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Drei Jahre nach seinem plötzlichen Tod am 22. September
1997 in Graz gedenkt die Stadt des Holocaust-Opfers Bert Linder auf würdige
Weise: Eine neue Straße im Bezirk Ries trägt nun seinen Namen.
Bert Linder, geboren 1911 in Wien, war Jude und Sozialdemokrat. Von
1938 bis 1943 hetzten ihn die Nazis durch halb Europa, 1943 wurde er in
Italien verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Unmittelbar nach der Ankunft
wurden seine Frau, sein erst zehn Monate alter Sohn, seine Schwester und
deren fünfjährige Tochter ermordet; nur die jungen, arbeitsfähigen
Männer ließ man am Leben. In seinem Buch „Verdammt ohne Urteil“
schildert Linder aufs Eindringlichste die unmenschlichen und (entgegen
manchen mythisierenden Vorstellungen) doch von nacktem ökonomischem
Kalkül geprägten Methoden der Menschenverwertung in den Lager-Betrieben
der I.G. Farben und im KZ Dora-Nordhausen, wo die Raketen des später
viel gefeierten Wernher von Braun montiert wurden.
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Von li nach re: Bundesrat Alfred Gerstl, Bgm Alfred
Stingl,
Linders Witwe Joan, Stadtrat Franz Josel,
Linders Sohn und Tochter
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Am 15. April 1945 wurde Linder schließlich von den Briten befreit.
Er lebte noch einige Jahre in Österreich, emigrierte aber 1951 in
die USA. 1983 begann er mit der Niederschrift seiner Lebensgeschichte;
motiviert hatte ihn dazu die Frage seines zehnjährigen Enkels, was
denn die an Linders Unterarm eintätowierte Nummer – zu bedeuten habe.
1985 nahm Linder – inzwischen Präsident der Holocaust-Opfer – die
österreichische Staatsbürgerschaft wieder an. Ein Zusammentreffen
mit ÖVP-Bundesrat Alfred Gerstl in den USA wiederum war der Anstoß
für die deutschsprachige Ausgabe, die 1997 bei Styria erschien. Bei
der Präsentation des Werkes brach Linder zusammen und verstarb. Sein
letzter Satz: „Heute ist ein großer Tag.“
Beim Festakt der Straßenbenennung betonte Bürgermeister
Alfred Stingl die menschliche Größe Linders, der trotz seines
schrecklichen Schicksals Optimismus und Humanismus bewahrt habe und für
Versöhnung eingetreten sei. |