power Grid)-Verbund Mitte April bekannt gegeben hat, das Projekt 380-kV-Leitung durch die Oststeiermark nun doch „zügig“ realisieren zu wollen, herrscht Unruhe in der betroffenen Region.

Die von der AGP angekündigte 10 Millionen teure Aufklärungskampagne wurde von Vertretern der Bürgerinitiative hämisch als „Propaganda-Bombenteppich“ bezeichnet. Die GegnerInnen wiederum haben sich vor Ort in den betroffenen Gemeinden der Stammtischhoheit versichert.

Controller Boltz: Auch Atomstrom-Anbieter dürfen nicht diskriminiert werden
Eine erste direkte Konfrontation zwischen APG und ihren KritikerInnen hat am 5. Juli auf einer Podiumsdiskussion stattgefunden, zu der der Grüne Landtagsklub unter dem Titel „Stromdrehscheibe Österrreich“ geladen hatte. Dies – so der grüne Abgeordnete Peter Hagenauer – sei seit Beginn der Projektierung in den frühen 80-er Jahren das ökonomische Konzept gewesen, auf dem diese für den österreichischen Bedarf überdimensionierte Leitung beruhe. Mit dieser Leitung solle das große Geld im Transitgeschäft gemacht werden. In Zeiten der Liberalisierung der Strommärkte erhalte dies neue Aktualität. Dieter Helmel von der APG konterte, die Leitung werde einzig und allein als Antwort auf bestehende Engpässe im innerösterreichischen Leitungsnetz konzipiert. Der Leiter der E-Control GmbH, DI Walter Boltz, sieht in der Liberalisierung der Strommärkte eine große Chance für Wirtschaft und Konsumenten. Die Aufgabe seiner Behörde sei es, die korrekte Verrechnung der Netzkosten und den freien Zugang für alle Anbieter zum Netz zu gewährleisten. Niemand dürfe diskriminiert werden. Also auch Atomstromanbieter nicht, es sei denn, ihre Anlagen entsprächen nicht europäischen Sicherheitsnormen. Allerdings bestehe keine völkerrechtliche Verpflichtung neue Leitungen nur zur Befriedigung von Transitbedürfnissen zu bauen.
 

Von links: Lechner (EVA), Hubmann (BI gegen die 380-kV-Leitung), Hagenauer (Grüne), Moderator, Boltz (E-Control), Helmel (Verbund): Positionen seit 13 Jahren unverändert.

EVA-Lechner: Keine zwingende Begründung für die Leitung
Aufhorchen ließ Ing. Mag. Herbert Lechner (Energieverwertungsagentur) mit dem Zitat eines norwegischen Netzbetreibers: „Natürlich darf ein Netz temporär überlastet sein, sonst muss man an seiner Wirtschaftlichkeit zweifeln.“ Er wiederholte seine schon in einer Studie der Energieverwertungsagentur formulierte Kritik, dass „...aus den  vorliegenden Unterlagen der Verbund keine zwingende Begründung für die Errichtung einer 380-kV-Leitung durch die Oststeiermark sich ableiten lässt“, verwies aber darauf, dass zur Verbesserung der Netzsituation „etwas gemacht werden“ müsse. Dabei sei der zu erwartende Ertrag den Kosten der Investition inklusive den zu bewertenden ökologischen Schäden gegenüberzustellen. Den ökologischen Nutzen müsse man im Auge haben, knüpfte der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die 380-kV-Leitung, DI Richard Hubmann, an: „Wenn Engpässe das Problem sind, dann wollen wir die Variante überprüfen, ob eine geballte Offensive für erneuerbare und dezentrale Stromerzeugung diese Netzengpässe beseitigen kann, weil sie die jeweiligen Regionen graduell einer autarken Stromversorgung näher bringt.“ Ein offener Dialog und eine Studie über derartige Möglichkeiten würden bislang von allen Beteiligten verweigert.

Kabel statt Freileitung?
Tags darauf stellten die Bürgermeister der 380-kV-Gemeinden eine Studie von Univ. Prof. Rudolf Woschitz (TU Graz) vor, welche die Vor- und Nachteile einer Verkabelung der 380-kV-Leitung untersucht. Die Verkabelung bringe einen wesentlich geringeren Landschaftsverbrauch, keine Lärmbeeinträchtigung und eine geringere elektromagnetische Belastung der Umwelt. Allerdings: Eine vollständige 380-kV-Verkabelung durch die Oststeiermark kostet ungefähr das Vierfache einer Freileitung. Dies war offensichtlich der Grund, warum sich Institutsvorstand Univ.Prof. Hans-Michael Muhr, der als Mitautor der Studie gilt, vor der eigentlichen Präsentation von der Verkabelungsvariante distanzierte. Die Vertreter der APG wollten die Variante prüfen, zeigten sich aber  skeptisch. Eindeutig ablehnend äußerten sie sich zur Forderung der Bürgermeister nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
Die Positionen aller Beteiligten sind unverändert, und das seit dreizehn Jahren. Ob der von der Landeshauptfrau ausgesandte Trouble-Shooter Ludwig Kapfer zu diesem Konflikt einen „runden Tisch“ moderieren kann, bleibt offen. Für die „Mediation“ sei die Zeit noch nicht reif – das ist wohl der einzige Punkt, in dem sich alle Konfliktparteien einig sind …     

krk

 
JULI/AUGUST-AUSGABE
ÖKOLAND STEIERMARK