05 / 2000
  Zeitgemäße Wege bei der Instandsetzung und Konservierung historischer Wandmalerei in der Steiermark

Während in den 50er-, 60er- und auch noch in den 70er-Jahren bei der Instandsetzung von historischer Wandmalerei meist rigorose Interpretation und ungehemmte Rekonstruktion zur Anwendung kamen, kennzeichnet den heutigen Zugang zu dieser Materie vor allem Zurückhaltung und Respekt auch vor der „Zerstörungsgeschichte“, der die jeweiligen Kunstwerke im Lauf der Zeit unterworfen waren. Für den Restaurator bedeutet dies, dass die Intervention mitunter schon nach der Freilegung und Konsolidierung eines entdeckten Objektes beendet ist, sieht man allenfalls von ins Kunstwerk nicht direkt eingreifenden Maßnahmen wie z.B. des Witterungsschutzes – etwa durch zusätzlich angebrachte Verdachungen u.dgl. – ab. Befundungen dürfen keinesfalls in von Detailerwartungen beeinflusste „Kopfjagden“ münden, im Gegenteil: ein Schritt zurück versetzt erst in die Lage, den adäquaten Blick für die Bedeutung eines – im Falle starker Zerstörung oft schwachen –„Signals“ aus der Vergangenheit zu finden.
Die Bewertung des Interventionsbedarfs bei einem vorliegenden Kunstwerk muss aus heutiger Sicht also von mehreren Ebenen aus vorgenommen werden:
Vorrang hat die unbedingte Erhaltung der hermeneutischen Lesbarkeit des historischen Dokumentes. Darauf gründet sich die Einschätzung des Erhaltungsstadiums und die Festlegung der Zeitbudgets für die daran anschließenden Phasen der „Diagnose und Therapie“. Dabei ist durchaus realistisch vorzugehen, wobei bei Feststellung unmittelbar bevorstehenden Verfalls zunächst selbstverständlich der besten Methode für unmittelbaren Schutz der Vorrang gegeben werden muss.

Trofaiach / Pfarrkirche – Westfront: Teilfreilegung eines spätgotischen Freskenzyklus (Darstellung der Landplagen); Detail: „Hungersnot“

Rekonstruktive und konservierende Eingriffe an historischen Wandmalereien stellen eine Mischform aus Fassaden- und Malerei-Instandsetzung dar: Durch die Verbundenheit des Kunstwerks mit der Architekturoberfläche müssen die Eingriffe „in situ“, also am Bauwerk selbst vorgenommen werden, ein Verbringen des Objekts in für die Intervention günstigere Lagen und Orte (etwa Labors und Ateliers) ist – wie bei der ursprünglichen Herstellung des Werkes – unmöglich.
Auch bei der Auswahl der heute in einer Unzahl zur Verfügung stehenden Materialien ist Skepsis angebracht. Moderne Technologien bergen die Gefahr in sich, Ursprünglichkeit zu zerstören. Fehlstellen im Putz können durch die Aufbringung von originalgerechtem Material und anschließender schrittweiser Annäherung der Farbwertigkeit an den ursprünglichen baukünstlerischen Ausdruck geschlossen werden.
Oftmals erweist es sich als sinnvoll, öffentliche Ausschreibungen bei Instandsetzungenprojekten nach Professionen und Material zu trennen: Holz, Metall, Stein, Wandmalerei, Kirchenmalerei. Keinesfalls darf davon ausgegangen werden, dass der Restaurator mit der Erstellung eines Kostenvoranschlages für ein Projekt gleichzeitig einen detaillierten Untersuchungsbericht beibringen kann. Grundsätzlich gilt, dass frühzeitiges Erkennen des Interventionsbedarfs diesen minimiert und damit niedrigere Kosten nach sich zieht.

Hubert Schwarz, Restaurator für die Bereiche Wandmalerei, Stuck und Architekturoberfläche; 8010 Graz, Naglergasse 60,
Tel. + Fax: (0 316) 84 62 81;
E-Mail: h.schwarz@magnet.at
 


KUNST / KULTUR / 2003