05 / 2001
  herbst: Programmatische Rebellion

Intendant Peter Oswald präsentierte die Programmvorhaben für seinen zweiten steirischen herbst.
„Gegen die Zumutungen an das Ich“ lautet das Generalmotto des steirischen herbst 2001 und der Intendant postuliert: „Das Subjekt rebelliert“. Es rebelliert gegen eben jene Zumutungen, die als Zwänge des Turbokapitalismus oder als Verheißungen der Gentechnologie ausgemacht werden. Letzteren ist auch ein besonderer Schwerpunkt gewidmet. Jörg Schlick etwa wird 10.000 Jahre alt. Sagt er. Und damit ihm in diesem wahrlich biblischen Alter auch ja nicht fad wird, plant er ein Kunstdepot zu errichten, das – wie soll man sagen – auch kein Dreck ist: 1.000.000 Kubikmeter Raum sollen umbaut werden, schließlich müssen 3,2 Milliarden mögliche genetische Kombinationen (ATCG, GCTA ...) künstlerisch dargestellt und gelagert werden. Nebenbei ein ironischer Kommentar zur regen Geschäftigkeit in Sachen Grazer Kulturbauten. Weitere konkrete Annäherungen zum Thema sind Theo Steiners Symposion „Genpool, Menschenpark und Freizeitkörper“ und die von Peter Pakesch kuratierte Ausstellung „Abbild“, die aktuelle Positionen der „Menschendarstellung“ versammelt.
 

Das neue Bautechnikzentrum der TU Graz wird die Spielstätte des herbst 2001. 1.000.000 Kubikmeter Raum umfasst aber auch sie nicht.

Bereits im letzten Jahr geplant, kann heuer Klaus Händls Stück „Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen“ realisiert werden. Josef Winklers jüngstes, noch unveröffentlichtes Werk „Tintentod“ lässt einen „Landneurotiker“ erwarten, der „Woody Allens städtischem Vorbild um nichts nachsteht“ (Regisseurin Tina Lanik). Weitere szenische Vorhaben: „Alle Jäger Danke“, ein „Experiment zum Verhältnis von Individuum und Öffentlichkeit“ und „Abenteuer in Sachen Haut“. Texte: Dylan Thomas, Komposition: Olga Neuwirth. Schon wieder Neuwirth, so Peter Oswald, weil sie „einfach rasend gut ist“. Bereits ins nächste Jahr weist die konzertante Version von Beat Furrers „Aria“, deren szenische Uraufführung 2002 über die Bühne gehen wird.
Konsequenterweise Gast des herbst 2001 ist Gerhard Rühm, der nicht nur als Eröffnungsredner, sondern auch als Musiker, Sänger, Vorleser und Ausstellungsgestalter immer wieder zugegen sein wird. Und Cathrin Pichler schließlich erweist in ihrer Hommage à Antonin Artaud einem der nachhaltigsten Künstler des letzten Jahrhunderts ihre Referenz.
Das Subjekt rebelliert auch in Gestalt des herbst-Präsidenten Kurt Jungwirth, und zwar gegen die Zumutungen des kulturstaatssekretärlichen Sinkflugs in Sachen Subventionen. Und es rebelliert in Gestalt des Intendanten, der gemeinsam mit der styriarte und Graz 2003 endlich eine fixe Spielstätte errichten will. Die ständige Suche nach Aufführungsorten und deren Adaption verschlingt nicht nur die Nerven aller Beteiligten, sondern auch einen satten Budgetanteil. Vielleicht tritt Jörg Schlick ja ein Eckerl von seiner Halle ab.  
Andreas R. Peternell


Bullen und Bären im literarischen Feld
 

Literatur-Börsen-Initiator Andreas R. Peternell: „Sichern Sie sich den Frühstarter-Bonus!“

Am 31. Mai geht im Rahmen des Kulturfestivals steirischer herbst das erste literarische Börsenspiel im deutschsprachigen Raum online. Unter dem Titel www.literaturboerse.com soll die Einmischung des „Marktes“ in den Literaturbetrieb diskutiert werden. Die Schnittstellen zwischen den immer häufiger parallelisierten Rollen „Künstler“ und „Markstratege“ werden – so lautet das Konzept – aufgezeigt.
Statt mit Wertpapieren wird mit literarischen Texten gehandelt. AutorInnen können Texte jedes Genres einreichen, eine begrenzte Anzahl wird zum Börsengang ausgewählt und kann von den Teilnehmern gehandelt werden. Jeder Spieler bekommt eine bestimmte Kapitalmenge zugewiesen, mit der er wie in einem realen Aktien-Depot Anteile von einem Text kaufen, aber auch wieder verkaufen kann. Ganz wie im richtigen Börseleben steht eine gewichtige Kontroll- und Bewertungsinstanz zur Seite bzw. gegenüber. Andreas R. Peternell, gemeinsam mit Hannes Luxbacher und Werner Schandor – alle drei sind Herausgeber der Literaturzeitschrift „schreibkraft“ – einer der Intiatoren des Spieles: „Eine Fachjury aus Literaturkritikern fungiert als Anlageberater und Großinvestor zugleich. Ihre wertenden Urteile werden veröffentlicht, sodass sie auf diese Weise – vergleichbar mit Empfehlungen der Geldinstitute – Einfluss auf die Kursentwicklung nehmen.“ Analog zu Fondsmanagern an der Börse werden die Jurymitglieder auch mit einem wesentlich höheren Spielkapital ausgestattet und können so den Kurs direkter beeinflussen. Allen potenziellen TeilnehmerInnen empfiehlt Peternell, sich den „Frühstarter-Bonus“ zu sichern: „Wer sich vor dem 16. Juni 2001 anmeldet, erhält ein um 10% höheres Spielkapital.“

Information und Anmeldung:
www.literaturboerse.com

 
MAI-AUSGABE KUNST/ KULTUR/ 2003