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"To transform desire
into law" – Legislatives Theater für Graz
Am Grazer Hauptplatz wacht seit einiger Zeit
täglich die Polizei über die „öffentliche Ordnung“ und manche
Wirtschaftstreibenden sprechen sich dafür aus, den Platz „frei zu
machen“ von den dort verweilenden Punks. Am Jakominiplatz soll eine Überwachungskamera
für ein neues „Sicherheitsgefühl“ sorgen und im Gemeinderat wird
wieder Stimmung gegen die BettlerInnen gemacht. Bei Konflikten im öffentlichen
Raum wird in Graz wieder vermehrt auf eine ideenlose Law-and-order-Strategie
zurückgegriffen. Dass es auch anders gehen kann, bewies der berühmte
brasilianische Theatermacher und Politiker Augusto Boal bei seinem Besuch
in Graz.
Vier Jahre lang, von 1993-96, praktizierte Augusto
Boal als Stadtrat der Partido dos Trabalhadores (PT) in der 12-Millionen-Stadt
Rio de Janeiro eine äußerst erfolgreiche Einbindung und Beteiligung
von BürgerInnen bei öffentlichen Konflikten und Gewaltsituationen.
Dazu wurde von ihm das so genannte „legislative Theater“ entwickelt. Boal:
„Es ist eine neue Form, um alle Methoden des von mir entwickelten ‚Theaters
der Unterdrückten‘ zur Umsetzung legislativer Vorschläge zu nutzen.
Da ich als Stadtrat Anrecht auf 25 Assistenten hatte, konnte ich gleich
eine ganze Theatergruppe anstellen.“ Insgesamt wurden unter Boal 19 Forumtheatergruppen
in ganz Rio gegründet, darunter eigene von SlumbewohnerInnen, Homosexuellen
oder misshandelten Frauen. „In den Stücken wurden“, so Boal, „von
ihnen ihre Wünsche ausgedrückt und gesetzliche Alternativen erarbeitet.
Insgesamt konnten 13 so entstandene Gesetzesanträge umgesetzt werden.
Das von uns eingebrachte Zeugen- und Opferschutzgesetz ermöglichte
erstmals die anonyme Vernehmung von Zeugen. Vorher wurden Zeugen eingeschüchtert
und die Täter konnten meist nicht verfolgt werden. Dieses Gesetz ist
inzwischen in ganz Brasilien gültig.“
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Legislatives Theater – ein Modell auch für Graz?
Augusto Boal im Gespräch mit Bgm. Alfred Stingl |
Forumtheater mit Grazer PolitikerInnen
Zum Abschluss seines Grazbesuchs, der auf Einladung
von InterACT - der Grazer Werkstatt für Theater und Soziokultur erfolgt
ist, fand am 9. April gemeinsam mit Boal eine ExpertInnentagung mit dem
Titel „To transform desire into law - Legislatives Theater als Weg
zur politischen Beteiligung und als Dialog zwischen Betroffenen und PolitikerInnen‘“
an der Universität Graz statt. Neben VertreterInnen von Kinder-, Jugend-
und Bürgerinitiativen sowie ExpertInnen der Stadtentwicklung setzten
sich auch Grazer PolitikerInnen der SPÖ, ÖVP und Grünen
auf kreative Art mit aktuellen Konflikten in der Stadt auseinander. Themen
waren etwa das Verhalten zu BettlerInnen im öffentlichen Raum sowie
der Rassismus gegenüber SchwarzafrikanerInnen. InterACT-Leiter Univ.Ass.
Dr. Michael Wrentschur zeigt sich begeistert vom Ergebnis: „Für
mich war eindrucksvoll, was innerhalb kurzer Zeit entstanden ist. Ausgehend
von eigenen Erfahrungen gelangten wir zu szenisch-theatralen Darstellungen
und Interventionen, um schließlich über Veränderungsansätze
zu diskutieren, die zur Formulierung von Gesetzestexten führten. Schließlich
wurden von den Gruppen präsentierte Gesetzesvorschläge im Plenum
zur Abstimmung gebracht.“
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Dr. Michael Wrentschur (InterAct): „Beim Stadtentwicklungsprojekt
Graz West soll legislatives Theater erstmals als eine Form der BürgerInnenbeteiligung
eingesetzt werden.“ |
Graz: Nachholbedarf in Sachen BürgerInnenbeteiligung?
Unter den TeilnehmerInnen war auch die SPÖ-Gemeinderätin
Elke
Edlinger: „Die Methode ist eine Bereicherung für die politische
Beteiligungsarbeit, dennoch bin ich hinsichtlich des Einsatzes legislativen
Theaters für Graz etwas skeptisch.“ Für sie gibt es zum einen
große Hemmschwellen zur Teilnahme und zum anderen fehle es in Graz,
im Unterschied etwa zu Linz, an einem politischen Konsens über Sinn,
Durchführung und Finanzmittel von Bürgerbeteiligungsprojekten.
