„Ich will nicht das Gefühl haben, feige gewesen zu sein …”

Seit zehn Jahren ist der Jurist Dr. Alois Oswald Umweltanwalt des Landes Steiermark. Ob im Fall der Chrysler-Autolackiererei, des Berggesetzes oder jetzt der Ennsnahen Trasse: Sein Engagement für AnrainerInnen und Umwelt hat ihn immer wieder zur Zielscheibe heftiger Angriffe gemacht.
Mit Alois Oswald sprach Susi Haydvogel.


Oswald:
„Meine Arbeit ist mir zur Lebensaufgabe geworden“

Herr Oswald, die Bürgerinitiative für die Ennsnahe Trasse hat Sie vor kurzem angezeigt…

Das ist nicht die erste Anzeige, die ich überstehen werde. Mir wurde Amtsmissbrauch vorgeworfen, ich hätte Millionen für Gutachten ausgegeben, ohne in den betreffenden Verfahren überhaupt Parteistellung zu haben. Dazu die Vorgeschichte: Das Land Steiermark hat bei der EU-Kommission zum Straßenprojekt im Ennstal eine Stellungnahme abgegeben. Darin wurden zwei Gutachten zitiert: ein umweltmedizinisches und ein hydrogeologisches. Die Zitate waren so eindeutig und so klar pro Ennstrasse, dass ich mir gesagt habe, das kann so nicht stimmen. Ich habe diese Gutachten dann von anerkannten Fachleuten hinterfragen lassen, die meine Zweifel bestätigt haben. Eine Hinterfragung steht mir deswegen zu, weil ich in den kommenden naturschutzrechtlichen Verfahren sehr wohl Parteistellung haben werde. Die mir vorgeworfenen Ausgaben waren übrigens um ein Vielfaches niedriger als behauptet.

Sind Sie als Umweltanwalt völlig unabhängig?
Ich bin weisungsfrei. Für das Land und die Gemeinden bin ich genauso da wie für die Bürger und die Unternehmen. Dienstrechtlich gehöre ich zur Landesamtsdirektion. Der Landesamtsdirektor kann also jederzeit einschränkende Maßnahmen verfügen. Besser wäre es wohl dem Landtag zu unterstehen. Ein Kontrollorgan sollte schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit nicht in der Verwaltung sitzen.

Was bedeutet Ihre Tätigkeit als Umweltanwalt für Sie persönlich?
Ich bin hineingewachsen in meine Arbeit und jetzt ist sie mir zur Lebensaufgabe geworden. Die Umwelt braucht einen Anwalt, der auch Rückgrat beweist – es gibt ja unzählige Möglichkeiten, ihm das Leben schwer machen. Zum Beispiel habe ich beim Umweltverträglichkeitsprüfungs-Verfahren für die Trans-Austria-Gasleitung Unterlagen angefordert – nach den jeweiligen Auskunftspflichtgesetzen und dem Umweltinformationsgesetz kann „jedermann“ die entsprechenden Auskünfte einholen. Jetzt wird geprüft, ob der Umweltanwalt ein „jedermann” sein kann, da er doch ein „Organ des Landes” ist. Und „jedermann” kann laut Behörde nur eine „physische Person” sein. So überlegt man sich halt oft, wie man den Umweltanwalt ausschließen kann. Aber da ich als Umweltanwalt dann später im Verfahren grundsätzlich Parteistellung habe, kann ich in diesem Fall doch noch meiner Aufgabenstellung gerecht werden.

Woran arbeiten Sie gerade?
Zur Zeit versuche ich gemeinsam mit dem Ministerium und dem Wissenschaftsladen einen Raster auszuarbeiten, der klar vorgibt, worauf bei Begutachtungen von Gesetzen und Verordnungen zu achten ist. Weiters werbe ich gerade in den Bezirken für die ordnungsgemäße Bauschuttentsorgung: Die zahlreichen kleinen Ablagerungen, durch welche Tümpel und Altarme von Bächen verloren gehen, sind ein besonderes Problem. Ich versuche den Leuten klar zu machen, dass der Fremdenverkehr als wichtiger Wirtschaftsfaktor künftig von der Erhaltung der Vielfalt der Natur abhängen wird.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten...
Wir brauchen dringend eine Ökologin, einen Ökologen. In der Umweltanwaltschaft arbeiten nur eine Juristin, ein Verfahrenstechniker, zwei Verwaltungsbeamte und zwei Sekretärinnen. Wir haben viel Parteienverkehr, auch Firmen kommen zu uns, um sich beraten zu lassen. Und als Jurist muss ich klare Fragen stellen können, bei Gutachten muss schließlich auch der Arbeitsaufwand gerechtfertigt sein und die Leistung mit dem Preis übereinstimmen. Für alle diese Informationen brauche ich fachlich versierte Mitarbeiter.
Ab 1. Jänner wird es nach dem Rundfunkgebührengesetz zwanzig neue Landesbeamte geben, die Gelder von Schwarzsehern eintreiben sollen, und die Umweltanwaltschaft muss noch immer auf Ökologie-Fachleute verzichten.

Haben Sie nach all den Jahren ein „Rezept” für Ihre Tätigkeit als Umweltanwalt?
Ehrlich bleiben, offen sein für den Bürger, die Bürgerin. Bei Diskussionen muss der Akt auf den Tisch, bei mir gibt‘s keine geheimen Aktennotizen. Und meinem Gewissen folgen. Nehmen Sie nur als Beispiel meinen heftigst bekämpften Einspruch gegen das Elton-John-Konzert im Stadtpark, einem geschützten Landschaftsteil: Ich gehe mit ruhigem Gewissen an der Passamtswiese vorbei, habe ich doch für ihren Bestand gekämpft. Wenn letztendlich dennoch über mich drübergefahren wird, kann man halt nichts machen, aber ich will nicht das Gefühl haben, feige gewesen zu sein.