03/2001
 
AUSSTELLUNG 

„Moderne in dunkler Zeit“
Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer KünstlerInnen 1933-1945

24. März - 30. Juni 2001
NEUE GALERIE
GRAZ

Plakatsujet von Karl Wiener: "Collage" 1941

 
Einen lange ausständigen Beitrag zur steirischen Kultur- und Sozialgeschichte leistet die aktuelle Ausstellung „Moderne in dunkler Zeit“ der Neuen Galerie: Zum ersten Mal wird eine Bestandsaufnahme jener steirischen KünstlerInnen vorgenommen, die der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt waren und in den Widerstand oder ins Exil gingen oder in die innere Emigration gedrängt wurden.

Unter der Leitung von Peter Weibel hat Ausstellungs-Kurator Mag. Günther Holler-Schuster Werke von 35 steirischen KünstlerInnen – von Axl Leskoschek bis Karl Wiener, von Ida Maly bis Wilhelm Thöny – für diese außergewöhnliche Schau versammelt. Sie präsentiert in Verbindung mit einem Katalog die Ergebnisse des zweieinhalbjährigen gleichnamigen Forschungsprojektes von Günter Eisenhut. Weibel: „Die Ausstellung korrigiert unser Geschichtsbild und die traditionelle Betrachtungsweise der Kunstgeschichte. Sie gibt der Steiermark ihre verbotene, vertriebene, verdrängte und vergessene Moderne wieder zurück.“

Ein ausgeblendeter Teil steirischer Identität
Denn bis vor kurzem galt die Ansicht, dass die Steiermark keinen Beitrag von nationaler, geschweige denn internationaler Bedeutung für die Entwicklung der Moderne geleistet habe, die ja vorwiegend in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stattfand. Diese Ausstellung legt Zeugnis davon ab, wie groß der steirische Beitrag zur Moderne sein hätte können, hätten Politik und Gesellschaft ihn gewährt. Und, so Weibel, sie zeige auch, dass eine ganze Generation von Künstlern nicht nur um ihren Lebensentwurf – manchmal auch um ihr Leben – sondern auch um ihre Kunst gebracht wurde.
Ausstellungs-Kurator Holler-Schuster sieht in der Ausstellung auch einen wichtigen Beitrag zu Aufarbeitung der Vergangenheit, von der „Selbstdefinition, Selbstbewusstsein sowie die Möglichkeit zur Identifikation abhängig sind. Gerade wenn es um die tragischen Abschnitte einer historischen Entwicklung geht, ist die Suche nach Wahrheit und die objektive Darstellung der Ereignisse von grundlegender Bedeutung.“ Schließlich gehe es auch darum, jenen KünstlerInnen, die sich schon sehr früh gegen den Nationalsozialismus und seine Menschenverachtung positioniert haben, ungeteilte Wertschätzung zu erweisen.
 

Peter Weibel: „Die Ausstellung gibt der Steiermark ihre verbotene und vergessene Moderne wieder zurück“

Bereits unter dem Austrofaschismus wurde die Moderne unterdrückt
Daher zentriert sich die Ausstellung um die Personen. Günter Eisenhut: „Erstmals wird versucht einen Überblick über jene steirischen KünstlerInnen zu geben, die unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu leiden hatten oder in den Widerstand bzw. ins Exil gingen. Auch die sozialhistorischen Implikationen ihrer Lebensläufe in der Steiermark sowie in den jeweiligen Exilländern werden dabei erfasst. Es gab ja bis heute keine ernsthaften Versuche darzustellen, wer in der Steiermark während der NS-Zeit Malverbot hatte, wem die Beteiligung an Ausstellungen verwehrt wurde, wer ausgegrenzt, verfolgt, zwangsrekrutiert, inhaftiert wurde.“  Dasselbe gilt, so Eisenhut, auch für die in Österreich noch viel zu wenig aufgearbeitete Zeit des „Ständestaates“. Hatte der Aufbruch in die Moderne in den 20er-Jahren eine internationale Orientierung auch innerhalb der steirischen Kunstentwicklung möglich gemacht, so begann mit dem Austrofaschismus die Verengung des geistigen Klimas und die Betonung des „bodenständig Österreichischen“. Der wenig selbstbewusste österreichische Staat versuchte sich über die Kunst national zu definieren.

„Entartete Kunst“: in die innere Emigration oder ins Exil gedrängt
Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich wurden der Moderne alle Möglichkeiten genommen. Kunst hatte nur mehr eine Aufgabe: den verbrecherischen Zielen des Nationalismus zu dienen. Die Herrschaft der Nationalsozialisten wirkte sich katastrophal auf die steirische Kunst aus. Die Vertreibung der jüdischen Künstler und Sammler, das Verbot der modernen Kunst und das ungeheure Elend des Kriegs trockneten nahezu alle Quellen des Kunstschaffens aus.
 

