12 / 2001
  Flüchtlings-Kinder haben Rechte

In Graz fand vom 23.-25. November der internationale Kongress "Implementing Children’s Rights On Community Level" statt, der vom Verein Omega mit Unterstützung des Innenministeriums und des Daphne-Programmes der EU veranstaltet wurde. Ziel des Kongresses war die Vernetzung von Kinderrechts-Organisationen aus verschiedenen Ländern. 

Jedes Jahr kommen 800 – 1000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Österreich. Wie viele schon vorher an der Grenze zurückgewiesen oder menschenrechtswidrig ohne Verfahren abgeschoben werden, ist nicht bekannt. Nur wenige gelangen legal ins Land. Viele müssen sich in der Illegalität durchschlagen, werden aufgegriffen, festgehalten und fremdenpolizeilich ohne Rechtsbeistand verhört, obwohl die UN-Kinderrechtskonvention ausdrücklich auf die besondere Beistandsverpflichtung des Staates gegenüber Flüchtlingskindern hinweist. Die Asylverfahren ziehen sich oft jahrelang hin; 1999 wurden nur 2 % positiv abgeschlossen. Während das Asylverfahren läuft, werden die Kinder häufig herumgeschoben oder sogar in Schubhaft genommen (1999 befanden sich 597 Minderjährige in Schubhaft), ohne Beschäftigungsmöglichkeit, in ständiger Angst vor einer Abschiebung. Viele Kinder entwickeln aufgrund traumatischer Erfahrungen und mangelnder sozialer Unterstützung mentale Probleme. Das Kinderrechtskomitee in Genf hat der österreichischen Bundesregierung 1999 eine Rüge wegen mangelnder Beachtung der Rechte minderjähriger Flüchtlinge erteilt.
Im April 2001 startete in Graz das Pilotprojekt "Welcome", eine Clearingstelle, die auf die Bedürfnisse der Kinder in den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft eingeht. Neben der Sicherstellung von Unterkunft und Verpflegung werden auch Deutschunterricht und Orientierungskurse zur sozialen Integration und psychologische Betreuung angeboten. Caritas, Omega und Zebra, die gemeinsam diese Clearingstelle betreiben, betreuten heuer 130 minderjährige Flüchtlinge von 150, die nach Graz kamen. Die meisten von ihnen wurden im Franziskushaus der Caritas untergebracht. 

"Der politische Wille zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen fehlt"
Für KORSO sprach Romana Scheiblmayr mit Svetlana Broz, Obfrau von Medjasi, der "Ersten Kinder-Botschaft", die 1991 in Bosnien gegründet wurde, nach ihrer Eröffnungsrede beim Kongress.

Welche Rolle spielte Medjasi während des Krieges in Bosnien?
Medjasi wurde von einigen bosnischen Intellektuellen gegründet, die ahnten, dass ein großes Unglück auf Bosnien zukommen würde. Sie wollten die Kinder vor diesem Hass schützen und ihnen menschliche Werte zeigen. Ein Jahr nach der Gründung dieser NGO begann der Krieg. Während der dreieinhalbjährigen Belagerung von Sarajewo wurden allein dort 1602 Kinder ermordet. Medjasi hat während des Krieges mehr als 50.000 Kinder aus Bosnien hinausgebracht und sie so gerettet. Nach dem Krieg begannen wir, unsere Aktivitäten darauf zu konzentrieren, Beweise gegen Kriegsverbrecher zu sammeln, die Kinder ermordet haben. Der politische Wille zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen fehlt. Also machen wir diese Arbeit. Wenn wir genug Beweise gesammelt haben, übergeben wir das Material dem Staatsanwalt.

Warum ist es ihrer Ansicht nach so wichtig, dass die Verbrecher bestraft werden?
Wenn eine Gesellschaft ihre Wunden heilen will, muss sie dafür sorgen, Normalität herzustellen. Der erste Schritt zur Normalisierung ist, diejenigen aus der Gesellschaft rauszunehmen, die Kriegsverbrecher waren, als erstes diejenigen, die Kinder ermordet haben. Das ist ein Zeichen für andere, dass in Zukunft solche Verbrechen nicht unbestraft bleiben. 

In wie vielen Fällen waren Sie bisher erfolgreich?
Vergangenen Sommer wurde in Bosnien zum ersten Mal jemand als Kriegsverbrecher gegen Kinder verurteilt. 17 weitere Verfahren laufen noch. In einer Umgebung, in der Kriegsverbrecher zu "nationalen Helden" erklärt werden, ist ein erfolgreicher Prozess bemerkenswert. Unsere Arbeit ist deshalb so wichtig, weil niemand über Kriegsverbrechen reden will, die Mehrheit der Gesellschaft redet lieber über "normale" Verbrechen.
 

Svetlana Broz: „Unsere Arbeit ist deswegen so wichtig, weil niemand über Kriegsverbrechen an Kindern reden will.“
 

 
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