12 / 2001
  Volkskundemuseum neu: Regionalkultur transparent

Die Vereinnahmung durch deutschnationale Strömungen hat Volkskunde über lange Zeit in die Nähe des „Völkischen“ gerückt. Die Wiedereröffnung des Volkskundemuseums am Joanneum im Jahr 2003 wird einen wichtigen Neubeginn markieren.

"Wir gehen mit dem heutigen Verständnis an die Objekte und die Präsentation der Sammlung heran", betont Museumsleiterin Dr. Roswitha Orac-Stipperger anlässlich einer Presseführung durch die Baustelle. Und DI Heiner Herzog, Obmann des Vereins der Freunde des Volkskundemuseums und Enkel des Museumsgründers Viktor Geramb, verweist auf die neue Ausrichtung des Museums: Es gehe nicht darum, den Kulturbegriff auf ein "Volk" zu reduzieren, sondern darum, "Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die regionale Kultur erhalten bleiben soll."

Rauchstube, Trachtensaal und viel gläserne Transparenz
Innovative Konzeptionen verlangen ebensolche Präsentationsformen. Die Schau wird sich auf drei Themenfelder konzentrieren, nämlich "Wohnen", "Kleiden“ und "Glauben". 
Orac-Stipperger: "Es soll keine Überschneidungen mit den anderen beiden volkskundlichen Sammlungen am Joanneum in Stainz und Trauttenfels geben." Im Zuge der Gesamtrenovierung des Standortes – des ehemaligen Kapuzinerklosters in der Paulustorgasse – werden größere Raumeinheiten - die Gesamtausstellungsfläche wird über 1000 Quadratmeter betragen –, und eine spezielle, um die verbleibenden tragenden Mauerelemente herum angeordnete Vitrinen-Form den allseitigen Einblick auf die Schaustücke ermöglichen. Die Glaskörper werden auch als Projektionsflächen für multimediale Informationsangebote nutzbar sein.
Kernstücke der Schausammlung werden die von Geramb 1917 von der Pack nach Graz gebrachte Rauchstube aus dem 17. Jahrhundert – "typisch für das Wohnen im ostalpinen Raum" – und der Trachtensaal sein, dessen Gestaltung auf die Zeit seiner Entstehung zurückgeführt werden soll. Orac-Stipperger: "Als Museum im Museum wird der  Trachtensaal dem Besucher die frühere Herangehensweise der Volkskunde verdeutlichen."
Weitere bauliche Veränderungen betreffen den Eingangsbereich – hier wird ein gläserner Kubus als "Signal in den Außenraum" fungieren – sowie eine Glasbrücke als neues Bauelement: Diese wird das Stammgebäude und den Trachtensaal verbinden und stellt eine Art begehbarer Vitrine dar; nach dem Willen des planenden Architektenteams BEHF werden die MuseumsbesucherInnen beim Überschreiten der Brücke selbst zu "Präsentationsobjekten der Gegenwart". 
 

Museumsleiterin Dr. Roswitha Orac-Stipperger und der Obmann des Vereins der Freunde des Volkskundemuseums, DI Heiner Herzog: Neue Präsentationsformen für eine inhaltlich erneuerte Volkskunde

"2003": kein Partner für den Relaunch
Die Kosten für Sanierung und Umbau des Volkskundemuseums werden in Summe 40 Mio Schilling betragen, die vom Land Steiermark berappt werden; ein überraschend niedriger Betrag, wenn man das Bauvolumen und den schlechten Zustand der historischen Bausubstanz in Betracht zieht – von der Mauer-Trockenlegung bis hin zur völligen Neuerrichtung der Heizungsanlage ist alles inkludiert.
Die Zeit bis zur Fertigstellung wollen die Verantwortlichen dazu nützen, das seit Mitte der Achtzigerjahre geschlossene und daher nur mehr älteren Semestern bekannte Museum wieder im Bewusstsein der GrazerInnen zu verankern: Noch 2001 beginnt eine Veranstaltungsreihe zu den drei Hauptthemen Wohnen – Kleiden – Glauben.
Trotz der Tatsache, dass das Museum 2003 seine Pforten wieder öffnen wird, trotz seiner Bedeutung für eine Kulturhauptstadt Graz und trotz der zweifellos gegebenen Nachhaltigkeit des Projektes konnte "Graz 2003" nicht als Partner für den Relaunch gewonnen werden.  cs

infos:
www.volkskundemuseum-graz.at


 
DEZEMBER-AUSGABE
KUNST /KULTUR / 2003