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„Disproportion zwischen
potenziellem Angebot und Nachfrage verringern“
„Politik gegen die Diktatur der Finanzmärkte“ war der Titel
eines Informationsabends, der vom Verein ISOP u.a. in Kooperation mit KORSO
Ende Juni veranstaltet wurde. Mit dem Referenten, dem bekannten Bremer
Ökonomen Univ.-Prof. Dr. Jörg Huffschmid, sprach KORSO-Herausgeber
Christian Stenner.
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Huffschmid: Finanzmärkte müssen
auf ihre ursprüngliche Funktion reduziert werden
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Finanzspekulation wirkt auch auf die reale Ökonomie zurück,
wie in Mexiko oder in Brasilien erkennbar war. Sind solche krisenhaften
Entwicklungen auch für die entwickelten Länder denkbar?
Nicht nur denkbar – eine solche Krise hat es in Japan Anfang der 90-er
in der Tat gegeben, als die seit Mitte der 80-er Jahre aufgeblähte
Spekulationsblase unvermittelt platzte. Andererseits haben sich die Befürchtungen
jener nicht bewahrheitet, die ein Überschwappen etwa der Mexiko- oder
der Asienkrise auf das amerikanische und europäische Zentrum befürchtet
haben – da gibt es heute im Gegensatz zur Krise 1929 eine Reihe von geldpolitischen
Instrumenten, die das verhindern können und die auch von der amerikanischen
Zentralbank beim großen Krach 1987 angewandt wurden. Es gibt also
keinen zwingenden Grund, dass es zu einer großen Krise kommen muss
– man kann dies aber auch nicht ausschließen.
Der große Krach kann also auch anders verhindert werden als
durch Kampf gegen die Spekulation …
Richtig, gegen die Spekulation muss aber aus anderen Gründen vorgegangen
werden – etwa, um die Entwicklungsländer vor spekulativen Kapitalzuflüssen
zu schützen. Am Beispiel Mexiko war zu erkennen, wohin es führt,
wenn der Internationale Währungsfonds die Renditebedingungen hochpusht:
Dann strömen große Mengen Kapital ins Land, die nicht in seriösen
Projekten verwertet werden können; dann wird eben in unseriöse
Projekte investiert, wenn diese zusammenbrechen, wird das Kapital noch
schneller abgezogen als es investiert wurde und hinterlässt einen
Scherbenhaufen. Dieser Art von Spekulation ist nur durch rigorose Kapitalverkehrskontrollen
zu verhindern. Malaysia hat das 1998 mitten in der Krise vorgeführt
und steht jetzt am besten von allen asiatischen Ländern da.
Könnte die derzeit breit diskutierte Tobin-Steuer solche Maßnahmen
ersetzen?
Sie kann sicherlich alle Spekulationen unrentabel machen, die auf einen
kurzen Horizont mit einer schmalen Marge, aber hohen Beträgen orientieren.
Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass alle Geschäfte spekulativen
Charakters – also nicht bloß Devisenspekulationen – entweder so hoch
besteuert werden sollten, dass sie unattraktiv werden, oder schlichtweg
verboten werden sollten. Im Übrigen kann auch eine angemessene Börsenumsatzsteuer
das hektische Hin- und Herschieben von Aktienkapital bremsen.
Wird der Zwang zur privaten Rentenversicherung, wie er jetzt in Deutschland
beschlossen wurde, die Aktienspekulation nicht eher weiter anheizen?
Nicht unbedingt die Spekulation, weil Fonds mit hohem Risiko nicht
das Zertifikat für die Rentenvorsorge bekommen werden. Diese neue
Maßnahme wird aber die Dispositionsmasse der deutschen Finanzinstitutionen
drastisch erhöhen und sie zu global players auf den Finanzmärkten
machen – und das war wohl der intendierte Sinn. Jedenfalls werden sie die
Altersversorgung der Menschen den Risken der Finanzmärkte aussetzen
– denn von einsetzenden Kursstürzen sind natürlich auch jene
Fonds betroffen, die selbst nicht hoch spekulativ arbeiten. Die Crux liegt
hier aber weniger darin, dass den Finanzinstitutionen durch diese Regelung
kräftige Profite zugeschanzt wurden, sondern in der Stärkung
der Finanzmärkte und ihres disziplinierenden Druckes auf Unternehmen
und Politik. Investoren können das Management dazu zwingen, alle andere
Interessen des Betriebes zu Gunsten ihrer eigenen zu vernachlässigen;
sie können die Politik in den Standortwettbewerb und ins Steuer-Dumping
treiben.
Welche Gegenmaßnahmen empfehlen Sie?
Dagegen hilft letztendlich nur eine Umverteilungspolitik, die an der
Wurzel ansetzt und die Disproportion zwischen potenziellem Angebot und
zahlungskräftiger Nachfrage verringert. Dass so viel Kapital auf die
Finanzmärkte drängt, hängt ja damit zusammen, dass die Profite
im Vergleich zu der aus Löhnen und Gehältern gespeisten Nachfrage
so hoch geworden sind, dass sich eine Reinvestition in den produktiven
Sektor nicht lohnt. Nur so können die Finanzmärkte wieder auf
jene Funktion reduziert werden, die ihnen sinnvollerweise zukommt – nämlich
die Finanzierung von Investitionen. |