06 / 2000
  „Ein Visionär und Wegbereiter der Moderne“

Am 9. Juni öffnet die große Gauguin-Ausstellung im Landesmuseum Joanneum in der Neutorgasse 45 ihre Pforten – Graz steht dann bis 1. Oktober ganz im Zeichen des großen französischen Malers. Wenige Künstler faszinieren wie er durch Werk und Biografie. KORSO hat ExponentInnen der steirischen Kunst-Szene befragt:
Was assoziieren Sie mit Gauguin?


Günter Eisenhut, Co-Kurator der Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“: Gauguin war für mich immer in seiner Eigenschaft als Kulturflüchtling wichtig, und sein zärtlicher Blick auf jene Menschen, die von der französischen Kolonialherrschaft betroffen waren, hat sicherlich zu einer Bewusstseinsänderung und damit auch zur politischen Moderne beigetragen. Künstlerisch ist er in seinen frühen Holzschnitten, aber auch in seiner Farbgebung ein Visionär.
ILA, Maler: Erstens: Gauguin ist mir auch ohne Berücksichtigung der Zeitdifferenz in seiner Farbwahl sehr vertraut. Zweitens: Gauguin kann ich nach wie vor, fürchte ich, nicht richtig buchstabieren. Drittens: Gauguin kann zu einem Alibi Grazer Bürger werden, sich nicht mit zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen zu müssen und sich dennoch kunstsinnig zu fühlen.
Branko LenART, Fotokünstler: Gauguin war mit seinen leuchtenden, intensiven Farben ein Wegbereiter des Expressionismus und könnte sogar als frühes Vorbild der Pop-Art gelten. Im Jahrhundert der Entdeckungen entdeckte er die Exotik sowohl als Thema seiner Bilder als auch als Projektionsfläche der Sehnsüchte der Bourgeoisie.
Veronika Dreier, Medien- und Objektkünstlerin: Was mich an Gauguin speziell anspricht: Er hat einen Schritt weg von der Kunst seiner Zeit getan und ist dadurch zum Wegbereiter der Moderne geworden. Sein unkonventioneller Zugang zur Malerei hat den nachfolgenden KünstlerInnengenerationen die neue Freiheit geschaffen.
Eugen Lendl (Galerie Lendl): Ein reizvoller Einstieg in eine exotische Welt – das fällt mir als Erstes zu Gauguin ein. Und dann natürlich die Verbindungen zur Avantgarde, die sich ja auch oft mit dem Exotischen beschäftigt. Spannend ist der radikale Schnitt in seinem Leben, der konsequente Bruch mit der bürgerlichen Existenz. Neben der Gauguin-Ausstellung verspricht übrigens auch die Ausstellung zur Schule von Barbizon in der Neuen Galerie hoch interessant zu werden!
Renate Krammer, Malerin: Die Kunst, die ein Jahrhundert zurückliegt, wird langsam salonfähig und bringt (hoffentlich) gute Besucherzahlen. Ich würde mir wünschen, dass auch für zeitgenössische bildende Künstler mit demselben Werbeaufwand Großausstellungen in Graz möglich wären: Es wäre wichtig, auch die Kunst, die in unserer Zeit entsteht, einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Roman Klug, Grafiker und freischaffender Künstler: Gauguin ist zweifellos ein wichtiger Wegbereiter der Moderne. In seinem Frühwerk hat er Bilder geschaffen, die auf beeindruckende Weise imaginäre Welten zeigen. Seine Rolle bei der Herausbildung unserer Wahrnehmung der Exotik ist allerdings hinterfragenswert.

Paul Gauguin – von der Bretagne nach Tahiti. Der Aufbruch der Moderne.
9. 6. bis 1. 10. 2000, Landesmuseum Joanneum, Neutorgasse 45.

Öffnungszeiten: Mo bis So 10.00 bis 19.00, Do: 10.00 bis 21.00.
Führungen: 11.00 und 15.00,
Eintritt: Erwachsene: 120,--, Ermäßigungen: Senioren: 50,-- / Schüler, Lehrlinge, Studenten, Präsenz- und Zivildiener: 60,--, Familienkarte: öS 200,--.
Informationen: Tel. (0316)8017 9660, www.steiermark2000.at
 


JUNI AUSGABE KUNST / KULTUR / 2003