Als Negativbeispiel dafür, dass Mitbestimmungspläne der Bevölkerung
zu wenig ernst genommen werden, nennt sie den Umgang mit den „AlltagsexpertInnen“
im Rahmen der Diskussionen um das neue Grazer Stadtentwicklungskonzept
im vergangenen Jahr.
Gerade in diesem Bereich sieht auch Wrentschur
ein Aktionsfeld für InterACT. Wrentschur: „Es gibt die Idee, legislatives
Theater beim geplanten Stadtentwicklungsprojekt Graz West als neue Form
der BürgerInnenbeteiligung einzusetzen, um besonders für jene
Gruppen neue Artikulationsmöglichkeiten zu schaffen, die sich sonst
kaum zu Wort melden können.“ Daneben würde Wrentschur es aber
auch begrüßen, wenn die Stadt bei verhärteten Konflikten,
wie jenem um den Grazer Hauptplatz, auf den Einsatz des Legislativen Theaters
in einem mediatorischen Sinne bauen würde. Man darf daher gespannt
sein, ob der Besuch Boals nachhaltige Folgen für die zukünftige
Realpolitik der „Menschenrechtsstadt“ und baldigen „Kulturhauptstadt“ zeitigen
wird.
„ÖNORM“ – Ein Forumtheater
zum alltäglichen Rassismus
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Das „Forumtheater“ wurde vor rund 40 Jahren vom
Brasilianer Augusto Boal entwickelt und hat sich seitdem in mehr als 70
Ländern der Welt verbreitet. Boal verbindet in seiner Arbeit die Lust
am Spiel, die Ästhetik des interaktiven Theaters mit gesellschaftspolitischem
Engagement und kreativer Konfliktlösung. In Kürze präsentiert
die Grazer Theatergruppe InterACT ihr neues Forumtheaterstück „ÖNORM“,
das von den persönlichen Erfahrungen der SchauspielerInnen mit Fremdenfeindlichkeit
und Rassismus ausgeht.
Das Stück spielt in einem bunten, sinnlich
überfüllten Supermarkt. Der Raum wird mit harmonischer Musik
überflutet. Das Bühnenbild ist Ausdruck für die Brüchigkeit
einer kulturellen Identität, die sich stark auf Konsum gründet.
In den Gängen des Supermarktes bewegen sich Menschen verschiedenen
Alters und Geschlechts. Die Normalität der alltäglichen Konsumhandlungen
wird jäh unterbrochen, als eine gänzlich andersartige,
„verhüllte“ Person auftaucht. Konfrontiert mit dem Fremden werden
zunächst zaghaft – dann immer dreister – Unsicherheiten, Ängste,
Gebote, Ideologien der verschiedenen KäuferInnen sicht- und spürbar.
Im Laufe des Stückes steigern sich schließlich subtile Abwertung
und Rassismus zu einem offenen Konflikt unter den KäuferInnen, bei
dem am Schluss keine/r mehr weiß, wie es nur geschehen konnte … Die
Frage, wie diese Geschichte wohl anders ausgehen könnte, wird schließlich
an das Publikum gestellt. Das Publikum kann der Geschichte einen anderen
Verlauf geben, indem es SchauspielerInnen, die im dargestellten Konflikt
ohnmächtig, ratlos oder unterdrückt erscheinen, ersetzt. Somit
entsteht eine öffentlich theatrale Diskussion, in der die ZuschauerInnen
alternative Handlungen und Handlungsweisen in der Szene ausprobieren können.
Die Gruppe InterACT – Werkstatt für Theater
und Soziokultur gebraucht das Theater als Werkzeug für Kommunikation
und Veränderung. So wird das Theater als kulturelle Ausdrucksform
den Menschen zugänglich und für die Kultur des Zusammenlebens
nutzbar. InterACT überwindet damit die Grenze zwischen Alltag, Kunst
und Kultur.
Premiere:
11. Mai 2001, 20:00 Uhr im Theatro, Neubaugasse
6, 8020 Graz
weitere Termine: 12., 14. und 15. Mai 2001,
jeweils 20:00 Uhr
Inter ACT – Werkstatt für Theater und
Soziokultur, Merangasse 70. Information, tel: 0316/380-2547
Kartenreservierung: Theatro, tel: 0316/716027
Bei unserem Kulturquiz
gibt’s 4 x 2 Eintrittskarten für das Forumtheater „Önorm“ zu
gewinnen!
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