10/2000
  Vulgata – Geschichte ist machbar
 
  Jeder Staat, (im konkreten Fall: Slowenien), hat sein Recht auf seine eigene Geschichte. Geschichte ist machbar, vor allen Dingen Kunstgeschichte. Die Künstler der Ausstellung Vulgata, die noch bis zum 4. November im Pavel-Haus in Laafeld zu sehen ist, erbringen einen Übersetzungsakt, der – wenn auch in „eingängiger“, d.h. vereinfachender Weise mehrere komplexe Sinnebenen erschließt oder zumindest aufzudecken versucht. Sie thematisieren gesellschaftliche Zusammenhänge, die die Ausstellung, eine dokumentarische Schau, unter dem Aspekt ethnischer Identitäten bzw. des National-Bewusstseins zusammenfasst. Es werden Bezüge und Verhältnisse zum „National“-Staat hergestellt und somit auch ein reflektierender Blick auf die kulturpolitische Situation der Republik Slowenien des letzten Jahrzehnts gewagt. Die VULGATA-Ausstellung ist eine kritische, dokumentarische, humorvolle und künstlerische Auseinandersetzung mit übergeordneten Gesellschaftsstrukturen – zwischen der Staatsgründung und der Großausstellung Manifesta 3 als Vorspiel für EU-Tauglichkeit. Jedoch: VULGATA ist keineswegs ideologiefrei.  
In der von Michael Petrowitsch und Gregor Podnar kuratierten „Leistungsschau“ werden in einem dokumentarischen und selektiven Rückblick KünstlerInnen vorgestellt, die in Bezug auf nationale Identitäten einen kritischen und doch überwiegend humorvollen Kommentar sowohl auf staatliche Institutionen als auch auf nationale Werte, Symbole und Normen abgeben. Mit ihrer vulgären, d.h. direkten, populären, „allgemein verständlichen“ künstlerischen Vorgehensweise durch Aneignung/Gründung wahrheitsstiftender Institute (Simulacrum) oder Neuübersetzung tradierter Symbole (Decodierung) werden, so Petrowitsch, „Parallelstrukturen zur vorgefundenen Wirklichkeit“ geschaffen. Die Nähe zu kulturanthropologischen Forschungsmethoden ist im Fall des Instituts für häusliche Studien (Institut za domace raziskave – IDR) mit dessen „Mitarbeiterin“ Alenka Pirman und des Forschungsinstituts für geo-künstlerische Statistik der Republik Slowenien (Raziskovalni institut za geo-umetnisko statistiko Republike Slovenije – RIGUSRS) mit dem Forschungsteam Cosic/Pirman/Wölle allzu vordergründig und offensichtlich mit dem „Künstler als Anthropologen“ gleichzusetzen, der das Andere in sozialen und interdisziplinären Kontexten sucht – das Andere, das durch Feldforschung im Alltäglichen vorgefunden wird. 
 
„Vulgata“-Kurator Michael Petrowitsch:
„Vulgata ist eine ironisch-kritische Auseinandersetzung mit der Staatswerdung 
unserer slowenischen Nachbarn“

Der Slowene mit dem größten Lungenvolumen bekommt einen Preis, Nichtslowenen werden bei diesem Wettbewerb ausgeschlossen.
Vulgata mit den Künstlern Vuk Cosic, Milena Kosec, Damijan Kracina, Alenka Pirman, Katarina Toman und Irena Wölle läuft noch bis zum 4. November im Pavel-Haus in Laafeld tgl. außer So und Mo, 14.00 - 18.30. 

Pavel-Haus/Pavlova hisa
A-8490 Laafeld/Potrna
Tel./Fax: 0 3476/3862
mail: pavel.haus@magnet.at
http://members.magnet.at/pavel.haus

   
 
OKTOBER-AUSGABE KUNST / KULTUR