„Gegen die Sorgfalt
des ordentlichen Kaufmannes ...“
Steirische Gemeindeninitiative
gegen die 380-kV-Freileitung
Im Laufe ihrer über 13 Jahre währenden Widerstands-Arbeit
gegen die Errichtung einer 380-Kilovolt-Freileitung durch die Oststeiermark
hat die Initiative der 28 Anrainergemeinden bereits so viel Fachkompetenz
erworben, dass niemand an ihr vorbeikommt: Das Government und der Verbund
müssten sich praktisch hier beraten lassen, wollten sie gut beraten
sein.
Die Botschaft aus der Oststeier lautet nach wie vor: kein Bedarf an
einer Transitleitung! Wenn aber ein Bedarf irgendwann einmal nachweisbar
werden sollte, muss – so die Oststeirer – modernste und schonende Technologie
zum Einsatz kommen und das bedeutet die Verlegung von Erdkabeln anstatt
der Errichtung einer Freileitung. Weil’s sonst niemand macht, haben die
Gemeinden im September 2000 ihrerseits eine Studie in Auftrag gegeben,
die Klarheit über die Alternativtechnologie schaffen soll. Die Arbeit
des Instituts für Hochspannungstechnologie der TU Graz (Prof. Woschitz)
wird demnächst fertig und soll auch im Verfahren der Gemeinden Koppl
/ Salzburg-Land und Bruck an der Glocknerstraße Berücksichtigung
finden. Auch in Salzburg wächst der Widerstand gegen den Lückenschluss
der 380er-Freileitung, was zu einer Kooperation zwischen den steirischen
und salzburgischen Gemeinden geführt hat.
„Wir machen die Arbeit des Verbunds ...“
KORSO sprach mit dem Bürgermeister der Gemeinde Empersdorf, Alois
Baumhackl und mit Josef Arnus, dem „Spiritus Rector“ des Widerstandes
und Empersdorfer Gemeindesekretär.
KORSO: Die oststeirischen Gemeinden sehen sich einer neuen Verbund-Initiative
gegenüber. Was werden Sie jetzt unternehmen?
Arnus: Zusammen mit der Trassenfindungs-Studie des Joanneum wurden
von 1996 bis 98 fünf Studien zur 380-kV-Freileitung ohne Einbezug
der Gemeinden abgewickelt. Aufgrund der Mängel schlugt Landesrat Erich
Pöltl eine Studie über Alternativen vor, die im Jänner '99
den Steiermärkischen Landtag passierte. Dieser Beschluss wurde aber
nie umgesetzt.
1997 bekamen wir erste Informationen (aus der Züricher Weltwoche)
über die so genannte VBE-Kabel-Technologie (Erdkabel ohne Gas- oder
Flüssigkeitsfüllung). Im vorigen Jahr wurden wir bezüglich
der Siemens-Erdkabel-Technologie fündig und sprachen im Mai 2000 diesbezüglich
bei Minister Martin Bartenstein vor, dem Ministerium war die öllose
Erdkabeltechnik bis dahin jedoch völlig unbekannt.
Im selben Jahr verkaufte Siemens die Kabel-Technologie und das Know-how
an Pirelli, was bedeutet, dass Pirelli nun der zentrale europäische
Anbieter für diese Technologie ist. Es gibt zwei Produktionsstätten,
eine in Paris und eine zweite in Telft (Holländische Kabelwerke) in
den Niederlanden.
Im Juli 2000 fuhren Vertreter unserer Initiative nach Telft (als offizielle
österreichische Delegation) zum Lokalaugenschein. Dabei kam auch ein
interessantes Detail ans Licht: Die Technik für die Steckverbindungen
wurde in Graz (TU) mitentwickelt!
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Alois Baumhackl: Volksabstimmungsergebnis ist weiterhin
Grundlage unserer Arbeit |
KORSO: Was ist die Hauptkritik am Verbund-Vorhaben?
