05 / 2001
  „Gegen die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes ...“ 
Steirische Gemeindeninitiative gegen die 380-kV-Freileitung

Im Laufe ihrer über 13 Jahre währenden Widerstands-Arbeit gegen die Errichtung einer 380-Kilovolt-Freileitung durch die Oststeiermark hat die Initiative der 28 Anrainergemeinden bereits so viel Fachkompetenz erworben, dass niemand an ihr vorbeikommt: Das Government und der Verbund müssten sich praktisch hier beraten lassen, wollten sie gut beraten sein.
Die Botschaft aus der Oststeier lautet nach wie vor: kein Bedarf an einer Transitleitung! Wenn aber ein Bedarf irgendwann einmal nachweisbar werden sollte, muss – so die Oststeirer – modernste und schonende Technologie zum Einsatz kommen und das bedeutet die Verlegung von Erdkabeln anstatt der Errichtung einer Freileitung. Weil’s sonst niemand macht, haben die Gemeinden im September 2000 ihrerseits eine Studie in Auftrag gegeben, die Klarheit über die Alternativtechnologie schaffen soll. Die Arbeit des Instituts für Hochspannungstechnologie der TU Graz (Prof. Woschitz) wird demnächst fertig und soll auch im Verfahren der Gemeinden Koppl / Salzburg-Land und Bruck an der Glocknerstraße Berücksichtigung finden. Auch in Salzburg wächst der Widerstand gegen den  Lückenschluss der 380er-Freileitung, was zu einer Kooperation zwischen den steirischen und salzburgischen Gemeinden geführt hat.

„Wir machen die Arbeit des Verbunds ...“
KORSO sprach mit dem Bürgermeister der Gemeinde Empersdorf, Alois Baumhackl und mit Josef Arnus, dem „Spiritus Rector“ des Widerstandes und Empersdorfer Gemeindesekretär.

KORSO: Die oststeirischen Gemeinden sehen sich einer neuen Verbund-Initiative gegenüber. Was werden Sie jetzt unternehmen?
Arnus: Zusammen mit der Trassenfindungs-Studie des Joanneum wurden von 1996 bis 98 fünf Studien zur 380-kV-Freileitung ohne Einbezug der Gemeinden abgewickelt. Aufgrund der Mängel schlugt Landesrat Erich Pöltl eine Studie über Alternativen vor, die im Jänner '99 den Steiermärkischen Landtag passierte. Dieser Beschluss wurde aber nie umgesetzt. 
1997 bekamen wir erste Informationen (aus der Züricher Weltwoche) über die so genannte VBE-Kabel-Technologie (Erdkabel ohne Gas- oder Flüssigkeitsfüllung). Im vorigen Jahr wurden wir bezüglich der Siemens-Erdkabel-Technologie fündig und sprachen im Mai 2000 diesbezüglich bei Minister Martin Bartenstein vor, dem Ministerium war die öllose Erdkabeltechnik bis dahin jedoch völlig unbekannt. 
Im selben Jahr verkaufte Siemens die Kabel-Technologie und das Know-how an Pirelli, was bedeutet, dass Pirelli nun der zentrale europäische Anbieter für diese Technologie ist. Es gibt zwei Produktionsstätten, eine in Paris und eine zweite in Telft (Holländische Kabelwerke) in den Niederlanden.
Im Juli 2000 fuhren Vertreter unserer Initiative nach Telft (als offizielle österreichische Delegation) zum Lokalaugenschein. Dabei kam auch ein interessantes Detail ans Licht: Die Technik für die Steckverbindungen wurde in Graz (TU) mitentwickelt!
 

Alois Baumhackl: Volksabstimmungsergebnis ist weiterhin Grundlage unserer Arbeit

KORSO: Was ist die Hauptkritik am Verbund-Vorhaben?
Baumhackl: Bei derartigen Großprojekten ist die Umweltverträglichkeitsprüfung  obligatorisch im europäischen Standard. Mit der Verkabelungstechnologie haben wir Gemeinden einen konstruktiven Vorschlag in Reserve, wenn sich herausstellen sollte, dass 380-kV nicht zu verhindern ist. 
Wir machen hier die Arbeit des Verbunds.
Diese Dinge zu recherchieren, ist aber nicht unsere Aufgabe! Wir müssen das nebenbei und ohne dafür vorgesehene Kapazitäten machen.
Arnus: Das Beharren auf der Freileitung ist monarchistische Tendenz. Der Verbund geriert sich als Inhaber von traditionellem Wissen gepaart mit Starrheit.

KORSO: Wo gibt es Referenz-Anlagen für die Kabel-Technologie?
Arnus: Das Siemens-Pirelli-Kabel ist z. B. auf Strecken in Dänemark und Japan verlegt und im Einsatz.
 

Querschnitt durch ein Pirelli-Erdkabel

Baumhackl: Das Argument des Verbunds bezüglich des hohen Wirkungsgrades der Freileitung ist schwach: Die Erdkabeltechnologie bringt noch um bis zu 40% weniger Verluste! Dieses Argument ist unvergleichlich stärker als das der höheren Errichtungskosten, weil sich die Verlusteinsparungen natürlich auf Dauer rechnen!

KORSO: Als Grundlage für die Verbund-Kampagne wurde eine Meinungsumfrage in der Region herangezogen ...
Baumhackl: Die Empersdorfer Gemeindebürger wurden seltsamerweise nicht befragt, in entfernter liegenden Gemeinden wurde dagegen befragt.  Die 93% Ablehnung in unseren Gemeinden sind weiterhin verbindliche Grundlage für unsere Arbeit!
Arnus: Bei unserer Arbeit bekommen wir Verstärkung aus Salzburg. Auch beim Freileitungsprojekt von Kaprun bis St. Peter am Hart wächst der Widerstand. Hier fordern die Bürgerinitiativen, dass in den sensiblen Bereichen Erdkabel gelegt werden. Hier kommt auch Unterstützung von der Salzburger Landesregierung.
Die jetzige Kampagne des Verbund ist so angelegt, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, der Leitungsbau sei bereits „gegessen“. Das Gegenteil ist der Fall. Die Haltung der Gemeinden ist klar: Wenn der tatsächliche Bedarf nachgewiesen ist, dann muss modernste Technik zum Einsatz kommen. Auf jeden Fall wird als nächstes das Ergebnis der von uns in Auftrag gegebenen Studie abzuwarten sein!

Die steirischen Grünen sind überzeugt, dass es beim Wunsch nach einer steirischen Starkstromleitung nicht um die Versorgung der Steiermark geht. Landtagsabgeordneter Peter Hagenauer legt den Finger in die Wunde: „In einer Zeit, in der die Gelder für die Förderung von erneuerbaren Energien angeblich nicht reichen, ja die Förderung zeitweise sogar völlig eingestellt war, will der Verbund jetzt von der Sinnhaftigkeit dieser Leitung überzeugen. 
 

Landtagsabgeordneter Peter Hagenauer

Ein vom Land und der Energieverwertungsgesellschaft in Auftrag gegebenes Gutachten hat vor Jahren ergeben, dass der Bedarf für die Leitung nie nachgewiesen werden konnte. Deshalb ist für die Grünen klar, dass die in der letzten Landtagsperiode vom Landtag beschlossene Studie zu Alternativen der 380-kV-Leitung abzuwarten ist. Die Studie wurde allerdings von der landesregierung nie in Auftrag gegeben. Ein Versäumnis, dass die Grünen sicherlich nicht achselzuckend hinnehmen werden!" 
 

 
MAI-AUSGABE ÖKOLAND STEIERMARK