10/2000
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Next Sex auf der
Ars Electronica
Nachbetrachtungen zur Zukunft
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Sex sells. Dieses Jahr ging es in Linz unter dem
Titel „Next Sex“ um gentechnisch angepeilte Geschlechtsutopien: endgültige
Trennung von Sex und Fortpflanzung, das Morphing „neuer“ Geschlechter,
die Verwendung genetischen Materiales zur Produktion von natürlichen
oder Kunstobjekten – Schmetterlinge oder winzige Puppen – bestimmten die
Ausstellung im Brucknerhaus. Dem Sex als Programm einer Maschine namens
Mensch und zugleich als Kern individuell empfundener Persönlichkeit
ist eben nicht zu entkommen. Und genau an dieser Schnittstelle reißt
die Ars Electronica das Problem der Reduzierung menschlichen Selbstverständnisses
an; einer Reduzierung, die vor rund einem halben Jahrtausend mit den drei
großen narzisstischen Menschheitskränkungen begann: der kopernikanischen
Wende, Darwins Abstammungslehre und der freudianischen Demontage der Seele.
Während der letzten fünfzig Jahre hat sich diese Entwicklung
radikalisiert und ausschließlich auf das Menschenbild reduziert.
Im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) ist es Schritt für
Schritt zu einer Aufgabe „spezifisch menschlicher Fähigkeiten“ gekommen.
Und die Gentechnik nimmt Abstammung, Geschlecht und Blut ihre Eigenschaft
als Konstanten menschlicher Identität.
Auf der gesellschaftlichen Ebene schließlich ist die theoretische
Ausweitung der Menschenrechte nur die Folie, vor der das wirtschaftliche
Leitbild des durch und durch flexibilisierten homo oeconomicus die Frage
provoziert, was den nun an sozialen „menschlichen“ Rahmenbedingungen noch
unverzichtbar ist.
Die Ars Electronica als PR-Show für neue Technologien und
deren artistische Umsetzung stellt sich zumindest implizit diesen Fragen.
Das ist eines ihrer Verdienste. Das Symposion wäre allerdings der
Raum für eine prinzipiellere Erörterung gewesen. Und die Funktion
von Festivals, die sich mit der soziologischen Definition des Menschlichen
beschäftigen, wird derzeit noch von den Globalisierungsgegnern in
Seattle oder Prag übernommen. |
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Willi Hengstler
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