07 / 2000
  Heeres-Spitzel: Mehr Befugnisse als die Staatspolizei

Wenn Sie diese Zeitung aufschlagen, haben sich die österreichischen Heeres-Spione aller Voraussicht nach bereits gegen Verfassungsexperten und Datenschützer durchgesetzt: Das in der Vorwoche beschlossene Militärbefugnisgesetz erlaubt den militärischen Geheimdiensten praktisch alles – im Extremfall auch die Bespitzelung der eigenen Bürger im Auftrag ausländischer Nachrichtendienste. Der renommierte Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk – der lange an der Grazer Universität lehrte – nennt das Gesetz im KORSO-Gespräch schlicht „verfassungswidrig“.

Funk ist ein intimer Kenner der Materie: Immerhin war er Vorsitzender jener Expertenkommission, die noch im Auftrag des letzten Verteidigungsministers der SP-/VP-Koalitionsregierung mit der Überarbeitung des ursprünglichen Gesetzesentwurfes betraut gewesen war. Offenbar gingen die Versuche der Juristen, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, schon damals zu weit. Funk: „Nach einigen Monaten hieß es, wir sollten unsere Arbeit beenden, man wolle das Gesetz noch vor Ende der Legislaturperiode beschließen.“ 
 

Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk:
"Militärbefugnisgesetz erlaubt den Heeresnachrichtendiensten, in alle Bereiche des Privatlebens einzugreifen.

Der Bericht der Kommission, der einiges an Kritik enthielt, wurde schubladisiert; auf Anfragen von Journalisten im Verteidigungsministerium leugnete man, so Funk, sogar seine Existenz.

„Innere geheime Staatspolizei“
Wo stößt der Wissensdurst der Heeres-Spione an die Grenzen der österreichischen Verfassung ? Funk: „Im Artikel 79 der Bundesverfassung sind die Aufgaben des Bundesheeres genau beschrieben: Grenzschutz, Eigensicherung, Auslandsaufklärung. Eine innere geheime Staatspolizei, wie sie dieses Gesetz ermöglicht, ist da nicht vorgesehen. Auch aus historischen Gründen sieht die Verfassung  die Einbindung des Bundesheer unter eine zivile Gewalte vor.“
Schon allein der Verdacht des Heeresnachrichtendienstes, dass jemand einen ausländischen Geheimdienst unterstützt oder „einen Angriff auf Rechtsgüter des Heeres“ plant, reicht aus, die Überwachungsmaschinerie in Gang zu setzen und, so Funk, „in alle Bereiche des Privatlebens einzugreifen. Damit erhält der militärische Abwehrdienst weit reichende Befugnisse, die alle Personengruppen betreffen.“ Dabei kann ungehemmt gelauscht und gespäht werden – im Gegensatz zu ihren Kollegen von der Staatspolizei benötigen die Heeres-Nachrichtendienstler nämlich keine richterliche Genehmigung für die Installation von Wanzen in Wohnzimmern.

Ministeriell angeordnete Urkundenfälschung
Wenn die Herren von den Heeresnachrichtendiensten mal mit ihrem Latein am Ende sind, können sie sich vertrauensvoll an die öffentliche Verwaltung wenden. Beamte und Funktionsträger sind verpflichtet, ihnen ausnahmslos alle gewünschten Auskünfte zu erteilen – also: Krankenhäuser über Patienten, Kammern über ihre Mitglieder, die Sozialversicherung über die Versicherten. Ebenso können Verwaltungsbehörden, aber auch Bürgermeister vom Verteidigungsminister dazu angehalten werden, gefälschte Führerscheine, Pässe und Geburtsurkunden für seine Agenten herzustellen.

Spionieren für NATO und CIA?
Da die Spitzel des Verteidigungsministeriums im Gegensatz zu den übrigen Sicherheitsbehörden ihre Lauschopfer auch im Nachhinein nicht von der Observation benachrichtigen müssen, bleibt immer im Dunkeln, welche Erkenntnisse die Ermittler über die überwachte Person gewonnen haben und ob die Ermittlungen durch ein reales Verdachtsmoment begündet waren – oder ob jemand durch Zufälle, Fehlinformationen oder gar wegen seiner politischen Ansichten ins Netz der Heeres-Schnüffler geraten ist. Damit ist auch der weitere Weg der erhobenen Daten nicht nachvollziehbar: Sie könnten (gemäß Militärberfugnisgesetz völlig legal) an „befreundete“ ausländische Nachrichtendienste weitergegeben worden sein … 
Nach dem Beschluss im Nationalrat bleibt den beiden Oppositionsparteien, die das Gesetz scharf kritisieren, nur mehr der Gang zum Verfassungsgerichtshof. Zumindest die SPÖ hat diesen Schritt bereits angekündigt. Wie schätzt der Verfassungsexperte Funk die Chancen eiere Aufhebung ein? „ Eine Prognose ist schwer möglich, ich denke aber, dass es dem Gerichtshof sehr schwer fallen dürfte, an den verfassungswidrigen Aspekten vorbeizusehen.“ 
 
Joachim Hainzl, Christian Stenner

 

 
JULI AUSGABE GLOBAL CORNER