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Landtag: Wählen
oder abschaffen?
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Sparen ist in Mode: Die angestrengten Bemühungen um ein Nulldefizit
machen vor keinem Tabu halt. Jetzt soll der Rotstift auch an den föderalen
Strukturen der Republik angesetzt werden. In der Tat – die Sparpotenziale
scheinen auf den ersten Blick gewaltig: So meint etwa Rechnungshofpräsident
Franz Fiedler, dass eine Totalreform der öffentlichen Verwaltung durch
die Streichung der Landtage aus der Verfassung jährlich unglaubliche
50 Milliarden Schilling an eingesparten Kosten brächte. Auf der anderen
Seite stehen jene, die in der Abschaffung föderaler Strukturen einen
Angriff auf die Demokratie sehen. |
Sind die diesjährigen Landtagswahlen vielleicht
die letzten? KORSO hat sich dazu unter PolitikerInnen und Föderalismus-Experten
umgehört. |
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Die Diskussion um eine Abschaffung der Landtage ist keineswegs neu.
Bereits vor drei Jahren führten die von der steirischen ÖVP im
Rahmen des „Modell Steiermark“ diesbezüglich erarbeiteten Vorschläge
österreichweit zu heftigen Diskussionen. Schon damals war ÖVP-Landesrat
Dr.
Gerhard Hirschmann einer der prononciertesten Fürsprecher
einer Radikallösung; für ihn sind die Landtage in ihrer heutigen
Form „reine Geldvernichtungsmaschinen“. Hirschmann vermutet hier ein Einsparungspotenzial
von mehreren Milliarden jährlich. Sein nicht von der Hand zu weisendes
Argument: Durch den EU-Beitritt erfolgen bereits 80% der Gesetzgebung außerhalb
der nationalen Grenzen. Derzeit würden viele Landesgesetze nur mehr
beschlossen, um den Schein zu wahren und den Landtag zu beschäftigen.
„Daher muss die Kompetenzaufteilung der verschiedenen Ebenen – von der
EU bis zu den Kommunen – neu geklärt werden; da gibt es viele Überschneidungen.“
Anachronistisch und verschwenderisch
Nicht nur die Entscheidungskompetenzen, auch die Verwaltungsabläufe
und die verschiedenen Förderebenen – von der EU bis hin zu den Gemeinden
– müssten einem „Totalscreening“ unterzogen werden. „Was die Verwaltung
betrifft, sollten die Länder durchaus aufgewertet werden und Bundesagenden
übernehmen – wie etwa im Schulwesen oder bei den Bundessozialämtern“,
findet Hirschmann. Die Gesetzgebung der Länder hingegen sollte möglichst
vereinfacht und vereinheitlicht werden. Dass jedes Bundesland sein eigenes
Naturschutz- oder Baurechtsgesetz beschließen könne, sei anachronistisch
und verschwenderisch. Statt der Landtage soll nach Hirschmanns Vorstellungen
ein gesamtösterreichischer „Generallandtag“ für eine über
weite Strecken einheitliche Landesgesetzgebung zuständig sein; dadurch
werde der Bundesrat als „Länderkammer“ entbehrlich und sei abzuschaffen.
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Steirische SpitzenpolitikerInnen zur Föderalismus-Reform:
Hirschmann: „Einsparungspotenzial von mehreren Milliarden jährlich“
Schachner: „Generallandtag ist die seltsamste Erfindung, von der
ich je gehört habe“. Zierler: „Sinnvoll ist die Zusammenlegung von
Ressorts“
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„Ablenkung vom herrschenden Demokratiedefizit“
Auch unter den SpitzenvertreterInnen der anderen steirischen Parteien
herrscht Übereinstimmung in der Einschätzung, dass in der Landespolitik
und -verwaltung große Einsparungspotenziale brach liegen. SPÖ,
FPÖ, Grüne, Liberale und KPÖ befürworten unisono einen
Abbau der Bürokratie und eine Reduktion der Landesregierungsmitglieder.
Von der FPÖ-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Generalsekretärin
Theresia Zierler, gibt es diesbezüglich auch bereits ganz konkrete
Vorschläge: „Sinnvoll ist die Zusammenlegung des Sozial- und Gesundheitsressorts
sowie die Zusammenführung des Gemeindereferats mit dem Finanz- und
Wirtschaftsressort und des gesamten Schulbereichs in einem Ressort.“
Was jedoch die Zusammenlegung der Landtage betrifft, finden Hirschmanns
Ideen unter den anderen Parteien keine Fürsprecher.
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Landtag:
Bald nur mehr Geschichte?
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So äußern die Grünen starke demokratiepolitische Bedenken.
Klubobfrau Mag. Edith Zitz: „Bezeichnenderweise verlangt Landesrat
Hirschmann die Abschaffung der Landtage und nicht der Landesregierung –
und somit die Eliminierung der Opposition und Kontrolle durch die Grünen.“
Denn im Vergleich zum Beamtenapparat der Landesregierung, der 1999 über
1,3 Milliarden Schilling verschlungen hat, hätten die Ausgaben für
den gesamten Landtag vergleichsweise geringfügige 48 Millionen Schilling
betragen.
