Als wir noch kleine lettische Racker waren und die Straßen Rigas unsicher machten, durften wir nur einmal im Jahr länger aufbleiben als bis 22:00 Uhr MESZ. Dann nämlich als Charles Baudelaire mit seinem Wandertheater in die Stadt kam. Seitdem ist uns seine Lyrik des Häss-lichen ein wenig unangenehm. Die Musik seiner Begleitcombo allerdings liebten wir heiß. Kein Wunder: Haben die Burschen nach ihrer Emigration als Simon and Garfunkel doch große Karriere in der westlichen Welt gemacht.
So freut es uns natürlich ganz besonders, mit den Norwegern Erland Øye und Eirik Glambek Bøe die legitimen Nachfolger der Idole aller langhaarigen Blumenkinder gefunden zu haben. Kings Of Convenience nennen sie sich und versammeln auf ihrem Debut-Album Quiet is the New Loud melancholische Hymnen auf die Liebe, die Mädchen und das Scheitern. Nur ohne den peinlichen Hippie-Scheiß.
 

Die 70er-Jahre haben sie der Hippie-Ära stets vorgezogen, weil da die bauchfreien Shirts viel schwungvoller gestrickt und die Sonnenbrillen oranger waren: Urge Overkill, die amerikanischste aller Rockbands nach dem Ende der ersten großen Grungewelle, die nach ihrem Wechsel zu Geffen 1993 nur zwei Platten veröffentlichte. Die waren kommerziell dafür sehr erfolgreich und ermöglichten es der Band, davon (und von der finanziell einträglichen Verwendung eines älteren Songs durch Quentin Tarantino im Pulp Fiction-Soundtrack) eine Weile auf der faulen Haut zu liegen. Nun hat Boss Nash Kato nach langer kreativer Pause mit Debutante (erschienen auf b-track) ein bemerkenswertes Soloalbum veröffentlicht, auf dem er all den Tugenden frönt, die wir an Saturation (1993) so geliebt haben: die übergroßen Sonnenbrillen, die elegante Frisur, die pathetische Geste mittels Gitarre und Orgel. Eine Platte wie vor einem Jahrzehnt. Aber inklusive dem ganzen guten Hippie-Scheiß.
 

Im Übrigen verabschieden wir uns demnächst in einen achtjährigen Kurz-Urlaub. In der Zwischenzeit wird der begabte Grazer Nachwuchs-Kulturpublizist Dr. Dolf Stockhausen auch diese Kolumne umsichtig und kompetent betreuen. Rote Armee wins!