07 / 2000
  Ausbeutbare Vielfalt

Multikulturalität in der Kunst bedeutet nicht  automatisch Gleichberechtigung der Kulturen.

Eine Jukebox in einem Wall von bestickten Sand-Stoff-Säcken, Papierstupas mit Geldscheinen als „Abschlussstein“ aufgebaut in einem Meer von der Decke hängender Heiligenamuletthalterungen, ein Frauenporträt, das sich mit dem einer Katze schneidet, ein rosa Einkaufswagen – Eindrücke aus Thailand, dem zeitgenössischen Thailand, dem Thailand fernab von Traumständen und Sextourismus. Eva Ursprung hat unter dem Titel „Visual Culture : Tourist Industry“ junge Künstler und Künstlerinnen aus dem südostasiatischen Land ins Forum Stadtpark geholt, die eine kritische Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Tourismus, internationalem Austausch von Waren, Gütern und Information und somit auch von Werten und Einstellungen in ihren Arbeiten präsentieren: Globalität gelebt in Thailand. Der kritische Blick wurde aber noch erweitert, indem das Projekt „EMPOWER“, eine Selbsthilfe-Organisation, die neben allgemeiner Unterstützung Prostituierten Bildungsprogramme  anbietet, breiten Raum in der Ausstellung erhielt. 
Thailand, enthoben der Stigmatisierung zum „Dritte-Welt-Land“, enthoben der Exotik, eingereiht in die Länder, die sich einer verstärkten Internationalisierung gegenübersehen – auch im Kunstbereich. Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf Produktionsbedingungen und Rezeption von Kunst, welche Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von KünstlerInnen, welche Auswirkungen auf die internationale Kunstszene?

Trotz Multi-Kulti: Kunst-Rezeption wird vom Westen bestimmt
Jay Koh, Künstler, Kurator und Kunsttheoretiker, stellte sich diesen Fragen in seinem Vortrag „Facets of Borders“. „Ich selbst bin ein Hybrid“, konstatiert Koh; gefragt nach seiner Heimat nennt er allerdings – nachdem er 22 Jahre in Köln gelebt und gearbeitet hat – Südost-Asien. Kritisch setzt er die Kunstproduktion in Asien in Zusammenhang mit weltwirtschaftlichen Gegebenheiten und beginnt seine Ausführungen mit der provokanten Aussage: „Wenn die kulturelle Grundlage des Kolonialismus der Rassismus war, so ist es nun im Neokolonialismus der Multikulturalismus“, der zwar – an der Oberfläche – die unterschiedlichen Kulturen in friedlicher Koexistenz anerkenne, aber doch einem hierarchischen System unterliege. Im globalen Kontext sehe man sich auch in der Kunstszene einer Rezeption gegenüber, die vom „Westen“, von den Kunstzentren der „reichen Welt“ bestimmt werde. Andererseits ortet er eine Ausbeutung neuer Ordnung, sei bis vor kurzem Konformismus und Assimilation gefragt gewesen, sei das neue Schlagwort nun „Vielfalt“.
 

Jay Koh: 
„KünstlerInnen werden nach 
Europa eingeladen, um die eigene 
europäische Identität zu stärken.“

Die Bedürfnisse der ImmigrantInnen bleiben ungehört
Jay Koh beobachtet in Europa zunehmend die Tendenz, KünstlerInnen aus fremden Kulturen einzuladen, konkrete Arbeiten, Gedanken und Zugänge zu präsentieren, um die eigene europäische Identität zu stärken. Im Falle Deutschlands, wo er selbst über zwei Jahrzehnte gearbeitet hat, würden diese KünstlerInnen, welche meist eine privilegierte Position haben, von der Gesellschaft zu „Botschaftern deutscher Kultur im Zeitalter des Multikulturalismus gemacht“, ohne dass die Bedürfnisse der eigentlichen ImmigrantInnen gehört würden. 
Damit geschieht nichts anders, als in der globalen Ökonomie zu beobachten ist; im Kampf zur Erhaltung der Biodiversität wird Rohmaterial – genetischer und biologischer Art – aus dem so genannten Süden akquiriert, westlich szientische Instrumente legitimieren den Raubbau. Konsumismus und dessen Wertesystem gelte es zu entlarven – in Thailand und weltweit. So setzt die Performance „Pink Man“ des Fotografen Manit Sriwanichpoom ein grelles Zeichen gegen die stetig wachsende Konsumkultur. Die Inszenierung stammt aus Thailand – nun sah man Sompong Tawee als „Pink Man“ seinen Einkaufswagen durch die Straßen von Graz schieben. 
 
Margit Franz

 

 
JULI AUSGABE GLOBAL CORNER