Elke Kahr, Spitzenkandidatin der KPÖ für die Landtagswahlen,
hält von einem „Generallandtag“ ebenfalls wenig, weil sich ihrer Ansicht
nach die kleinen Bundesländer dort kaum durchsetzen könnten.
Kahr: „Die Diskussion ist ein Täuschungsmanöver von Seiten jener,
die vom herrschenden Demokratiedefizit ablenken wollen.“ Und: „Man sollte
die regionale Demokratie ausweiten statt schwächen: Bezirkshauptleute
sollten zum Beispiel nicht eingesetzt, sondern gewählt werden.“
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Landtage dürfe, so der Jurist
und LIF-Landtagsabgeordnete Univ.Prof. Dr. Christian Brünner
nicht nur unter ökonomischen, sondern müsse auch unter demokratiepolitischen
Gesichtspunkten gesehen werden. „Die Landtage haben wichtige Funktionen
als legitimierende Vermittlungsinstanz politischer Entscheidungen und als
Kontrollinstrument der Landesregierung und -verwaltung.“ Unsinnige Unterschiede
in der Gesetzgebung einzelner Bundesländer könne man auch ohne
einen „Generallandtag“ beheben: „Ein einheitliches Baugesetz wäre
schon lange realisierbar, aber es waren die ÖVP-Bürgermeister,
die sich einer Lösung verschlossen haben.“
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Zitz: „Hirschmann verlangt Eliminierung der Opposition“
Brünner: „Landtage haben wichtige Funktion als legitimierende
Vermittlungsinstanz“
Kahr: „Regionale Demokratie ausweiten statt schwächen!“
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„Seltsame Erfindung“
SP-Landeshauptmannstellvertreter Univ. Prof. DDr. Peter Schachner
kann der Idee eines Generallandtages ebenfalls nichts abgewinnen: „Das
ist die seltsamste Erfindung, von der ich je gehört habe“. Sehr wohl
spricht sich Schachner aber für eine Reform des Bundesrates aus: Dieser
soll in einen so genannten „Rat der Länder“ umgewandelt werden, in
den jedes Bundesland je nach Größe und politischem Kräfteverhältnis
ein bis drei Mitglieder der einzelnen Landesregierungen entsendet. Diese
Ratsmitglieder müssten ihre Tätigkeit im Rahmen ihrer Funktion
als LandesrätInnen wahrnehmen und bekämen dafür keine gesonderte
Bezahlung. Um auch tatsächlich etwas bewirken zu können, sollte
dieser Länderrat nach Schachner weiter reichende Kompetenzen
als der derzeitige Bundesrat haben – etwa in Form eines echten Vetorechts
in allen finanziellen Belangen, welche die Länder und die Gemeinden
betreffen. Auch Schachner will die Anzahl der LandesrätInnen auf sieben
beschränken: „Eine sinnvolle Zusammenlegung von Ressorts würde
entsprechende Einsparungen im Beamtenapparat nach sich ziehen.“ Wenn die
Landesregierung mit gutem Beispiel vorangegangen sei, könne schließlich
an eine Reduktion der Landtage gedacht werden: „Wir hatten ja lange Zeit
nur 48 Abgeordnete, wahrscheinlich wären 32 bis 36 genug.“
Der „Bürgersonntag“ als Chance für
Kleinparteien?
Für eine Reduktion der Zahl der Landtagsabgeordneten spricht sich
auch ao. Univ.Prof. Dr. Martin Polaschek vom Institut für Europäische
und vergleichende Rechtsgeschichte der Universität Graz aus, der im
Auftrag des „Modells Steiermark“ ein Forschungsprojekt zur Föderalismusreform
durchgeführt hat. Die Länderinteressen sollten von gewählten
Generallandtagsabgeordneten vertreten werden, wobei ihre Anzahl pro Bundesland
nur mehr die Hälfte der derzeitigen Landtagsabgeordneten ausmachen
würde. Um die daraus resultierende Benachteiligung von Kleinparteien
zu mildern, könnte ein so genannter „Bürgersonntag“ eingeführt
werden. Polaschek: „Es handelt sich dabei um die Einführung der direkten
Abstimmung über Gesetzesvorschläge durch das Volk, wie sie in
unterschiedlichen Formen bereits in der Schweiz oder Bayern existiert.
Auf diesem Weg hätten alle im Landtag vertretenen Parteien, also auch
die Kleinparteien, die Möglichkeit, Gesetzesbeschlüsse zu erreichen.“
Der Generallandtag sollte „ein starkes Gegengewicht zum Nationalrat
bilden“ und Gesetze vorbereiten, die vom Nationalrat nur mehr bestätigt
werden müssten. „Welche Materien vom Nationalrat und welche vom Generallandtag
beschlossen werden, ist Geschmackssache“, so Polaschek.
