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„Menschenrechte
auch für Terroristen“
Eine prominente Runde von Lehrenden hat am 27. September 2001 im
fast leeren Hörsaal A der Grazer Vorklinik das Thema „Krieg &
Terror – Angriff auf Demokratie und Ökonomie?“ diskutiert. Der Anspruch
des Gastherrn Rektor Lothar Zechlin war hoch gegriffen: Nicht Meinungen
sollten zu hören sein, sondern schlicht die Stimme der Wissenschaft.
Deren Vertreter versprachen schließlich die (gesellschafts-)politische
Potenz der Universität für einen Dialog der Kulturen zu nutzen,
der dem vermeintlichen „Clash of Civilizations“ entgegen zu halten sei.
Kommt der große Krieg? Und wie sieht es mit den (völker)rechtlichen
Grundlagen zu einem Vergeltungsschlag aus? Wie definieren sich die „neuen
Dimensionen des Terrors“? Und haben auch Terroristen ein Recht auf Menschenrechte?
Wie ist das tatsächliche Verhältnis des Islam zur Gewalt? Wie
reagiert die Weltwirtschaft? Und wie weit stehen die – auch hierzulande
angestrebten – Maßnamen zur Sicherheit und Verbrechensbekämpfung
im Einklang mit den Freiheitsrechten des Menschen? - Fragen, die derzeit
so präsent sind, dass auch die Universität nicht umhin könne
sich ihrer Verantwortung zu stellen und Antworten zu suchen, meinte Rektor
Zechlin. Am Podium des großen Hörsaales saßen mit einer
Ausnahme ausschließlich Professoren und Professorinnen der Karl-Franzens-Universität.
Dennoch mussten wissenschaftlich fundierte Aussagen und komplexe Analysen
ausbleiben, da Moderator Karl Kaser eine beschränkte Redezeit
einforderte, um auch dem Publikum eine Teilnahme an der Diskussion zu ermöglichen.
So war, was an diesem Abend zusammengetragen wurde, nicht sehr verschieden
vom Grundtenor des Feuilletons der letzten Tage.
Der Zeitgeschichtler Helmut Konrad etwa betonte den fundamental
neuen Charakter eines Terrors, der keine sichtbaren politischen Ziele verfolge,
sondern Symbole angreife und nicht versuche Zivilisten zu schonen.
US-Militärschlag: Risiko für Weltfrieden
Karl Prenner, Islamist vom Institut für Religionswissenschaft,
ergänzte, dass solch ein unheiliger Anschlag durchaus im Widerspruch
zum Islam und zu dessen Tradition des Heiligen Krieges stehe, da das islamische
Recht dem Gläubigen jedes blindwütige Morden von Zivilisten verbiete.
Auch könne der Dschihad nur von Staaten bzw. Staatsoberhäuptern
ausgerufen werden, nicht jedoch von einem Terroristen wie etwa Osama Bin
Laden, welcher, so Prenner, nur die Ziele einer extremen Splittergruppe
des politischen Islam vertrete und niemals die gesamte, äußerst
heterogene Religionsgemeinschaft. Sehr wohl aber sei die kriegerische Bedrohung
eines Islamischen Staates durch „Ungläubige“ Grund für den Heiligen
Krieg, so dass der Gegenschlag der USA wohl das größte Risiko
für den Weltfrieden darstelle. Die Gefahr bestehe darin, dass bei
einer Überreaktion der Vereinigten Staaten auch gemäßigte
islamische Kreise radikalisiert würden.
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Völkerrechtler Wolfgang Benedek: Erschreckt durch Parallelen
zum Attentat von Sarajevo
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Dies könnte jedoch, so Wolfgang Benedek vom Institut für
Völkerrecht, auch Ziel der Terroristen sein. Der Anschlag sei eine
ganz große Provokation, die, so Benedek, eine ebenso große
Reaktion will. Die Parallelen zum schicksalhaften Attentat von Sajarevo
würden ihn erschrecken, zumal eine Art „dritter Weltkrieg“ durchaus
in das apokalyptische Weltbild fundamentalistischer Organisationen passe.
Statt eines radikalen Alleinganges der USA wünschte sich Benedek daher
eine verstärkte Einbindung der internationalen Gemeinschaft und ein
Umdenken in der Nahostpolitik. Dies auch auf Grund der vagen völkerrechtlichen
Basis eines militärischen „Selbstverteidigungsaktes“. Ex-Rektor Wolf
Rauch meldete sich aus dem Publikum mit der Beobachtung zu Wort, dass der
Krieg der Kulturen oder gar der Religionen - genau so wie in Nordirland
- nur einen Vorwand abgebe für den Krieg der Privilegierten gegen
die Unterprivilegierten. War der Akt des Terrors nicht ein Aufschrei, wurde
gefragt.
Aufhorchen ließ die Völkerrechtlerin Renate Kicker,
die in eindrucksvollen Worten darauf hinwies, dass Menschenrechte auch
für Terroristen Gültigkeit haben. „Wenn wir das vergessen, stellen
wir uns mit den Terroristen auf eine Stufe“, so Kicker. Die Menschenrechte
wurden auch im Zuge von Spekulationen über eine weltweit neue Sicherheitspolitik
angesprochen, welche mühsam errungene Gleichgewichte zwischen Militär,
Polizei und Geheimdiensten aufbrechen könnte. Diese zivilisatorischen
Errungenschaften gelte es zu bewahren, wie überhaupt der Westen seinem
Selbstbild nur gerecht werde, wenn er sich in der Lage zeige „zivilisiert“
zu reagieren. In diesem Kontext rief Angelika Vauti vom Afro-Asiatischen
Institut dazu auf, die Universität als Ort eines kultivierten Dialoges
der Kulturen einzubringen und von hier aus gegen eine einseitige Polarisierung
der Gesellschaft wie der Weltpolitik zu wirken.
Einen eigenen Themenkreis sprach der Volkswirt Gerhard Wohlfahrt
an, der vor Augen führte, dass in Krisensituationen nicht der
reale Schaden die Weltwirtschaft beeinflusse, sondern die oft irrationalen
Entwicklungen an den Börsen. Diese hätten gezeigt wie notwendig
ein staatliches Eingreifen für den Aktienmarkt sei. Die Freiheit des
(Börsen-)Marktes müsse auch zur Diskussion gestellt werden, wenn
Terroristen dort Insiderwissen nützen und hohe Gewinne einfahren.
Zu brennenden Fragen der Stunde wurden also nicht nur Antworten,
sondern auch neue Fragen gefunden …
Hermann Götz
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