Freitag, 12. April
 
Was steckt hinter den Etiketten?
In einer Gesellschaft, die gekennzeichnet ist durch neue Unübersichtlichkeiten und raschen Wandel, ist das Bedürfnis nach Erklärungsmustern groß. Etiketten wie die "Erlebnisgesellschaft", die "Informationsgesellschaft", die "Wissensgesellschaft", die "postindustrielle" und die "postmoderne" Gesellschaft werden von der sich gebildet dünkenden Öffentlichkeit bereitwillig aufgenommen. Diese Zeitdiagnosen bieten zwar eine diagnostische Breite, durch die "Etikettierung" manchmal aber auch eine Zuspitzung und Vereinfachung ihrer Modelle.
Für KORSO sprach Romana Scheiblmaier mit Univ.-Prof. Manfred Prisching, der das Konzept für eine Veranstaltung im Rahmen der "Akademie Graz" entwickelt hat, in der sich renommierte Wissenschafter mit der "Etikettengesellschaft" auseinander setzen werden.
KORSO: Ist die Idee, die Gesellschaft mittels zeitdiagnostischer Modelle auf den Punkt zu bringen ein neues Konzept in der Soziologie?
Prisching: Nein. Schon in der Zwischenkriegszeit versuchten SoziologInnen die Gesellschaft als Ganzes zu erklären. Ab den 50er Jahren und bis in die 80er Jahre hinein wurde dann eher eine technokratische Soziologie gemacht. Die heutige Gesellschaft versucht wiederum, sich permanent über sich selbst klar zu werden und die Soziologie liefert die Modelle dazu.
KORSO: Sind diese Modelle nicht oft unzulässige Vereinfachungen?
Prisching: Man muss da Unterscheidungen treffen. Es gibt einige hochkarätige Werke, etwa "Die Risikogesellschaft" von Ulrich Beck oder Gerhard Schulzes „Erlebnisgesellschaft“. Natürlich müssen die AutorInnen immer auch der Aufmerksamkeitsökonomie der Gesellschaft und der Medien folgen. Andererseits existieren schon so viele zum Teil einander widersprechende Etiketten, die ihrerseits Verwirrung erzeugen.
KORSO: Was ist das Ziel der Veranstaltung?
Prisching: Wir wollen einige wichtige Modelle der Gegenwartsgesellschaft aus den letzten Jahren analysieren, eventuell auch revidieren und weiter entwickeln. Dazu konnten wir einige renommierte Wissenschafter gewinnen, wie etwa Ronald Hitzler von der Uni Dortmund, der viel über die "Bastelidentität" gearbeitet hat, oder Wolfgang Müller-Funk von der Uni Birmingham.
Die Debatte über die "Etikettengesellschaft" findet im Kulturzentrum bei den Minoriten statt, Beginn: 14.30 Uhr

 
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