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Anna-Lülja Praun - Eine
Kosmopolitin zwischen Tradition und Moderne
Am 15. März 2002 wird der 1906 geborenen Anna-Lülja Praun
an der Technischen Universität Graz die Ehrendoktorwürde verliehen.
Parallel dazu wird von CLIO – Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit
mit einer Ausstellung im Grazer Kunstverein in Graz ihr Lebenswerk gewürdigt.
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Nach Graz war die Tochter einer russischen Ärztin und des bulgarischen
Verlegers und Juristen Boris Simidoff 1924 aus zwei Gründen gekommen.
Zum einen genoss die Technische Hochschule einen ausgezeichneten Ruf speziell
auch in Südosteuropa und zum anderen hatte Anna-Lülja Simidoff
neben Bulgarisch und Russisch durch ihr Kindermädchen auch noch Deutsch
gelernt.
Ihre Eltern hatten sich in der Schweiz in russischen Exilkreisen um
Lenin, Kropotkin und Trotzki Anfang des 20. Jahrhunderts kennen gelernt.
Anna-Lülja wurde im zaristischen St. Petersburg geboren, wo sie auch
die ersten drei Lebensjahre verbrachte, ehe ihre Eltern nach Bulgarien
übersiedelten.
Der Blick in den Westen – nach Deutschland, Frankreich und Österreich
– war für intellektuelle Kreise in Sofia selbstverständlich.
Als Anna-Lülja Simidoff den Wunsch Architektur zu studieren äußerte,
fiel daher die Entscheidung auf Graz, wo sie sich 1924 als einzige Frau
unter lauter männlichen Architekturstudenten zum Studium einschrieb.
An der Seite Herbert Eichholzers
Die Entscheidung nach Graz zu gehen hatte neben dem Prestige, das die
Hochschule genoss, auch noch einen politischen Hintergrund. Die Lage in
Bulgarien war seit 1922 besonders labil, politische Attentate und Säuberungswellen
zeichneten das Land, sodass vorübergehend auch die Universität
in Sofia geschlossen werden musste. Ihr Vater, der 1920 als Delegierter
der bulgarischen Sozialisten am Weltkongress der 3. Internationale teilnahm
und später mit der Partei brach, wurde im Zuge einer Verhaftungswelle
nach einem missglückten Anschlag auf den König unmittelbar nach
Anna-Lüljas Abreise aus Bulgarien vom Militär verhaftet und ermordet.
Die Politik sollte sie aber auch in Österreich einholen. Durch
ihre Bekanntschaft mit Herbert Eichholzer, einem der wohl begabtesten österreichischen
Architekten in der Zwischenkriegszeit und deklarierten Anhänger
der internationalen Avantgarde, wurde sie – wie auch Eichholzer – im Zusammenhang
mit den Februarkämpfen 1934 kurz inhaftiert. Mit Herbert Eichholzer,
in dessen Atelier sie noch als Studentin bis 1936 arbeitete und mit dem
sie auch liiert war, entstanden eine Reihe kleinerer Projekte sowie ein
Entwurf für ein Hotel auf der Ries für das vom Land Steiermark
getragene und von der Sezession Graz entwickelte Konzept "Das künstlerische
Antlitz der Straße".
Die Gültigkeit der Form
Nach der Trennung von Eichholzer begann Anna-Lülja Simidoff im
Atelier von Clemens Holzmeister u.a. an der Planung des türkischen
Parlaments und des Salzburger Festspielhauses mitzuarbeiten. Nach Kriegsbeginn
ging sie über Paris nach Sofia, wo sie für die bulgarische Eisenbahndirektion
plante. 1942 kehrte sie nach Wien zurück und heiratete Richard Praun,
den sie im Atelier Holzmeisters kennen gelernt hatte und der dessen Wiener
Atelier nach Holzmeisters Emigration leitete.
Nach dem Kriegsende wirkte die durch Persönlichkeiten wie Eileen
Gray, Josef Frank, Herbert Eichholzer, Richard Praun oder Clemens Holzmeister
geformte Anna-Lülja Praun in Wien in ihrem eigenen Atelier vor allem
als Innenarchitektin. Zwischen 1953 und 1958 schuf sie in dem von Josef
Frank gegründeten Einrichtungshaus "Haus und Garten" zeitlose Möbel
ganz nach ihrer Maxime: Die Gültigkeit der Form muss so lange währen,
wie das Material hält.
Dieses Prinzip setzt sie bis heute fort. Ihre Auftraggeber aus Kunst,
Wissenschaft und Wirtschaft wie György Ligeti, Gudrun Baudisch oder
Wolfgang Denzel schätzen die unverkennbare Ästhetik des Praun-Stils,
den der Architekturkritiker Otto Kapfinger in seiner Rede anlässlich
der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Österreichischen Gesellschaft
für Architektur im MAK 1999 folgendermaßen charakterisierte:
"Das Geheimnis von Anna-Lülja Prauns Raumgestaltungen und Gegenständen
liegt in einer aus Lebenserfahrung und Handwerkskunst destillierten Modernität,
die der Zeit und dem Geist, aber keinem Zeitgeist verpflichtet ist; liegt
in einer Schlichtheit, die sich nie zum Purismus verselbstständigte;
liegt in einem ausgeklügelten Funktionieren, das sich von der plakativen
Formelhaftigkeit des Funktionalismus unterscheidet; und in einem künstlerischen
Esprit, der Eleganz und Behaglichkeit ins Gleichgewicht bringt."
Heimo Halbrainer
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Ausstellung:
"Anna-Lülja Praun - Werk- und Lebensschau"
im Grazer Kunstverein,
Bürgergasse 4/II, 8010 Graz;
8. März bis 24.März 2002,
Di – Fr 11.00-19.00 Uhr; Sa – So 11.00-15.00 Uhr
Am Freitag 15.03.2002 12.00 Uhr wird Anna-Lülja Praun in
der Aula der TU Graz, Rechbauerstraße 12/I die Ehrendoktorwürde
verliehen.
Veranstalter:
Clio –Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit
Großgrabenweg 8, 8010 Graz
clio@gewi.kfunigraz.ac.at
http://www-gewi.kfunigraz.ac.at/clio |
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