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Von der Parteien-
zur ‚Medien‘demokratie?
Das Politik heutzutage in großem Ausmaß über die
Medien abgewickelt wird, ist ein ebenso manifester wie oftmals beklagter
Umstand. Eine Ende September in der Otto Möbes Akademie von der Steirischen
Arbeiterkammer und vom ÖGB im Rahmen der Stiftingtaler Gespräche
abgehaltene Vortragsveranstaltung illustrierte, dass es jedoch auf beiden
Seiten so etwas wie eine Begierde nach Instrumentalisierung des jeweils
anderen Bereichs gibt. AK-Präsident Walter Rotschädl erinnerte
im Begrüßungsstatement daran, dass es zumindest ein prominentes
Eingeständnis für die Vorselektion von Themen bzw. Positionen
in Medien gibt: Hans Dichand bedauerte noch nachträglich die seinerzeit
in der Kronenzeitung vehement verbreitete EU-Euphorie.
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ORF-Redakteur Dittlbacher (l.): Politik
lässt Medien in Österreich austrocknen;
Medienkritiker Meyer: Kritik an einer Politik „für
den Augenblick“ |
Als Referenten eingeladen waren zum einen der Dortmunder Politik- und
Kommunikationswissenschaftler Univ.Prof. Dr. Thomas Meyer, der in
seinem Bestseller „Mediokratie“ (Surkamp) die These der medialen Inszenierung
von Politik radikal vertritt, andererseits der ZIB-Chefreporter Dr.
Fritz Dittlbacher, der als Medienmacher den Globalvorwurf der Politikbemächtigung
durch den Journalismus zurückweist.
Bezogen aufs Thema „Machen Medien die Politik?“ hätte man wohl
keine besseren Exponenten zusammen bringen können, um das komplexe,
dynamische (und wohl auch innige) Verhältnis zwischen „Machtsystem“
und „Mediensystem“ zu diskutieren.
Für begrenzte Themen eine gemeinsame Aufmerksamkeit herstellen,
das ist nach Meyer Aufgabe der Medien; gemeinsam über gesamtgesellschaftlich
verbindliche Regeln entscheiden, das leistet, bzw. das soll die Politik
leisten. Dabei war die Politik natürlich immer schon existenziell
angewiesen auf die Medien, die in modernen Parteiendemokratien nicht nur
vorab Interessenausgleichherstellten mussten, sondern auch die Programmdiskussionen
und die Dokumentation der Umsetzung in die Breite zu tragen hatten. Das
Neue und Beklagte ist der Umstand, dass für diese Auseinandersetzung
nun nicht mehr die Zeithorizonte der Politik gelten, sondern die (durch
die spezifischen Markt- und Konkurrenzmechanismen getriebenen) Medien das
Tempo und die Strukturen für die Kommunikation vorgeben (Meyer). Schon
Mitte der 60er Jahre hat Johan Galtung wesentliche Filter für
die Selektion von Themen durch die Kommunikationsmedien geortet:
1. Innerhalb der Medien herrschen eigene Vorstellungen über Wert
(oder Unwert) der Meldungen, die über die komparative Skala als Nachrichtenfaktoren
gewertet werden. Winfried Schulz hat diese These noch verschärft
und postuliert, dass überhaupt nur solche Themen zum Zug kommen, die
von Redakteuren als berichtenswert erachtet werden.