Die Einrichtung eines Generallandtages mache jedoch die Landtage nicht
überflüssig, die Landesverfassung, das Gemeinderecht oder Kulturangelegenheiten
sollten weiterhin in den Landesparlamenten verhandelt werden. Für
diese Aufgaben sowie zur Kontrollfunktion wären nach diesem Modell
sogar noch zusätzliche Abgeordnete zu wählen.
Auch in Polascheks Modell findet der Bundesrat keinen Platz mehr: „Er
dient ohnehin nur als Trainingslager für zukünftige bzw. als
Versorgungsposten für ehemalige Nationalratsabgeordnete.“ Ihrer eigentlichen
Aufgabe – nämlich die Interessen der Länder bei der Bundesgesetzgebung
zu vertreten – kommen die BundesrätInnen kaum nach: Die Parteiraison
ist allemal stärker als das föderale Gewissen.
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"Generallandtag" und "Bürgersonntag"
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„Länderweise Platz nehmen“
Ernst Wegscheider vom Institut für Föderalismus in
Innsbruck – einer gemeinsamen Forschungseinrichtung der Bundesländer
Tirol, Vorarlberg und Salzburg – teilt die Kritik am Bundesrat. Dennoch
hält er wenig von der Idee eines „Generallandtages“. Seit über
dreißig Jahren werde nun bereits über eine Reform des Bundesrates
diskutiert, so Wegscheider, ohne dass es große Fortschritte gegeben
habe. Würde man nun statt einer grundlegenden Reform des Bundesrates
diesen einfach durch einen „Generallandtag“ ersetzen, so wäre dies
eine typisch österreichische Lösung. Wegscheider bezweifelt,
dass dort plötzlich Länderinteressen vor jene der Parteien gestellt
werden würden. Ähnliche Bedenken hegt auch Polaschek. Dennoch
ist er optimistisch, dass es dort etwa durch regional definierte Ausschüsse
zu gemeinsamen, bundesländerübergreifenden Lösungen kommen
könnte. Weitere Ideen zur Hintanhaltung des Parteieneinflusses: „Man
könnte im Generallandtag zudem länderweise abstimmen oder nach
Bundesländerzugehörigkeit aufgeteilt Platz nehmen.“
Die Idee von Großregionen – eine altertümliche
Vorstellung?
Neben der Abschaffung der Länderparlamente gibt es in der laufenden
Diskussion einen weiteren radikalen Vorschlag, der ebenfalls von Landesrat
Hirschmann propagiert wird und die Auflösung der Bundesländerstruktur
zugunsten der Bildung von drei „Großregionen“ West, Ost und Süd
vorsieht. Die Steiermark würde sich dann zusammen mit Kärnten
und dem Burgenland in der sogenannten „Großregion Süd“ wiederfinden.
Für Univ.Prof. Dr. Peter Pernthaler, den Leiter des Instituts
für Föderalismus, ist diese Idee, wie er im Gespräch mit
KORSO betont, „wenig zeitgemäß“. Pernthaler wörtlich: „Eine
altertümliche Vorstellung, die sich an einem technokratischen Reißbrettdenken
orientiert.“ Nicht die Abschaffung der Bundesländergrenzen stehe auf
der Tagesordnung, sondern eine organisatorische Zusammenarbeit über
diese Grenzen hinweg. Denn, so Pernthaler: „Die Zeit für rein zentrale
oder regionale Lösungen ist vorbei. Das Geheimnis liegt in der Kooperation.
Es gibt ja auch in der EU weiterhin territoriale Einheiten.“
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Pernthaler: "Es gibt ja auch in der EU
weiterhin territoriale Einheiten"
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APO für den Generallandtag
Obwohl die Diskussion über die Reform der föderalen Organe
öffentlich und mit großem Engagement geführt wird, haftet
ihr etwas Akademisches an. Daher denkt Landesrat Hirschmann sogar an die
Bildung einer außerparlamentarischen Plattform, die Druck auf das
Parlament ausüben und so die Zweidrittelmehrheit erzwingen könnte,
die für eine entsprechende Verfassungsänderung nötig ist.
Das zweite konkrete Ziel des Landesrates: „Ich möchte in einem Gespräch
mit Mitgliedern der Bundesregierung erreichen, dass eine Expertenrunde
zu diesem Thema eingesetzt wird, um endlich vergleichbare und nachvollziehbare
Fakten auf den Tisch zu bekommen.“
Generallandtags-Vordenker Martin Polaschek ist allerdings pessimistisch,
was die Chancen auf eine Verwirklichung der Vorschläge betrifft: „Es
ist eigentlich nur eine theoretische Diskussion, da die politische Klasse
an ihren Ämtern hängt und niemand etwas hergeben will.“
Joachim Hainzl, Christian Stenner |
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