11 / 2001
 
2003: „Niemand soll die Einsparungen merken“

Auch Wolfgang Lorenz ist ein Opfer des Nulldefizits: 50 (Bundes)Millionen weniger als geplant bekommt er für „2003“. Allen Hoffnungen aus der Grazer Kultur-Szene, dies könnte das Aus für die umstrittene Murinsel und gleichzeitig eine Umschichtung dadurch frei werdender Mittel in Kulturprojekte bedeuten (das Acconci-Projekt schlägt ja mit mindestens 70 Mio zu Buche), hat der Intendant aber eine Absage erteilt: „Die Murinsel wird gebaut“, hieß es kürzlich bei der Präsentation eines Insel-Modells.
Die Inszenierung vermischte dabei zwei Vorhaben, die nur vordergündig miteinander zu tun haben: Die lange geplante Murufersanierung, deren Umsetzung ebenfalls im Rahmen der Präsentation vorgestellt wurde, hätte nämlich schon realisiert werden können, hätte sie nicht wegen der Planung der Murinsel-Zugänge zurückgestellt werden müssen.

Das Titanic-Syndrom
Die Vorstellung der Murinsel selbst erinnerte ein wenig an die Präsentation des Betriebssystems „Windows“ durch Bill Gates: Bei einer Hochwasser-Simulation schwappten sofort einige Liter Wasser in das rote Stahlmodell. Mag dies auch tatsächlich den noch fehlenden Aufbauten geschuldet sein, wie Univ.-Prof. Günther Heigerth nicht müde wurde zu erklären: Überzeugen kann die trotz einer Größe von 770 Quadratmetern für maximal 350 Personen zugelassene Stahlplattform nicht wirklich. Von freiem Zugang kann angesichts dieser Beschränkung der Besucherzahlen nicht die Rede sein.
 
Skeptische Blicke auch bei Intendant Lorenz und Univ.-Prof. Heigerth: Das Murinsel-Modell ging bei der Hochwasser-Simulation fast baden

Umschichtungen von Kulturprojekten zur Murinsel
Kryptisch die Antwort von Wolfgang Lorenz auf die Frage, wie und wo die nun fehlenden 50 Millionen Schilling wieder hereingebracht werden sollen: „Mir wäre es am liebsten, niemand würde die Einsparungen merken.“ Es soll bei jenen Kulturprojekten gespart werden, für die es noch keine Verträge abgeschlossen wurden – womit 3,63 Mio EUR von Kulturprojekten zum Tourismus- und Gastronomieprojekt „Murinsel“ umgeschichtet werden.
Auch weitere Kleinigkeiten, so wie die Nachnutzung, bleiben ungeklärt. Lorenz hofft, dass die Grazer die Insel nicht mehr missen wollen, andernfalls wird sie abgebaut – und das war’s. Die noch vor einigen Monaten aus dem 2003-Büro gestreuten Gerüchte, es gebe bereits Interessenten für den Weiterbetrieb der Murinsel, dürften sich also wegen der hohen Betriebs- und Wartungskosten in Nichts aufgelöst haben.

„Gewählte VertreterInnen dürfen sich nicht entmündigen lassen“
Der grüne Gemeinderat Mag. Hermann Candussi, profiliertester Insel-Kritiker unter den Grazer StadtpolitikerInnen, will jedenfalls die Forderung nach einem Nachnutzungskonzept ins Stadtparlament einbringen: „Wenn Lorenz diese Forderung nicht erfüllt, darf die Stadt die nächste Tranche der Mittel für 2003 nicht freigeben. Das Intendanzprinzip kann nur so weit gelten, als es um die Gestaltung der Inhalte von 2003 geht; wenn aber die Stadtentwicklung von Lorenz’ Entscheidungen massiv betroffen ist, dürfen sich die gewählten VertreterInnen doch nicht einfach entmündigen lassen. Es war ja übereinstimmende Meinung aller Parteien, dass nur nachhaltige Projekte umgesetzt werden sollen, die auch über 2003 hinaus genutzt werden.“ Candussi erwägt auch, „verfassungsrechtlich prüfen zu lassen, wie weit ein ernannter Intendant in die Kernbereiche der Stadtpolitik eingreifen darf.“  
 

NOVEMBER-AUSGABE
KUNST /KULTUR / 2003