10 / 2000
  „Man hat das Gefühl, dass man nichts wert ist“

60% der Grazer TaxilenkerInnen sind ausländischer Herkunft. In den letzten Monaten werden sie immer häufiger zu Opfern rassistischer Übergriffe – von Verbalattacken bis zu tätlichen Angriffen.

Abdullah I. (Name v.d. Red. geändert)  ist kein gesprächiger Taxifahrer. Sein Blick ist starr auf die Straße gerichtet, meiner Bitte, eine bestimmte Route zu fahren, ist er wortlos sofort nachgekommen. Er hustet ununterbrochen – darüber kommen wir schließlich doch ins Reden. Er rauche zu viel, erklärt er – „so drei, vier Schachteln am Tag. Das ist, weil ich meine Arbeit hasse.” Warum? Da bricht es aus ihm heraus: Von den Kunden schlage ihm nur Feindseligkeit entgegen, „man hat das Gefühl, dass man nichts wert ist. Vor kurzem ist wieder ein Kollege am Glockenspielplatz zusammengeschlagen worden.” Während der sich noch aufrappelte, seien die zwei Schläger anstandslos bei einem einheimischen Taxilenker, der die Szene beobachtet hatte, eingestiegen und weggefahren.
Im Wissen, dass noch diese Woche eine Taxifahrer-Kundgebung  gegen rassistische Übergriffe stattfinden wird, erkundige ich mich, ob I. daran teilnehmen wird. Er wird sofort äußerst misstrauisch und behauptet, nichts davon zu wissen. Schließlich kann ich ihn doch davon überzeugen, dass seine Befürchtungen grundlos sind; da kramt I. ein Ankündigungsflugblatt aus dem Handschuhfach und überreicht es mir, nicht ohne hinzuzufügen: „Hoffentlich schlägt uns die Polizei dort nicht.”

Wie man mit Österreichern redet
Hosein Kananian lebt seit über 20 Jahren in Österreich, ist österreichischer Staatsbürger und seit 11 Jahren Taxiunternehmer. Sein Hochdeutsch ist perfekt – mit leichtem Grazer Einschlag. Und dennoch, erzählt er, komme es immer wieder – „und in letzter Zeit immer öfter” – vor, dass er von Fahrgästen angepöbelt wird. Manchmal folgt den Schimpftiraden über die „Scheiß-Ausländer” auch ein körperlicher Angriff: „Letzthin hab‘ ich von einem Betrunkenen einen Schlag von hinten über den Kopf bekommen.”
Dass Kananian gemeinsam mit anderen Unternehmern und Taxifahrern die Initiative für eine Kundgebung ergriffen hat, ist auf einen Vorfall zurückzuführen, der sich jüngst ereignet hat: Der Taxilenker Mamdou Souliman war zu einem Lokal in der Neutorgasse gerufen worden. „Dort wollten dann gleich fünf junge Leute einsteigen.” Als er ihnen dies verwehrte und nur vier mitnehmen wollte, kam’s zum Handgemenge, Souliman wurde niedergeschlagen. Nach einer Verfolgungsjagd gelang es, einige der Beteiligten festzuhalten. Einer der herbeigerufenen Polizisten habe ihm zu verstehen gegeben, dass es Zeit werde, dass er lerne, wie man mit Österreichern reden müsse.

„Vielleicht sollten wir uns mit einer Glaswand schützen”
Ähnliche Erfahrungen äußert Ashraf P.: „Beschimpfungen und Beleidigungen nehmen zu.” Was man dagegen tun könne? P. zuckt die Achseln: „Vielleicht sollten wir uns wie in Amerika oder England durch eine Glaswand schützen.” Khedar Shadman, Geschäftsführer des AusländerInnenbeirates der Stadt Graz, hofft auf andere Lösungen: In Kürze soll ein Gespräch zwischen VertreterInnen der Taxilenker, dem Ausländerbeirat und den politisch Verantwortlichen stattfinden. Eine der wichtigsten Forderungen des Ausländerbeirates ist die Schaffung eines Antidiskriminierungsgesetzes. 
 

Ausländische Taxifahrer in Graz: Müssen sie sich in ihren Taxis bald mit einer Trennscheibe vor rassistischen Übergriffen schützen?

Damit könnten etwa Anrufer, die ein „ausländerfreies Taxi” verlangen, klar zurückgewiesen werden. Aber, so P.: „Oft sind es gar nicht die Anrufer, sondern die Mitarbeiter in den Funkzentralen, die einen Kundenruf so lange zurückhalten, bis sich statt eines Mohammed oder Ahmed ein Franz meldet.”
Bei der Kundgebung am 29. September versammeln sich schließlich einige hundert Taxilenker und -unternehmer am Hauptplatz. Aus der Stadt- und Landespolitik gibt es erfreuliche Solidaritätsstatements von Bürgermeister Alfred Stingl (SPÖ), LAbg. Eva Karisch (ÖVP) und LAbg. Edith Zitz (Grüne). Sonst sind allerdings kaum GrazerInnen da – auch nicht die einheimischen KollegInnen der Betroffenen. Dafür macht die Taxigruppe 889 von sich reden: Ihr Chef wirbt damit, nur „freundliche und inländische Fahrer” einzusetzen …
Christian Stenner

 

 
OKTOBER-AUSGABE GLOBAL CORNER