03 / 2002
 
Kunst gegen Kunst: das ewige Match!
– Ein Gespräch zwischen Martin Will & Jörg Nauer

Jörg Nauer: Jüngst weilte ich auf Einladung der Grünen in einer erlesenen Runde heimischer Kulturschaffender. Man hatte sich um Andre Heller geschart, aß, trank und lauschte andachtsvoll dem Meister der Ästhetik.
Martin Will: Ich weiß. Ich war zugegen.
J.Nauer: Ah so!? Ich hab' dich nicht gesehen!
M.Will:  Das wundert mich nicht. Die meisten heimischen KünstlerInnen sind derart mit sich selbst beschäftigt, dass ihnen für die Wahrnehmung der Außenwelt keine Zeit bleibt.
J.Nauer: Diesem eingeschränkten Gesichtsfeld entspricht die Produktion der steirischen Kulturszene. Man schmort im eig'nen Safte. 
M.Will: Deshalb wurde ja auch Andre Heller eingeladen. Die heimischen Kulturschaffenden geben die perfekte Entsprechung zum Meister narzistischer Selbstinszenierung.
J.Nauer: Das ist gemein. Andre Heller hat viele Verdienste! Er hat wirklich was zu sagen und kann das auch amüsant vermitteln. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören.
M.Will: Also rundum ein gelungener Abend?
J.Nauer: Fast. Hätte man Andre Heller erzählen lassen. Leider mussten sich einige aus dem Auditorium in seinem Glanze sonnen und Profilierungsfragen stellen. Da wurden sprachliche Fertigteile abgesondert, die keine Antwort brauchen, sondern lediglich die eigene Präsenz & Eloquenz beweisen sollen.
M.Will: Und wie reagierte Andre Heller?
J.Nauer: Das weißt du doch selbst! Er ist leider auf dieses erbärmliche Niveau eingestiegen. Man landete in der Niederung der Verteilungsfrage: "Ich hab zu wenig Geld, du hast zu viel; also werde ich versuchen, dir was wegzunehmen!" 
M.Will: Und wem sollte gegeben und wem genommen werden?
J.Nauer: Einige meinten, die Oper habe zu viel Geld und die freie Szene zu wenig.
M.Will: Schwachsinn! Erstens: die "freie Szene" ist nicht frei. Fast alle Leute in der "freien Szene" sind extrem abhängig von der öffentlichen Hand bzw. dem Wohlwollen einzelner Politiker. Zweitens: Das Kulturbudget ist immer zu klein. KünstlerInnen, die innerhalb des Kulturbudgets Geld anders verteilen wollen, besorgen das Geschäft populistischer kulturfeindlicher Politiker. Drittens: Viele, die die Oper schließen wollen, wissen nicht, wie aktuell und spannend Oper sein kann, weil sie noch nie drin waren. Und viertens: Wir müssen uns nach neuen Geldquellen umsehen, die außerhalb des Kulturbudgets liegen! Flüsterasphalt in Tunnels, Abfangjäger, Gehälter und Pensionen abgehalfterter FP-Minister, da liegen die Milliarden! Dagegen ist das steirische Kulturbudget ein Fliegenschiss. Die KünstlerInnen sollten um Zuschauer kämpfen, nicht um größere Anteile aus dem kleinen Topf!
J.Nauer: Gratuliere. Und warum hast du das in der illustren Runde nicht gesagt?
M.Will: Erstens bin ich partiell eingeschlafen, zweitens ist das keine Frage und drittens hat der grüne Gemeinderat Hermann Candussi irgendwann vor Mitternacht ähnlich argumentiert.
J.Nauer: Ein Politiker auf Seiten der KünstlerInnen. Bravo!
M.Will: Warts ab, bis er was zu entscheiden hat.
J.Nauer: Du bist aber misstrauisch!
M.Will: Nein, realistisch. Mit kulturfeindlichen Aussagen lassen sich hier zu Lande Wahlen gewinnen. Wer mutig zur Freiheit der Kunst steht, verliert die Wahl. Diesen Spagat spüren auch die Grünen. Das Schizophrene an der Situation: Österreich lebt von Kunst und Kultur! Jahr für Jahr bringen Kunst und Kultur ein paar Milliarden Euro ins Land und gleichzeitig überschlagen sich maßgebliche Politiker in kunstfeindlichen Aktionen.
J.Nauer: Dagegen müssten alle KünstlerInnen solidarisch sein.
M.Will: Du bist naiv. Künstlersolidarität ist ein frommer Wunsch.
J.Nauer: Aber es muss doch etwas geben, was alle KünstlerInnen verbindet!?
M.Will: Ja. Neid.
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Martin Will
Jörg Nauer
MÄRZ-AUSGABE
KUNST /KULTUR / 2003