Was leistet der zweite Arbeitsmarkt?

„Nicht marktfähige Arbeit“, also die von der öffentlichen Hand finanzierte Beschäftigung Arbeitssuchender auf sogenannten Transitarbeitsplätzen im Rahmen von aus Budgetmitteln finanzierten oder teilweise finanzierten Beschäftigungsprojekten gilt seit Anfang der 90er-Jahre als „Wunderwaffe“ gegen die schleichende Erosion am „regulären“ Arbeitsmarkt. Man kann hier zumindest Arbeit finanzieren anstatt Arbeitslosigkeit, und in Kombination mit Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen – so wird der politische Konsens argumentiert – werden die Beschäftigungssuchenden langsam und behutsam wieder an den 1. (regulären) Arbeitsmarkt herangeführt. Arbeiterkammer und Arbeitsmarktservice versuchten am 25. November in einer gemeinsamen Veranstaltung eine Bestandsaufnahme des Leistungsvermögens des 2. Arbeitsmarktes in der Steiermark herauszuarbeiten.

6.500 Arbeitsplätze allein in unserem Bundesland fallen zur Zeit in die Kategorie der geförderten Beschäftigung, d.h. werden im Rahmen verschiedenster sozialökonomischer oder anderer Beschäftigungsprojekte besetzt. Ohne diese Stellen wäre die Arbeitlosigkeit in der Steiermark um 1,3 % höher. Während AK-Steiermark-Präsident Walter Rotschädl dafür plädiert, den 2. Arbeitsmarkt zu einem permanent bestehenden Sicherheitsnetz für benachteiligte Personengruppen auszubauen („konjunkturunabhängige Dauerarbeitsplätze“), argumentiert AMS-Leiter Dr. Helfried Faschingbauer für die Beibehaltung der Auffassung vom 2. Arbeitsmarkt als eines Transitreservoirs.
Alarmierend und ohne wirklich zukunftsträchtige Antworten ist aber der dramatische Anstieg der NotstandsbezieherInnen. Während die Langzeitarbeitslosigkeit mit den bekannten arbeitsmarktpolitischen Mitteln in den letzten Jahren in geradezu spektakulärem Ausmaß zurückgedrängt werden konnte (1994: 70%, 1999: 40%), nimmt die Zahl jener Personen zu, deren Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt in den Bereich geringer und sehr geringer Wahrscheinlichkeit geraten ist.

Rotschädl: Für den Ausbau konjunkturunabhängiger Dauerarbeitsplätze

Der Soziologe Faschingbauer rät daher zu einem Überdenken arbeitsmarktpolitischer Instrumente und warnt davor, im Rückgang der Langzeitarbeitslosigkeit allein schon die absolute Wendung ins Positive zu sehen. Die Gesetze des Arbeitsmarktes funktionieren anders:
  • Einem steigenden Arbeitsplatzangebot steht immer ein gesteigertes Arbeitskräftepotenzial gegenüber.
  • Besonders signifikant ist der sich aus dem Rollenwandel ableitende verstärkte Zustrom von Frauen auf den Arbeitsmarkt.
2. Arbeitsmarkt als Probebühne für den Wettbewerb unter Globalisierungsbedingungen?

Die Gefahren für den 2. Arbeitsmarkt liegen auf der Hand und ergeben sich aus der der Globalisierung folgenden gesellschaftlichen Entwicklung: Idiome wie „Dominanz des Marktes“, schwacher Staat“ oder „privater Reichtum und öffentliche Armut“ kennzeichnen einen politischen Zustand, in dessen Klima das Übersehen fataler Fehlentwicklungen und Ausgrenzungstendenzen vorprogrammiert erscheint. Faschingbauer entlarvt die niedrig gehaltene Langzeitarbeitslosigkeit als oberflächliche Kosmetik, wenn auf der anderen Seite für ein immer zahlreicher werdendes Klientel selbst bei jeweils mehreren, gleichzeitig wahrgenommenen Teilarbeitsverhältnissen sechs Monate durchgehende Beschäftigung nicht mehr aufbringbar sind.
Der Forderung, das in den 2. Arbeitsmarkt investierte Geld der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, damit diese Arbeitsplätze schaffen könne, wird daher von Seiten des AMS und der AK eine rigorose Abfuhr erteilt. Es sind gerade diese Mehrleistungen wie integrative Maßnahmen, Abbau von Vermittlungseinschränkungen und allgemeines job readying, die nur im Klima des „geförderten“ Arbeitsmarktes bereitgestellt werden können.
Was allerdings zur Debatte steht, ist eine allgemeine „Schärfung“ beschäftigungspolitischer Instrumente, denn eine sich endlos wiederholende Abfolge der Zustände „Beschäftigung – Arbeitslosigkeit – Maßnahme – Beschäftigung“ sei weder wünschenswert noch nachhaltig. Auswege können in neuen Kooperationen ebenso liegen wie etwa in einer Neudefinition der Zielgruppen und neuen Kooperationen aus Politik, Arbeitsmarktservice und Wirtschaft.
Erich Weber von der Brucker Beschäftigungsinitiative BIG warnt vor übertriebenen Erwartungen in den 2. Arbeitsmarkt: Seit Einführung der ersten Arbeitsprojekte sei der Bedarf der Klienten an „tiefergreifenden Unterstützungen“ (Psychotherapie, persönlichkeitsstabilisierende und pädagogische Maßnahmen u.ä.) merkbar gestiegen. Trotzdem könne man behaupten, daß für viele Beschäftigungssuchende bei identer Ausgangslage zunächst eine Bewährung am 2. Arbeitsmarkt heilsamer und nachhaltiger sei als 12 Monate Beschäftigung unter „normalen“ Bedingungen. -ko