Günter Eisenhut: „Der erste Versuch einer Gesamtdarstellung des verfolgten Kunstschaffens der steirischen Moderne“ 

Die Auswirkungen des stilistischen Druckes durch die Diffamierung moderner Kunst als „entartet“ waren für die KünstlerInnen besonders folgenschwer. Nur wenigen gelang es, auch in dunkelsten Zeiten eine Kunstausübung im Sinne der internationalen Moderne weiterzuführen. Im Verborgenen nur konnte das möglich sein, hatte man doch mit schlimmsten Strafmaßnahmen zu rechnen. Der Begriff „Kultureller Widerstand“ trifft auf diese Künstlerinnen und Künstler zu – zu ihnen sind etwa Hans Fronius, Susanne Wenger oder Alfred Wickenburg zu zählen. Aktiv im politischen Widerstand exponierten sich nur wenige KünstlerInnen – Herbert Eichholzer, Grete Zahrastnik, Nic Wenky, Anselm Grand und einige andere. Manche – wie Herbert Eichholzer – büßten dafür mit ihrem Leben. Der Weg ins Exil von England, Israel bis Amerika, Brasilien oder Angola blieb für viele oft die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten und ihren persönlichen Stil frei zu entfalten. Josef Heu, Mela Spira, Oskar Stössel und viele andere mussten 1938 flüchten. Thöny und Szekely gingen bereits vor der klerikal-faschistischen Diktatur ins Exil.
 

Günther Holler-Schuster: „Ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit“

Die NS-Zeit wirkt lange nach
Nach der Befreiung vom Faschismus wurde die Verbindung zu den internationalen Entwicklungen in der Kunst wieder gesucht. Vielfach wurde versucht, an die Entwicklung von vor 1938 anzuknüpfen, aber zu massiv waren die Wirkung der jahrelangen Abschottung und der Mangel an Information. Im Moment der Aneignung der versäumten Entwicklung mussten die KünstlerInnen diese gleichzeitig überwinden, um international Relevanz zu erreichen. Für viele war das angesichts der Auswirkungen des jahrelang vorausgegangenen Drucks nicht mehr möglich. Verelendung und Freitod waren das tragische Ende vieler Künstlerbiografien.
Jene KünstlerInnen, die ins Exil gegangen waren, fielen zum großen Teil dem Vergessen anheim: Das offizielle Österreich bemühte sich kaum, die Vertriebenen wieder heim zu holen und ihnen wenigstens teilweise Wiedergutmachung zukommen zu lassen. So kamen viele nie mehr zurück und einige sehr spät. Nur wenige konnten erneut Kraft schöpfen und eine kompromisslose Entwicklung ihrer künstlerischen Praxis wieder aufnehmen. Unmittelbar nach Kriegsende verbesserte sich zwar das geistige Klima, aber ab 1948 konnten „alte Seilschaften“ und deren faschistische Tendenzen wieder an Macht und Einfluss gewinnen. Erneut war die Moderne in eine Außenseiterposition geraten. Erst Ende der 60er-Jahre konnte auch in der Steiermark eine geistige Öffnung endgültig etabliert werden.
 
 
Ausstellungseröffnung: 23. März 2001, 19 Uhr
Dauer der Ausstellung: 24. März - 30. Juni 2001
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr

Dieses Projekt wurde vom Land Steiermark, der Österreichischen Nationalbank, der Stadt Graz und dem Bundeskanzleramt großzügig unterstützt.

Leiter des Forschungsprojektes: Peter Weibel
Idee, Recherche: Günter Eisenhut
Kurator: Günther Holler-Schuster
Ausstellungsarchitektur: Erika Thümmel
Plakatsujet: Karl Wiener, „Collage“, 1941 (Historisches Museum der Stadt Wien)

Eintrittspreise: Erwachsene: ATS 60.–; Senioren / StudentInnen / Schülerinnen / Lehrlinge / Behinderte / Präsenz- und Zivildiener: ATS 40.–; 
Familienkarte (2 Erw. und Kinder bis 15 Jahre): ATS 100.–; Gruppenkarte (ab 7 Pers.): ATS 40.– pro Person; Schulklasse (pro SchülerIn): ATS 10.–; Führungskarte: ATS 20.–
Kunstvermittlung: Erlebnisorientierte Führungen für Schulklassen mit Gewinnspiel
Führungen: So 11 Uhr, Do 18 Uhr und gegen Voranmeldung
Voranmeldung für Gruppen unbedingt erforderlich! Tel. 0316-82 91 55-93 11 (Christian Krump)

Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum 
8010 Graz, Sackstraße 16, 
Tel. 0316-82 91 55, Fax 0316-81 54 01
e-Mail: post@neuegalerie.stmk.gv.at 
Web: http://www.neuegalerie.at

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