02 / 2002
  "Keine Ost-Erweiterung der EU, sondern Vereinigung Europas"

Jörg Haider greift den Verfassungsgerichtshof an, um deutsch-/slowenischsprachige Ortstafeln in Kärnten zu verhindern, in anderen Zusammenhängen bemüht man sich um die Herstellung guter Beziehungen zu unserem Nachbarland, das in zwei Jahren Mitglied der EU werden wird.

Univ.-Prof. Arnold Suppan, Leiter einer Historikerkommission, die die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien im 20. Jahrhundert untersucht, gab in seinem einleitenden Referat bei der Gesellschaftpolitischen Tagung 2002 der Katholischen Aktion einen historischen Abriss über die Geschichte und Staatswerdung Sloweniens, das vor etwas mehr als 10 Jahren unabhängig wurde, und betonte dabei, dass die nationale Frage sowohl in der Emanzipationsbewegung während der Habsburgermonarchie als auch im Aufstand gegen Belgrad 1988 im Mittelpunkt stand. Mit der Unabhängigkeit erfolgte eine Hinwendung zum Westen. Suppan strich hervor, dass am Ende des 20. Jahrhunderts dennoch nicht von einem Ende der Geschichte gesprochen werden könne. Die Auswirkungen der beiden Weltkriege seien nach wie vor spürbar, die alten Bilder werden an die nächste Generation weitergegeben. Er kritisierte das geringe Interesse der EU an historischen Fragen und rief dazu auf, die Leichen im Keller "ordentlich zu bestatten."

Vereinigung Europas
Auch Lojze Peterle, erster demokratisch gewählter Ministerpräsident Sloweniens von 1990-1992, betonte die historische Herausforderung, den Beitritt der Länder des ehemaligen Ostblocks nicht als Erweiterung der EU, sondern als Vereinigung Europas zu begreifen. Alt-Landeshauptmann Josef Krainer, Mitglied der Alpen-Adria-Bewegung, die sich schon vor der Öffnung des Ostens um gute Beziehungen der Länder Mitteleuropas bemühte, forderte Österreich auf, Slowenien beim Beitritt zu unterstützen. Dass hier bereits Chancen vertan werden, war die einhellige Meinung des Publikums. Dennoch wollte Krainer nichts zu den jüngsten Haider-Äußerungen sagen.
 

Alt-LH Josef Krainer bei der Tagung: 
Slowenien beim Beitritt unterstützen

Den zweiten Teil des Nachmittags bestritten drei junge SlowenInnen, die einige Zeit in Österreich gelebt hatten. Natasa Cotman, Literaturwissenschaftsstudentin aus Ljubljana, referierte über die Literatur, deren Themen Verschlossenheit, passives Leiden, verbunden mit einer Sehnsucht nach Autonomie die slowenische Geschichte widerspiegelt. Literatur wurde zum Surrogat für nationale Identiät, der Mythos von Sehnsucht ist mit der Selbständigkeit aus der slowenischen Literatur verschwunden. Im ehemaligen "Land der Verleger und Schriftsteller" haben nach einer jüngsten Umfrage 40 Prozent im letzten Jahr kein Buch gelesen.

Romana Scheiblmaier


 
FEBRUAR-AUSGABE
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