05 / 2000
  Comm auf die Reise durch’s Netz der Netze

Wer glaubt, dass der Weg zwischen seinem Heimcomputer, dem angewählten Server und der gesuchten www-Adresse ein direkter ist, wird durch ein Aufsehen erregendes Experiment der diesjährigen steirischen Landesausstellung am Ausstellungsort Schloss Eggenberg eines Besseren belehrt. 30 bis 40 Computer können zwischen dem Surfer und der www-Adresse zwischengeschaltet sein, meint Univ.-Ass. DI Winfried Ritsch vom Institut für Elektronische Musik der Grazer Kunstuniversität, der Leiter des Projektes „Route-Tracer“.

„Im Internet wird’s immer weiße Flecken geben“ lautet die tröstliche Diagnose von Winfried Ritsch

Ziel ist eine in dieser Form erstmals durchgeführte Visualisierung des Internet. Dabei sollen durch das installierte PC-Netzwerk alle www-Adressen weltweit während der Ausstellungsdauer angewählt werden. Auf Grund der dabei gewonnenen Antworten der kontaktierten Server wird es möglich sein, eine Weltkarte des Internet entstehen zu lassen. Nicht nur das. Auf einer Projektionswand wird dieses sich ständig vergrößernde „Netz“ dreidimensional abgebildet.

Der „Dom im Berg“ ist selbst eine der interessantesten Attraktionen der Landesausstellung.

Map of the Known World
Mittels eines eigenen Joysticks kann man als „Navigator“ in diesem Computer-Netzwerk surfen und mit Hilfe von 3-D-Brillen sind bis zu 15 Landesausstellungs-BesucherInnen in der Lage, sich gleichzeitig auf die Reise durch die Welt dieses Kommunikationssystems zu machen. Ermöglicht wird diese Visualisierung durch Geräte des Instituts für maschinelles Sehen an der Technischen Universität Graz.
Da die für das Projekt benützten Computer auf einem eigenen „Experimentiertisch“ ohne Gehäuse aufgebaut sind, werden auch Einblicke in das Innenleben von PCs und in die Vernetzung zwischen den einzelnen Computern geboten.
Für Ritsch soll den AusstellungsbesucherInnen mit diesem Experiment die komplexe Organisation des Internet und die für dieses Medium typische dynamische Entwicklung nahe gebracht werden: „Für jeden kleinsten Punkt der Erde gibt es eine Landkarte, aber im Internet wird es immer weiße Flecken geben. Eine Grundidee von „Route-Tracer“ ist es daher, dass das Projekt unweigerlich scheitern muss, da die Welt des Internet allein während der Ausstellungsdauer um etwa 40 Millionen Computer anwachsen wird.“ Aber genau das, so Ritsch, mache die Faszination dieses Mediums aus.

„Neuromania“ im „Dom im Berg“ visualisiert Stressreaktionen auf Computerspiele.

Neuromania im Dom
Eine andere Form der Rückkoppelung zwischen Mensch und Cyberspace wird im „Dom im Berg“ vorgeführt: Dort werden im Rahmen des Projektes „Neuromania“ die Auswirkungen virtuellen Geschehens auf die menschliche Physis veranschaulicht. Den BesucherInnen steht eine Spielekonsole mit einem Videospiel zur Verfügung, das hohe Anforderungen an Konzentration und Reaktionsfähigkeit stellt. „Über Fingersensoren werden Bio-Daten wie Puls, Schweißabsonderung und Hauttemperatur abgenommen und auf einem Schirm visualisiert“, erläutert Dieter Tschermernig vom Institut für Informationssysteme des Joanneum Research, der das Projekt gemeinsam mit DI Franz Höller und mit Unterstützung durch das Wiener Unternehmen „Insight Instruments“ realisiert hat. „Ziel des Experimentes ist es, den Menschen vor Augen zu führen, dass der Körper auch dann starke Stresssymptome zeigt, wenn das Bewusstsein sich darüber im Klaren ist, dass die entsprechende Situation nicht real ist.“ Diese Erkenntnis, so Tschermernig, solle in Hinkunft auch bei der Gestaltung von User-Schnittstellen stärker Berücksichtigung finden, „um eine sozialverträgliche Kooperation des Menschen mit dem Cyberspace erreichen zu können.“
Joachim Hainzl, Christian Stenner
 


KUNST/KULTUR/2003