10 / 2001
  Die freundliche Kälte des Todes und der Toten

Händl Klaus nennt sich der Dichter, der mit Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen zwei traumwandlerisch gesponnene Monologe vorlegt, die das heurige herbst-publikum die Kunst des leisen Lachens lehren sollen. Hermann Götz hat mit ihm ein eiliges, aber angeregtes Gespräch geführt.

„Der Zuseher“, meint Klaus Händl, „darf für einen Monolog lang zum Berg werden“, zum ersehnten Alpengebirge, das die Frau auf der Bühne herbeizurufen sucht. Diese Sehnsucht nach den Alpen steht für die Sehnsucht nach dem Tod, der im zweiten Monolog So entstehen die Seen, in Form zweier Verunglückter auftritt, die von einem Mann gefunden werden, der dort oben, hoch in den Bergen Setzlinge austeilt. „Der Mann verliebt sich in die Toten“, sagt Händl, „weil sie still sind, nicht widersprechen, auch wenn ihn das mehr und mehr verunsichert.“ Der Tod, die Alpen und die Sehnsucht. Wie passt das zusammen? „Für mich sind die Alpen ein sehr schönes Bild für den Tod, weil sie so kalt sind, auf eine sanfte Weise, so imposant und still, so schön - und weil sie zuweilen auch Erfrorene oder Verschüttete konservieren, unversehrt erhalten. ... Die Sehnsucht nach dem Tod, nach dem Nichts, dem Aus, nach Ruhe, die hat, glaube ich, jeder, und ich zumindest glaube, dass nach dem Tod alles aus ist, dass Ruhe einkehrt. Das Nichts, dieses entgültige Nichts ist doch das am meisten Wünschenswerte. Dieses Nichts ersehnt die Frau in meinem Stück. Der Zuschauer begleitet sie auf dem Weg dorthin. ... Ich habe das Stück für mich eine Boulevard-Komödie genannt“, sagt Händl, „weil der Weg zum Tod eine breite Straße ist, auf der wir alle gehen. – Es ist eigentlich eine Komödie, es ist zum Lachen, ich hoffe, dass das alle mitbekommen.“ 
Klaus Händl führt selbst Regie. Er hat seinen Text zwei Schauspielern auf den Leib geschrieben, von denen er seit seiner Jugend schwärmt. „Ich brauche für diese Monologe Schauspieler, denen ich den Text anpassen kann, denen ich die Sprache.
überziehen kann wie eine zweite Haut. Die beiden haben sich selbst stark eingebracht in das Stück, es mitverformt, so dass es mit ihnen mitgewachsen ist.“ Ein „faszinierender Prozess“, den Händl wohl nicht aus der Hand geben wollte. „Die Durchlässigkeit ist mein Ziel“, sagt er, „die Durchlässigkeit der Sprache, der theatralischen Situation. Die Musik in der Sprache, der Rhythmus muss den Zuseher loslösen von der Harmonie der Normalität, der Text möchte diese Normalität aufbrechen, er soll durchlässig sein für eine andere Wirklichkeit“. – Eine poetische Wirklichkeit, in der zumindest die traditionellen Parameter von Wahrnehmung und Weltanschauung aufgelöst sind. Mit Olivia Grigolli und Bruno Cathomas hat der Autor eine Darstellerin und einen Darsteller erwählt, die durch ihre Arbeit unter Christoph Marthaler an einer durchrhythmisierten Theaterästhetik erprobt sind und wohl auch den richtigen Ton für Händls rhythmisch melodiöse, teils sogar gereimte Sprache finden. Klaus Händl selbst, der ebenfalls Schauspieler ist, liegt als einer der Toten auf der Bühne. So hat er sich auch die heimliche Hauptrolle seines Stücks zugeteilt.
 

Klaus Händl
OKTOBER-AUSGABE
KUNST /KULTUR / 2003