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Einen lange ausständigen Beitrag zur steirischen Kultur- und
Sozialgeschichte leistet die aktuelle Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“
der Neuen Galerie: Zum ersten Mal wird eine Bestandsaufnahme jener steirischen
KünstlerInnen vorgenommen, die der Verfolgung durch die Nationalsozialisten
ausgesetzt waren und in den Widerstand oder ins Exil gingen oder in die
innere Emigration gedrängt wurden.
Unter der Leitung von Peter Weibel hat Ausstellungs-Kurator Mag.
Günther Holler-Schuster Werke von 35 steirischen KünstlerInnen
– von Axl Leskoschek bis Karl Wiener, von Ida Maly bis Wilhelm Thöny
– für diese außergewöhnliche Schau versammelt. Sie präsentiert
in Verbindung mit einem Katalog die Ergebnisse des zweieinhalbjährigen
gleichnamigen Forschungsprojektes von Günter Eisenhut. Weibel:
„Die Ausstellung korrigiert unser Geschichtsbild und die traditionelle
Betrachtungsweise der Kunstgeschichte. Sie gibt der Steiermark ihre verbotene,
vertriebene, verdrängte und vergessene Moderne wieder zurück.“
Ein ausgeblendeter Teil steirischer Identität
Denn bis vor kurzem galt die Ansicht, dass die Steiermark keinen Beitrag
von nationaler, geschweige denn internationaler Bedeutung für die
Entwicklung der Moderne geleistet habe, die ja vorwiegend in der ersten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stattfand. Diese Ausstellung legt
Zeugnis davon ab, wie groß der steirische Beitrag zur Moderne sein
hätte können, hätten Politik und Gesellschaft ihn gewährt.
Und, so Weibel, sie zeige auch, dass eine ganze Generation von Künstlern
nicht nur um ihren Lebensentwurf – manchmal auch um ihr Leben – sondern
auch um ihre Kunst gebracht wurde.
Ausstellungs-Kurator Holler-Schuster sieht in der Ausstellung auch
einen wichtigen Beitrag zu Aufarbeitung der Vergangenheit, von der „Selbstdefinition,
Selbstbewusstsein sowie die Möglichkeit zur Identifikation abhängig
sind. Gerade wenn es um die tragischen Abschnitte einer historischen Entwicklung
geht, ist die Suche nach Wahrheit und die objektive Darstellung der Ereignisse
von grundlegender Bedeutung.“ Schließlich gehe es auch darum, jenen
KünstlerInnen, die sich schon sehr früh gegen den Nationalsozialismus
und seine Menschenverachtung positioniert haben, ungeteilte Wertschätzung
zu erweisen.
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Peter Weibel: „Die Ausstellung gibt der Steiermark ihre
verbotene und vergessene Moderne wieder zurück“ |
Bereits unter dem Austrofaschismus wurde die
Moderne unterdrückt
Daher zentriert sich die Ausstellung um die Personen. Günter Eisenhut:
„Erstmals wird versucht einen Überblick über jene steirischen
KünstlerInnen zu geben, die unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten
zu leiden hatten oder in den Widerstand bzw. ins Exil gingen. Auch die
sozialhistorischen Implikationen ihrer Lebensläufe in der Steiermark
sowie in den jeweiligen Exilländern werden dabei erfasst. Es gab ja
bis heute keine ernsthaften Versuche darzustellen, wer in der Steiermark
während der NS-Zeit Malverbot hatte, wem die Beteiligung an Ausstellungen
verwehrt wurde, wer ausgegrenzt, verfolgt, zwangsrekrutiert, inhaftiert
wurde.“ Dasselbe gilt, so Eisenhut, auch für die in Österreich
noch viel zu wenig aufgearbeitete Zeit des „Ständestaates“. Hatte
der Aufbruch in die Moderne in den 20er-Jahren eine internationale Orientierung
auch innerhalb der steirischen Kunstentwicklung möglich gemacht, so
begann mit dem Austrofaschismus die Verengung des geistigen Klimas und
die Betonung des „bodenständig Österreichischen“. Der wenig selbstbewusste
österreichische Staat versuchte sich über die Kunst national
zu definieren.
„Entartete Kunst“: in die innere Emigration
oder ins Exil gedrängt
Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich wurden der Moderne alle Möglichkeiten
genommen. Kunst hatte nur mehr eine Aufgabe: den verbrecherischen Zielen
des Nationalismus zu dienen. Die Herrschaft der Nationalsozialisten wirkte
sich katastrophal auf die steirische Kunst aus. Die Vertreibung der jüdischen
Künstler und Sammler, das Verbot der modernen Kunst und das ungeheure
Elend des Kriegs trockneten nahezu alle Quellen des Kunstschaffens aus.
