04 / 2000
  Er war eine Frau ...

Das Jazzfestival GRAZ MEETING steht vom 27. bis 29. April heuer ganz im Zeichen der „Women in Jazz“

Als im Jahr 1989 der Big Band-Saxophonist Billy Tipton das Zeitliche segnete, war die Jazzwelt ziemlich außerhalb der Fassung. Nicht allein ob des Ablebens eines der ihren, sondern ob eines erschütternden Schicksals, das über 50 Jahre im Verborgenen blieb. Denn Billy Tipton war eine Frau

In den dreißiger Jahren nämlich träumte eine gewisse Dorothy Tipton von einer Karriere als Jazzmusikerin. Im sozialen Gefüge dieser Zeit und in der bis heute von Männern dominierten Welt des Jazz hatte sie freilich keine Chance, sich als Musikerin in den Nachtclubs und Tanzsälen durchzusetzen. Frauen waren ihrer bloßen Stimmlage wegen gerade mal gut genug als Sängerinnen.
Sie gab sich fortan als Mann aus und zog als Billy Tipton jahrzehntelang mit Swing- und Jazzbands durchs Land, ohne dass einer ihre wahre Geschichte ahnte. Von ihrem neunzehnten Lebenjahr bis zu ihrem Tod mit vierundsiebzig Jahren hielt sie ihre Identität nicht nur vor Musikerkollegen, sondern sogar vor ihren Ehefrauen und Kindern geheim (wie das geht, schildert uns Diane Wood in ihrem Buch „Er war eine Frau“).
Von ihrem Leben und ihrem musikalischen Wirken inspiriert, haben sich vor etwa sieben Jahren vier Saxophonistinnen aus Seattle zu einem Ensemble zusammengetan, das mittlerweile in der aktuellen Jazzszene bekannter ist, als es Tipton selbst je war.
Amina Claudine Myers
Für ein Jazzfestival zum Thema „Women in Jazz“ kann also kein Weg am „Billy Tipton Memorial Saxophon Quartet“ – das inzwischen um eine Schlagzeugerin erweitert wurde – vorbeiführen. Als Symbol sowohl für die besondere Geschichte der Frauen im Jazz wie auch für die der ganzen Sozialgeschichte. Und nicht zuletzt auch als gültiger Programmpunkt, machen die fünf Frauen doch längst Nägel mit Köpfen und werden von Festival zu Festival herumgereicht.
Weil – wenn auch lange unbemerkt – mit Billy Tipton eigentlich die wahre Geschichte der Frauen im Jazz begonnen hat, nimmt das „BTMSQ“ auch die Poleposition bei unserem Frauenjazzfestival ein. Welches immerhin schon die neunte Auflage der themenspezifischen Festivalreihe GRAZ MEETING ist.
Repräsentativ zu sein, war seit jeher das Ansinnen von GRAZ MEETING. In nicht mehr als sechs Programmpunkten dabei stilistische, quotengeregelte, instrumentalverhältnismäßige, schwarze und weiße Argumente sowie einen österreichischen Beitrag und eine Grand Diva auf die Bühne des Grazer Orpheums zu bringen, war für die Veranstalter die ultimative Herausforderung in der Geschichte des Festivals.
So geht’s am stilistisch vielfältigen Eröffnungsabend mit dem genannten „BTMSQ“ und dem „Aki Takase Sextet“ gleich in die Vollen, werden zwei astreine Frauenensembles zu hören sein.
Mit „Psycho Acoustic“, einem schrägen Trio (mit Elliott Sharp und Cornell Rochester hochkarätig besetzt), der Harfinistin Zeena Parkins und dem bluesig orientierten Amina Claudine Myers Trio (mit Jerome Harris und Reginald Nicholson) stehen sich am zweiten Tag die – weiße – New Yorker Downtown-Szene und – schwarze – Musiker aus dem Umkreis der AACM aus Chicago gegenüber.
Dee Dee Bridgewater
Am Abschlussabend schließlich wird die österreichische Jazzhoffnung Karoline Straßmayer erstmals ihre New Yorker Band „iKlaro“ vorstellen. Vor dem großen Finale mit der schwarzen Star-Sängerin und Bestsellerin Dee Dee Bridgewater, die gemeinsam mit ihrem Trio – wie alle anderen – zu Exklusivkonzerten eingeflogen werden.


Graz Meeting 2000  „Women in Jazz”
27.-29. April, Orpheum, Graz. Info: 0316/ 83 29 35,
www.grazjazz.at, e-mail:office@grazjazz.at

27.4., Beginn: 19.30
  • Billy Tipton’s Memorial Saxophon Quartet
  • Aki Takase Sextet
28.4., Beginn: 19.30
  • Zeena Parkins & Psycho Acoustic
  • Amina Claudine Myers Trio
29.4., Beginn: 19.30
  • Dee Dee Bridgewater & Trio
  • Karoline Strassmayer & iKlaro
Karten: Pepper’s ART, Zentralkartenbüro Graz, in allen Filialen der Steiermärkischen, S-Club-Ermäßigung, Club-Ö3-Ermäßigung
 


KUNST / KULTUR / 2003