2. In der Konkurrenzsituation sehen sich die Medien gezwungen, permanent
mögliche Flautengefahr zu antizipieren. Aus der Interpretation der
Ableseergebnisse der Seher-, Hörer- und Leserzahlen, die die momentane
Höhe des Anzeigenpreises bestimmen und die allesamt auf augenblickliches
Publikumsinteresse abstellen, wird die Kritik an öffentlich-rechtlichen
und Qualitätsmedien festgemacht. Die Dominanz des Augenblicklichen
steht politischer Verständigung auch wesenhaft entgegen, weil man
sich bei letzterer über Lösungen einigen soll, die zumindest
mittelfristig Geltung haben müssen. Der Zwang zur „einzelpersonbezogenen
Ereignishaftigkeit“ jeder „verkaufbaren“ Meldung lässt adäquate
Berichterstattung über politische Prozesse praktisch nicht zu. An
politischen Vorgängen sind viele oder zumindest zu viele Personen
über zu lange Zeitabschnitte beteiligt, als dass – aus der Ökonomie
der Medien gesehen nutzbringend – angemessen darüber berichtet werden
könnte.
Auf diese Weise ist die Demokratie, so Meyer, letztlich zur Mediokratie
verkommen. In den USA arbeiten bereits mehr Journalisten in der Politik
als in den Medien und auch hierzulande holt man sich immer öfter Medienmacher
in die Partei- und Regierungsbüros und glaubt, dadurch „die Dinge
in den Griff zu bekommen“.
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Stiftingtaler Referenten Dittlbacher, Meyer, Rotschädl,
Pöschl:
Politik muss den Zwang abschütteln, sich ausschließlich
ereignishaft zu vermitteln
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Ersparte Lügen...
Die Technik, sich durch geschicktes Arrangieren von Bildern die explizite
Lüge zu ersparen, kann, wenn es um fundamentale Entscheidungen für
die Gesellschaft geht, zur Falle werden: Als während der Reagan-Amtszeit
das US-Schulbudget drastisch gekürzt wurde, verabfolgte man die entsprechende
Meldung, während man den Präsidenten in hingebungsvoll-engagiertem
Gespräch mit kids auf der Schulbank zeigte, was dazu führte,
dass eine öffentliche Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieser
Budgetkürzung unterblieb.
Zwischen Oligopol und Monopol
Für den Medien-Universalisten Fritz Dittlbacher (früher Arbeiterzeitung,
danach Hörfunk-Journalredaktion, jetzt Chefreporter beim aktuellen
Dienst – Fernsehen) besteht kein Zweifel, dass die „Kolonialisierung“ auch
in die andere Richtung läuft, d.h., Politik sich der Medien
zu bemächtigen versucht. Aktuell markantestes Beispiel ist die Tatsache
der „eingerichteten“ ÖVP-Mehrheit im ORF-Stiftungsrat.
Österreich ohne mediale Gegenöffentlichkeit
Dittlbacher beklagt die immer trister werdende österreichische
Medienlandschaft: Neben Print-Oligopol (Krone) und ORF-Monopol gibt es
praktisch keine mediale Gegenöffentlichkeit mehr. Mit 850.000 Exemplaren
Tagesauflage wäre die Kronenzeitung die fünftgrößte
Tageszeitung der USA. Während in der Schweiz 103 Tageszeitungen erscheinen,
schaffen es in Österreich gegenwärtig gerade einmal 15 Stück,
nur sieben davon sind selbstständig (ohne Förderung) überlebensfähig.
Das Ganze will sagen, dass die Politik doch auch Medien „macht“.
Nicht für alle unerwünschten Entwicklungen sind die Medien
zur Verantwortung zu ziehen, wie etwa der unglückliche Auftritt von
Verzetnitsch-Stellvertreterin Renate Czörgits (nach dem Rücktritt
des Postgewerkschafts-Vorsitzenden) in der „Zeit im Bild“ gezeigt hat.
Dagegen hat sich, so Dittlbacher, die Bundeswirtschaftskammer nach
der Maderthaner-Krise durch transparentes und glaubwürdiges Auftreten
relativ rasch erholt.
Der steirische ÖGB-Vorsitzende und Co-Gastgeber bei den Stiftingtaler
Gesprächen, Walter Pöschl, bekannte sich im Abschluss-Statement
denn auch vorbehaltlos zu den Medien als unverzichtbaren Bestandteil von
modernen und offenen Demokratien.
Dieter Kordik
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