Baumhackl: Bei derartigen Großprojekten ist die Umweltverträglichkeitsprüfung
obligatorisch im europäischen Standard. Mit der Verkabelungstechnologie
haben wir Gemeinden einen konstruktiven Vorschlag in Reserve, wenn sich
herausstellen sollte, dass 380-kV nicht zu verhindern ist.
Wir machen hier die Arbeit des Verbunds.
Diese Dinge zu recherchieren, ist aber nicht unsere Aufgabe! Wir müssen
das nebenbei und ohne dafür vorgesehene Kapazitäten machen.
Arnus: Das Beharren auf der Freileitung ist monarchistische Tendenz.
Der Verbund geriert sich als Inhaber von traditionellem Wissen gepaart
mit Starrheit.
KORSO: Wo gibt es Referenz-Anlagen für die Kabel-Technologie?
Arnus: Das Siemens-Pirelli-Kabel ist z. B. auf Strecken in Dänemark
und Japan verlegt und im Einsatz.
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Querschnitt durch ein Pirelli-Erdkabel |
Baumhackl: Das Argument des Verbunds bezüglich des hohen Wirkungsgrades
der Freileitung ist schwach: Die Erdkabeltechnologie bringt noch um bis
zu 40% weniger Verluste! Dieses Argument ist unvergleichlich stärker
als das der höheren Errichtungskosten, weil sich die Verlusteinsparungen
natürlich auf Dauer rechnen!
KORSO: Als Grundlage für die Verbund-Kampagne wurde eine Meinungsumfrage
in der Region herangezogen ...
Baumhackl: Die Empersdorfer Gemeindebürger wurden seltsamerweise
nicht befragt, in entfernter liegenden Gemeinden wurde dagegen befragt.
Die 93% Ablehnung in unseren Gemeinden sind weiterhin verbindliche Grundlage
für unsere Arbeit!
Arnus: Bei unserer Arbeit bekommen wir Verstärkung aus Salzburg.
Auch beim Freileitungsprojekt von Kaprun bis St. Peter am Hart wächst
der Widerstand. Hier fordern die Bürgerinitiativen, dass in den sensiblen
Bereichen Erdkabel gelegt werden. Hier kommt auch Unterstützung von
der Salzburger Landesregierung.
Die jetzige Kampagne des Verbund ist so angelegt, dass in der Öffentlichkeit
der Eindruck entsteht, der Leitungsbau sei bereits „gegessen“. Das Gegenteil
ist der Fall. Die Haltung der Gemeinden ist klar: Wenn der tatsächliche
Bedarf nachgewiesen ist, dann muss modernste Technik zum Einsatz kommen.
Auf jeden Fall wird als nächstes das Ergebnis der von uns in Auftrag
gegebenen Studie abzuwarten sein!
Die steirischen Grünen sind überzeugt, dass es beim Wunsch
nach einer steirischen Starkstromleitung nicht um die Versorgung der Steiermark
geht. Landtagsabgeordneter Peter Hagenauer legt den Finger in die
Wunde: „In einer Zeit, in der die Gelder für die Förderung von
erneuerbaren Energien angeblich nicht reichen, ja die Förderung zeitweise
sogar völlig eingestellt war, will der Verbund jetzt von der Sinnhaftigkeit
dieser Leitung überzeugen.
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Landtagsabgeordneter Peter Hagenauer |
Ein vom Land und der Energieverwertungsgesellschaft in Auftrag gegebenes
Gutachten hat vor Jahren ergeben, dass der Bedarf für die Leitung
nie nachgewiesen werden konnte. Deshalb ist für die Grünen klar,
dass die in der letzten Landtagsperiode vom Landtag beschlossene Studie
zu Alternativen der 380-kV-Leitung abzuwarten ist. Die Studie wurde allerdings
von der landesregierung nie in Auftrag gegeben. Ein Versäumnis, dass
die Grünen sicherlich nicht achselzuckend hinnehmen werden!"
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