11 / 2001
 
Fundis & Fundinen – Ein Gespräch zwischen Martin Will & Jörg Nauer, aufgezeichnet von Jörg-Martin Willnauer

M.Will: Was fällt dir zum 11.September ein?
J.Nauer: Nix.
M.Will: Aha. Sogar die Kabarettisten sind auf einmal schmähstad. Sonst seid ihr ja nicht aufs Maul gefallen, aber hier gibt’s plötzlich Maulsperre. Die Logorrhoe hat Ladehemmung.  Das ist das Ende der Spaß- & Schasgesellschaft. 
J.Nauer: Sorry. Ich hab keine Witze auf Lager (obwohl ich schlechte zum Thema gehört habe.) Aber ein paar Fragen hab ich schon.
M.Will: Ich bin gespannt.
J.Nauer: Jede Religion hat einen Wahrheitsanspruch und grenzt sich nach außen ab. Und jede Religion braucht ein Fundament, also Dogmen,  Essentials, Lehrsätze und letzte undiskutierbare Wahrheiten. Das ist ein Nährboden für Fundamentalismus.
Fundamentalismus ist ein tragendes Element in jeder Religion. 
M.Will: Das ist keine Frage.
J.Nauer: Die Frage ist: wo sind unsere Fundis & Fundinen? Wo sind die Bin Ladens des Abendlands? Wo sind wir selber fundamentalistisch? Die Frage F. lässt sich doch nicht auf Krenn & Co. reduzieren! Unser Pharisäertum, unsere Ignoranz gegenüber dem Elend sind auch fundamentalistisch.
M.Will: Das ist aber schon gewagt, Bin Laden & Co. mit Krenn & Co. zu vergleichen.
J.Nauer: In der Tat. Ich fürchte nur, es gibt auch christliche Fundis, die gerne ein paar Ketzer  eliminieren würden. Nicht verbrennen, igitt, das stinkt nach verschmortem Fleisch. Aber es gibt ja elegantere Mittel und Wege, Abtrünnige zu beseitigen. Auch in der christlichen Kirche gibt’s genug Leute, die die französische Revolution, die Gewaltenteilung & die Trennung von Kirche & Staat am liebsten rückgängig machen würden.
M.Will: Wer die Terroristen vom 11.9. mit unseren Fundis vergleicht, verharmlost die Verbrechen des schwarzen Dienstags. Das sind doch Westentaschenfundis, die bei uns herumlaufen und sich wichtig machen. Von denen ist doch keiner militant.
J.Nauer: Und die BBA? Herr Fuchs aus Gralla? In den Bekennerschreiben wurde doch dauernd die Verteidigung des christlichen Abendland beschworen! Andere haben jahrelang geredet, er hat gehandelt.
M.Will: Du kannst doch nicht einen Einzeltäter mit diesem Massenphänomen vergleichen.
J.Nauer: Ich will nicht vergleichen oder verharmlosen, ich denke nur darüber nach, wie wir den Fundi in und bei uns erkennen können.
M.Will: Natürlich gibt’s auch bei uns ein paar Unverbesserliche. Aber im Grunde leben wir in einem liberalen Land, wo jedes Tierchen sein Pläsierchen pflegen kann.
J.Nauer: Das Funditierchen schlummert nur. Wir haben viele christlich-abendländische Schläfer in der Steiermark, die nur auf einen Anlass warten.
M.Will: Der wäre?
J.Nauer: Wir gehen jetzt zum Jakominiplatz und sammeln Geld für eine Grazer Moschee.
Wir kommen ins Spital und die Bombendrohung kommt garantiert frei Haus.
M.Will: Als Peter Rosegger vor gut 100 Jahren für eine evangelische Kirche in der Steiermark gesammelt hat, hat er das auch überlebt. -
Ich war nie ein Fundi. Ich war immer liberal, tolerant und pluralistisch.
J.Nauer: Der Mangel an Selbstreflexion ist der erste Schritt in den Gottesterrorstaat.
M.Will: Das würde auch auf Herrn Bush zutreffen.
J.Nauer: Ein  Fundi reinsten Öls. Und im Gegensatz zu den Attentätern ziemlich dumm. Aber zurück nach Österreich. Wo sind unsere Fundis & Fundinen?
M. Will: Du redest dauernd von Fundinen. Wen meinst du damit?
J.Nauer: Auch unsere Frau Landeshauptmann...
M.Will: Bist du verrückt! Frau Klasnic ist sakrosankt!
J.Nauer: ...vernachlässigt die wichtige Trennung von Kirche und Staat. Nicht nur in Lassing.
Wer die Religion politisch instrumentalisiert, darf sich nicht wundern, wenn andere das auch tun. Das ist ein aufgelegter Bumerang.
M.Will: Zurück zur Frage: Was können wir tun?
J.Nauer: Ein ebenerdiges Büro beziehen.
M.Will: Schlechter Witz. Das ist genau die untere Schublade, die du eingangs kritisiert hast.
J.Nauer: Schlechte Witze sind auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Die Entertainer sind eben genauso hilflos wie alle anderen. Und der Witz, auch wenn er mies ist, verscheucht für Sekunden die Angst vor dem Tod.
M.Will: Ist das der Grund, warum die Spaßkultur so blüht & boomt?
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J.Nauer 
M. Will
NOVEMBER-AUSGABE
KUNST /KULTUR / 2003