07 / 2001
  „Disproportion zwischen potenziellem Angebot und Nachfrage verringern“

„Politik gegen die Diktatur der Finanzmärkte“ war der Titel eines Informationsabends, der vom Verein ISOP u.a. in Kooperation mit KORSO Ende Juni veranstaltet wurde. Mit dem Referenten, dem bekannten Bremer Ökonomen Univ.-Prof. Dr. Jörg Huffschmid, sprach KORSO-Herausgeber Christian Stenner.
 
Huffschmid: Finanzmärkte müssen
auf ihre ursprüngliche Funktion reduziert werden

Finanzspekulation wirkt auch auf die reale Ökonomie zurück, wie in Mexiko oder in Brasilien erkennbar war. Sind solche krisenhaften Entwicklungen auch für die entwickelten Länder denkbar?
Nicht nur denkbar – eine solche Krise hat es in Japan Anfang der 90-er in der Tat gegeben, als die seit Mitte der 80-er Jahre aufgeblähte Spekulationsblase unvermittelt platzte. Andererseits haben sich die Befürchtungen jener nicht bewahrheitet, die ein Überschwappen etwa der Mexiko- oder der Asienkrise auf das amerikanische und europäische Zentrum befürchtet haben – da gibt es heute im Gegensatz zur Krise 1929 eine Reihe von geldpolitischen Instrumenten, die das verhindern können und die auch von der amerikanischen Zentralbank beim großen Krach 1987 angewandt wurden. Es gibt also keinen zwingenden Grund, dass es zu einer großen Krise kommen muss – man kann dies aber auch nicht ausschließen.

Der große Krach kann also auch anders verhindert werden als durch Kampf gegen die Spekulation …
Richtig, gegen die Spekulation muss aber aus anderen Gründen vorgegangen werden – etwa, um die Entwicklungsländer vor spekulativen Kapitalzuflüssen zu schützen. Am Beispiel Mexiko war zu erkennen, wohin es führt, wenn der Internationale Währungsfonds die Renditebedingungen hochpusht: Dann strömen große Mengen Kapital ins Land, die nicht in seriösen Projekten verwertet werden können; dann wird eben in unseriöse Projekte investiert, wenn diese zusammenbrechen, wird das Kapital noch schneller abgezogen als es investiert wurde und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Dieser Art von Spekulation ist nur durch rigorose Kapitalverkehrskontrollen zu verhindern. Malaysia hat das 1998 mitten in der Krise vorgeführt und steht jetzt am besten von allen asiatischen Ländern da.

Könnte die derzeit breit diskutierte Tobin-Steuer solche Maßnahmen ersetzen?
Sie kann sicherlich alle Spekulationen unrentabel machen, die auf einen kurzen Horizont mit einer schmalen Marge, aber hohen Beträgen orientieren. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass alle Geschäfte spekulativen Charakters – also nicht bloß Devisenspekulationen – entweder so hoch besteuert werden sollten, dass sie unattraktiv werden, oder schlichtweg verboten werden sollten. Im Übrigen kann auch eine angemessene Börsenumsatzsteuer das hektische Hin- und Herschieben von Aktienkapital bremsen.

Wird der Zwang zur privaten Rentenversicherung, wie er jetzt in Deutschland beschlossen wurde, die Aktienspekulation nicht eher weiter anheizen?
Nicht unbedingt die Spekulation, weil Fonds mit hohem Risiko nicht das Zertifikat für die Rentenvorsorge bekommen werden. Diese neue Maßnahme wird aber die Dispositionsmasse der deutschen Finanzinstitutionen drastisch erhöhen und sie zu global players auf den Finanzmärkten machen – und das war wohl der intendierte Sinn. Jedenfalls werden sie die Altersversorgung der Menschen den Risken der Finanzmärkte aussetzen – denn von einsetzenden Kursstürzen sind natürlich auch jene Fonds betroffen, die selbst nicht hoch spekulativ arbeiten. Die Crux liegt hier aber weniger darin, dass den Finanzinstitutionen durch diese Regelung kräftige Profite zugeschanzt wurden, sondern in der Stärkung der Finanzmärkte und ihres disziplinierenden Druckes auf Unternehmen und Politik. Investoren können das Management dazu zwingen, alle andere Interessen des Betriebes zu Gunsten ihrer eigenen zu vernachlässigen; sie können die Politik in den Standortwettbewerb und ins Steuer-Dumping treiben.

Welche Gegenmaßnahmen empfehlen Sie?
Dagegen hilft letztendlich nur eine Umverteilungspolitik, die an der Wurzel ansetzt und die Disproportion zwischen potenziellem Angebot und zahlungskräftiger Nachfrage verringert. Dass so viel Kapital auf die Finanzmärkte drängt, hängt ja damit zusammen, dass die Profite im Vergleich zu der aus Löhnen und Gehältern gespeisten Nachfrage so hoch geworden sind, dass sich eine Reinvestition in den produktiven Sektor nicht lohnt. Nur so können die Finanzmärkte wieder auf jene Funktion reduziert werden, die ihnen sinnvollerweise zukommt – nämlich die Finanzierung von Investitionen.


 
JULI/AUGUST-AUSGABE
GLOBAL CORNER