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Ausbeutbare Vielfalt
Multikulturalität in der Kunst bedeutet nicht automatisch
Gleichberechtigung der Kulturen.
Eine Jukebox in einem Wall von bestickten Sand-Stoff-Säcken, Papierstupas
mit Geldscheinen als „Abschlussstein“ aufgebaut in einem Meer von der Decke
hängender Heiligenamuletthalterungen, ein Frauenporträt, das
sich mit dem einer Katze schneidet, ein rosa Einkaufswagen – Eindrücke
aus Thailand, dem zeitgenössischen Thailand, dem Thailand fernab von
Traumständen und Sextourismus. Eva Ursprung hat unter dem Titel
„Visual Culture : Tourist Industry“ junge Künstler und Künstlerinnen
aus dem südostasiatischen Land ins Forum Stadtpark geholt, die eine
kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Tourismus, internationalem
Austausch von Waren, Gütern und Information und somit auch von Werten
und Einstellungen in ihren Arbeiten präsentieren: Globalität
gelebt in Thailand. Der kritische Blick wurde aber noch erweitert, indem
das Projekt „EMPOWER“, eine Selbsthilfe-Organisation, die neben allgemeiner
Unterstützung Prostituierten Bildungsprogramme anbietet, breiten
Raum in der Ausstellung erhielt.
Thailand, enthoben der Stigmatisierung zum „Dritte-Welt-Land“, enthoben
der Exotik, eingereiht in die Länder, die sich einer verstärkten
Internationalisierung gegenübersehen – auch im Kunstbereich. Welche
Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf Produktionsbedingungen und Rezeption
von Kunst, welche Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von KünstlerInnen,
welche Auswirkungen auf die internationale Kunstszene?
Trotz Multi-Kulti: Kunst-Rezeption wird vom
Westen bestimmt
Jay Koh, Künstler, Kurator und Kunsttheoretiker, stellte
sich diesen Fragen in seinem Vortrag „Facets of Borders“. „Ich selbst bin
ein Hybrid“, konstatiert Koh; gefragt nach seiner Heimat nennt er allerdings
– nachdem er 22 Jahre in Köln gelebt und gearbeitet hat – Südost-Asien.
Kritisch setzt er die Kunstproduktion in Asien in Zusammenhang mit weltwirtschaftlichen
Gegebenheiten und beginnt seine Ausführungen mit der provokanten Aussage:
„Wenn die kulturelle Grundlage des Kolonialismus der Rassismus war, so
ist es nun im Neokolonialismus der Multikulturalismus“, der zwar – an der
Oberfläche – die unterschiedlichen Kulturen in friedlicher Koexistenz
anerkenne, aber doch einem hierarchischen System unterliege. Im globalen
Kontext sehe man sich auch in der Kunstszene einer Rezeption gegenüber,
die vom „Westen“, von den Kunstzentren der „reichen Welt“ bestimmt werde.
Andererseits ortet er eine Ausbeutung neuer Ordnung, sei bis vor kurzem
Konformismus und Assimilation gefragt gewesen, sei das neue Schlagwort
nun „Vielfalt“.
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Jay Koh:
„KünstlerInnen werden nach
Europa eingeladen, um die eigene
europäische Identität zu stärken.“ |
Die Bedürfnisse der ImmigrantInnen bleiben
ungehört
Jay Koh beobachtet in Europa zunehmend die Tendenz, KünstlerInnen
aus fremden Kulturen einzuladen, konkrete Arbeiten, Gedanken und Zugänge
zu präsentieren, um die eigene europäische Identität zu
stärken. Im Falle Deutschlands, wo er selbst über zwei Jahrzehnte
gearbeitet hat, würden diese KünstlerInnen, welche meist eine
privilegierte Position haben, von der Gesellschaft zu „Botschaftern deutscher
Kultur im Zeitalter des Multikulturalismus gemacht“, ohne dass die Bedürfnisse
der eigentlichen ImmigrantInnen gehört würden.
Damit geschieht nichts anders, als in der globalen Ökonomie zu
beobachten ist; im Kampf zur Erhaltung der Biodiversität wird Rohmaterial
– genetischer und biologischer Art – aus dem so genannten Süden akquiriert,
westlich szientische Instrumente legitimieren den Raubbau. Konsumismus
und dessen Wertesystem gelte es zu entlarven – in Thailand und weltweit.
So setzt die Performance „Pink Man“ des Fotografen Manit Sriwanichpoom
ein grelles Zeichen gegen die stetig wachsende Konsumkultur. Die Inszenierung
stammt aus Thailand – nun sah man Sompong Tawee als „Pink Man“ seinen Einkaufswagen
durch die Straßen von Graz schieben.
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