Unabhängige Medien in Serbien – ein Kampf gegen innere und äußere Isolation

„Ohne dass wir es wollen, dienen wir dem Miloševiæ-Regime als Feigenblatt“, resümiert Dejan Anastasijeviæ, Redakteur und Österreich-Korrespondent des Belgrader Wochenmagazins Vreme, die Lage der unabhängigen Medien in Serbien. Sein Kollege Saša Mirkoviæ, Direktor des Belgrader Radiosenders B2-92 (ehemals B92) ergänzt: „In Serbien herrscht zur Zeit eine ‚Demokratur’. Das Regime wahrt den Anschein von Wahlen und Menschenrechten, es gibt ein Parlament, aber alles wird pervertiert.“
Anastasijeviæ und Mirkoviæ waren am 16. November auf Einladung des Steirischen Presseclubs in Graz, um über die aktuelle Situation der Medien in Serbien zu berichten. Sie präsentierten ein düsteres Bild, wofür die Nato mitverantwortlich sei, denn ihr Angriff auf Jugoslawien habe letztendlich Miloševiæ nur gestärkt. Die soziale und wirtschaftliche Situation ist katastrophal; nur die enorme Schattenwirtschaft hat bisher das Allerschlimmste verhindert („Jugoslawien ist das ärmste Land Europas, aber dafür No. 1 bei Korruption“, so Markoviæ). Die Bevölkerung ist nur schwer zu motivieren, gegen das Regime zu protestieren, denn die meisten Menschen haben nach zwölf Jahren Herrschaft Miloševiæs den Glauben an politischen Wandel verloren. Dennoch versuchen die unabhängigen Medien, die öffentliche Meinung gegen das Regime zu mobilisieren. Die Probleme dabei sind vielfältig. Mirkoviæ weist darauf hin, dass das berüchtigte „Gesetz über öffentliche Information“ von Oktober 1998 noch immer in Kraft sei. Auf Grundlage dieses restriktiven Mediengesetzes werden kritische Medien wegen „Verleumdung“ oder „Desinformation“ zu hohen Geldstrafen verurteilt, weshalb mehrere Zeitungen ihr Erscheinen einstellen mussten. In letzter Zeit wird das Gesetz verstärkt angewandt. Journalisten, die vom Regime als gefährlich eingestuft werden, riskieren sogar ihr Leben. So wurde kurz nach dem Beginn der Nato-Bombardements der Herausgeber der Tageszeitung Dnevni Telegraf, Slavko Èuvurija, auf helllichter Straße in Belgrad von „Unbekannten“ erschossen. Èuvurija galt als ausgezeichneter Kenner der Verbindungen des Regimes zur serbischen Mafia.

Dejan Anastasijeviæ, (li),
Saša Mirkoviæ (re):
Medien unter dem Druck der Miloševiæ-„Demokratur“.

Dass unabhängige Medien dennoch existieren können und z.T. eine hohe Verbreitung erreichen, wie die Tageszeitung Blic mit einer Auflage von rund 200.000 Exemplaren, sei – so Anastasijeviæ – weniger ein Zeichen ihrer Stärke, als vielmehr ihrer Schwäche: Miloševiæ sieht in ihnen keine ernsthafte Gefahr. Hauptverantwortlich dafür ist die uneingeschränkte Macht des Regimes über das staatliche Fernsehen und Radio (RTS), das als einzige Station das gesamte Territorium Serbiens erreicht. Viele Bewohner des Landes, v.a. außerhalb der großen Städte, kennen nur seine Nachrichten. Markoviæ sieht daher in RTS die zweite große Stütze des Regimes neben der gefürchteten Sonderpolizei.Die unabhängigen Medienbetreiber sind sich bewusst, dass der Kampf um die öffentliche Meinung letztlich auf dem Feld der elektronischen Medien entschieden wird. Daher wurde bereits vor einigen Jahren ein alternatives Netzwerk elektronischer Medien (ANEM) aufgebaut. An diesem Netzwerk nehmen rund 30 Stationen teil, wodurch es einen Grossteil Serbiens abdecken kann, auch wenn das Regime immer wieder einzelne Stationen schließen lässt. Über ANEM werden die regimekritischen Nachrichtensendungen von Radio B2-92 gesendet. Das serbische Mediengesetz und auch infrastrukturelle Hindernisse werden umgangen, indem das Signal des Senders über Internet und über BBC gesendet wird. In Zukunft soll das Programm noch ausgeweitet werden und über Sender in Timiºoara und Bijelina (Bosnien-Herzegowina/Republika Srpska) ausgestrahlt werden.
Abgesehen von diesen politischen Schwierigkeiten leiden die unabhängigen Medien unter der trostlosen wirtschaftlichen Situation. Der Markt für Werbung ist klein, die Kaufkraft der Bevölkerung sehr gering. Zeitungen, die in das liberalere Montenegro ausgewichen sind, sind der Währungsumstellung negativ betroffen: Während in Serbien nach wie vor der Dinar offizielles Zahlungsmittel ist, ist es in Montenegro die Deutsche Mark. Darüber hinaus werden immer wieder für Serbien bestimmte Zeitungen an der montenegrinisch-serbischen Grenze beschlagnahmt. Die finanzielle Hilfe aus dem Ausland, die für die unabhängigen Medien und auch die NGOs in Serbien überlebensnotwendig ist, fließt nur mehr sehr spärlich, teilweise auch gar nicht mehr. Beide Journalisten plädieren daher dafür, dass nicht die gesamte serbische Bevölkerung inklusive der oppositionellen Kreise von der internationalen Staatengemeinschaft „in einen Käfig mit Miloševiæ“ gesperrt wird. Besonders die USA, Großbritannien und die Niederlande würden dies tun und Serbien als „nicht zu heilende Wunde inmitten Europas“ betrachten (Mirkoviæ). Strikte Isolation kann aber das Regime Miloševiæs nicht stürzen, sondern fördert vielmehr die Lethargie der Bevölkerung und unterminiert das Bemühen unabhängiger Medien um eine politische Veränderung. Inzwischen werden die unabhängigen Medien ihren „Mehrfrontenkampf“ für Demokratie und Bürgerrechte in Serbien nicht aufgeben – ohne dabei allzu große Hoffnungen auf die zerstrittene Opposition zu setzen. Ulf Brunnbauer