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Günter Eisenhut: „Der erste Versuch einer Gesamtdarstellung
des verfolgten Kunstschaffens der steirischen Moderne“ |
Die Auswirkungen des stilistischen Druckes durch die Diffamierung moderner
Kunst als „entartet“ waren für die KünstlerInnen besonders folgenschwer.
Nur wenigen gelang es, auch in dunkelsten Zeiten eine Kunstausübung
im Sinne der internationalen Moderne weiterzuführen. Im Verborgenen
nur konnte das möglich sein, hatte man doch mit schlimmsten Strafmaßnahmen
zu rechnen. Der Begriff „Kultureller Widerstand“ trifft auf diese Künstlerinnen
und Künstler zu – zu ihnen sind etwa Hans Fronius, Susanne Wenger
oder Alfred Wickenburg zu zählen. Aktiv im politischen Widerstand
exponierten sich nur wenige KünstlerInnen – Herbert Eichholzer, Grete
Zahrastnik, Nic Wenky, Anselm Grand und einige andere. Manche – wie Herbert
Eichholzer – büßten dafür mit ihrem Leben. Der Weg ins
Exil von England, Israel bis Amerika, Brasilien oder Angola blieb für
viele oft die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten und ihren persönlichen
Stil frei zu entfalten. Josef Heu, Mela Spira, Oskar Stössel und viele
andere mussten 1938 flüchten. Thöny und Szekely gingen bereits
vor der klerikal-faschistischen Diktatur ins Exil.
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Günther Holler-Schuster: „Ein wichtiger Beitrag
zur Aufarbeitung der Vergangenheit“ |
Die NS-Zeit wirkt lange nach
Nach der Befreiung vom Faschismus wurde die Verbindung zu den internationalen
Entwicklungen in der Kunst wieder gesucht. Vielfach wurde versucht, an
die Entwicklung von vor 1938 anzuknüpfen, aber zu massiv waren die
Wirkung der jahrelangen Abschottung und der Mangel an Information. Im Moment
der Aneignung der versäumten Entwicklung mussten die KünstlerInnen
diese gleichzeitig überwinden, um international Relevanz zu erreichen.
Für viele war das angesichts der Auswirkungen des jahrelang vorausgegangenen
Drucks nicht mehr möglich. Verelendung und Freitod waren das tragische
Ende vieler Künstlerbiografien.
Jene KünstlerInnen, die ins Exil gegangen waren, fielen zum großen
Teil dem Vergessen anheim: Das offizielle Österreich bemühte
sich kaum, die Vertriebenen wieder heim zu holen und ihnen wenigstens teilweise
Wiedergutmachung zukommen zu lassen. So kamen viele nie mehr zurück
und einige sehr spät. Nur wenige konnten erneut Kraft schöpfen
und eine kompromisslose Entwicklung ihrer künstlerischen Praxis wieder
aufnehmen. Unmittelbar nach Kriegsende verbesserte sich zwar das geistige
Klima, aber ab 1948 konnten „alte Seilschaften“ und deren faschistische
Tendenzen wieder an Macht und Einfluss gewinnen. Erneut war die Moderne
in eine Außenseiterposition geraten. Erst Ende der 60er-Jahre konnte
auch in der Steiermark eine geistige Öffnung endgültig etabliert
werden.
Ausstellungseröffnung: 23. März 2001, 19 Uhr
Dauer der Ausstellung: 24. März - 30. Juni 2001
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr
Dieses Projekt wurde vom Land Steiermark, der Österreichischen
Nationalbank, der Stadt Graz und dem Bundeskanzleramt großzügig
unterstützt.
Leiter des Forschungsprojektes: Peter Weibel
Idee, Recherche: Günter Eisenhut
Kurator: Günther Holler-Schuster
Ausstellungsarchitektur: Erika Thümmel
Plakatsujet: Karl Wiener, „Collage“, 1941 (Historisches Museum
der Stadt Wien)
Eintrittspreise: Erwachsene: ATS 60.–; Senioren / StudentInnen
/ Schülerinnen / Lehrlinge / Behinderte / Präsenz- und Zivildiener:
ATS 40.–;
Familienkarte (2 Erw. und Kinder bis 15 Jahre): ATS 100.–; Gruppenkarte
(ab 7 Pers.): ATS 40.– pro Person; Schulklasse (pro SchülerIn): ATS
10.–; Führungskarte: ATS 20.–
Kunstvermittlung: Erlebnisorientierte Führungen für
Schulklassen mit Gewinnspiel
Führungen: So 11 Uhr, Do 18 Uhr und gegen Voranmeldung
Voranmeldung für Gruppen unbedingt erforderlich! Tel. 0316-82
91 55-93 11 (Christian Krump)
Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum
8010 Graz, Sackstraße 16,
Tel. 0316-82 91 55, Fax 0316-81 54 01
e-Mail: post@neuegalerie.stmk.gv.at
Web: http://www.neuegalerie.at |
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